Shalompreis 2024 für indisches Projekt gegen Zwangsarbeit

Ein indisches Projekt gegen Schuldknechtschaft erhält den Shalompreis 2024. Der Arbeitskreis Shalom für Gerechtigkeit und Frieden der KU wird im Juni die Organisation Jeevika auszeichnen. Diese ist seit 1988 im Bundesstaat Karnataka im Südwesten Indiens aktiv und hat seither rund 30.000 Menschen aus Lebensverhältnissen befreit, die der Sklaverei gleichkommen.

Der diesjährige Shalompreis geht an Kiran Kamal Prasad und das von ihm gegründete Projekt Jeevika. Prasad engagiert sich in Karnataka, einem Bundesstaat im Südwesten Indiens, seit 1988 gegen Schuldknechtschaft. Dabei handelt es sich um eine Form der Zwangsarbeit und moderner Sklaverei. „Jeevika“ steht für „Jeeta Vimukti Karnataka“, was so viel bedeutet wie „Leben ohne Schuldknechtschaft in Karnataka“. In Indien arbeiten und leben nach Schätzungen internationaler Organisationen elf Millionen Menschen unter Sklaverei ähnlichen Bedingungen. Zwar ist die Schuldknechtschaft in Indien seit 1976 verboten, doch die Gesetze werden auf lokaler Ebene oftmals nicht umgesetzt.

Schuldknechtschaft entsteht aus Armut: Die Löhne etwa in der Landwirtschaft, in Steinbrüchen und Ziegeleien oder auf dem Bau reichen gerade für das Allernötigste. Für Medikamente, neues Saatgut oder selbst für Essen müssen die Arbeiterinnen und Arbeiter Kredite bei privaten Geldverleihern aufnehmen. Um die Schulden abzuzahlen, werden sie verpflichtet, in deren Betrieben oder Haushalten für kaum mehr als ein Taschengeld zu arbeiten. Ein dauerhaft lukratives Geschäft für die „Arbeitgeber“. Für die Betroffenen, zumeist Dalits (ehemals „Unberührbare“) und Adivasis (Indigene), bedeuten sie eine Spirale aus Armut und Schuldknechtschaft, der sie kaum entkommen können. Schuldknechtschaft geht auch mit großen Eingriffen in die Gesundheit und in das gesamte Leben einher. In einigen Branchen erstreckt sich die Schuldknechtschaft auf ganze Familien. Die Arbeitszeiten reichen bis zu 22 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Nicht selten werden die Arbeiterinnen und Arbeiter gefährlichen Tätigkeiten oder schädlichen Stoffen ausgesetzt. Oftmals dürfen sie Haus und Hof nicht mehr verlassen. Wenn sie sich wehren, müssen sie mit Schikanen und Boykotten rechnen, häufig kommt es zu körperlicher Gewalt wie Schlägen, Verletzungen und Vergewaltigungen oder gar Ermordungen.

Jeevika unterstützt die Menschen in den Dörfern Karnatakas, vorhandene Abhängigkeitsstrukturen aufzubrechen und begleitet sie in den mehrjährigen Freilassungs- und Rehabilitierungsprozessen. Der Hauptfokus Jeevikas liegt auf der Stärkung der Dalits und anderer am äußersten Rand der Gesellschaft lebender Gemeinschaften. Die Gleichstellung von Mann und Frau in ländlichen Räumen sind ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit. Schul- wie auch Erwachsenbildung und gewerkschaftliche Organisierung werden als Schlüssel im Kampf gegen Armut und für ein Leben in Würde angesehen. Bereits 30.000 Menschen konnten aus der Schuldknechtschaft befreit werden, 5000 bekamen mit der Unterstützung von Jeevika Rehabilitierungsmaßnahmen von der Regierung bewilligt.

Kiran Kamal Prasad
Kiran Kamal Prasad

Die Organisation ermittelt, wo Schuldknechte und -mägde arbeiten, und sie hilft dabei, Anträge auf Freilassung und Rehabilitation bei der Bezirksregierung zu stellen. Die befreiten Arbeiterinnen und Arbeiter werden ermutigt, der „Vereinigung für befreite Schuldknechte“ beizutreten, in der man sich gegenseitig unterstützt, regelmäßig trifft und sowohl individuelle als auch gemeinschaftliche Projekte entwickelt. In Selbsthilfegruppen erhalten die Mitglieder Zugang zu Kleinkrediten und Beratung.

Regelmäßige Treffen, Weiterbildungen, Straßentheater zur Aufklärung und vieles mehr wird organisiert, um in der Öffentlichkeit vor Schuldknechtschaft zu warnen. Zudem befähigt das Projekt die ehemaligen Schuldknechte und -mägde, ihre grundlegenden Rechte gegenüber der Regierung einzufordern. Das Hauptziel von Jeevika sind Veränderungen in der Politik. Die Organisation konnte mit ihrer erfolgreichen Lobbyarbeit eine deutliche Erhöhung staatlicher Kompensationszahlungen erreichen. Diese sollen die Betroffenen bei ihrem neuen Leben in Freiheit unterstützen. Die Rehabilitationsprogramme ermöglichen es ihnen, ein Stückchen Ackerland, Kühe oder Ziegen zu erwerben oder zum Beispiel einen Kiosk zu eröffnen sowie den Kindern eine bessere Schulbildung zu ermöglichen. In diesen Investitionen für eine Sicherung ihres Lebensunterhalts, in die Zukunft der Kinder, in dem Wissen um Rechte und im Zusammenhalt in den Jeevika-Dörfern liegt ein wichtiger Schlüssel dafür, dass die befreiten Männer, Frauen und Kinder nicht erneut Opfer von Sklaverei werden. Der Arbeitskreis Shalom weist darauf hin, dass hinter vielen in Deutschland verkauften Produkten aus Indien menschenunwürdige Arbeitsbedingungen steckten, nicht selten auch Schuldknechtschaft. Dies gelte für Grabsteine, Küchenplatten, Textilien, Fußbälle und Feuerwerkskörper.

Für ihre Arbeit erhält die Organisation Jeevika keine staatliche Unterstützung – sie wird ausschließlich durch internationale Geberorganisationen und Einzelspenden unterstützt. Der seit 1981 vergebene Shalompreis ist einer der höchstdotierten Menschenrechtspreise in Deutschland. Das Preisgeld wird ausschließlich durch Spenden zusammengetragen. In den vergangenen Jahren kamen jeweils um 30.000 Euro zusammen. Bürgerinnen der Stadt Eichstätt, Studierende, Beschäftigte und Alumni der KU ermöglichen die Menschenrechtsarbeit des AK Shalom durch ehrenamtliches Engagement. Die Preisverleihung findet am 9. Juni 2024 um 16 Uhr im Holzersaal der Sommerresidenz in Eichstätt statt.

Für den diesjährigen Shalompreis wird um Spenden gebeten:
Neue Kontonummer: Diözese Eichstätt (KdöR) –
Spendenkonto DE52 7509 0300 0007 6521 00 
Verwendungszweck: AK Shalom, Spendername, Adresse, Ort
(Spendenquittung ja /nein)

Weitere Informationen unter www.ak-shalom.com