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K'Universale 2020/2021

Zur Frage der Solidarität: Konzepte - Kontroversen - Perspekiven

Plakat K'Universale 2020/2021
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Am Montag, 9. November 2020 startet die diesjährige Vortragsreihe „Forum K’Universale“ an der KU. Insbesondere im Kontext multipler Krisen erfährt die Idee der Solidarität verstärkte Aufmerksamkeit. Forderungen nach „mehr Solidarität“ sind auch heute allgegenwärtig, und „mehr Solidarität“ wird, bisweilen leichtfertig und unhinterfragt, als vielversprechender, wenn nicht einzig tragfähiger Lösungsansatz in herausfordernden Zeiten dargestellt. Ziel der Vorlesungsreihe zur Frage der Solidarität ist eine kritische und multiperspektivische Kontextualisierung dieser ‚großen Idee’, die historische und aktuelle Kontroversen in den Blick nimmt, sozio-kulturelle und epistemisch-politische Voraussetzungen ausleuchtet und Problemlagen des Solidaritätsbegriffs nahebringt. Die interdisziplinäre und internationale Vorlesungsreihe mit Vorträgen aus Philosophie, Soziologie, Theologie, Geschichte, Wirtschaftswissenschaft, Amerikanistik, den Postkolonialen Studien sowie den Gender Studies stellt kritische Perspektiven zu Grenzen und Möglichkeiten von Solidarität zur Diskussion. Das Programm bietet auch eine Lesung der Bachmann-Preisträgerin, Schriftstellerin und Aktivistin Sharon Dodua Otoo.

Montags, 18:15 bis 19:45 Uhr

Livestream auf
www.facebook.com/uni.eichstaett
www.youtube.com/unieichstaett

Programm, Informationen und Videos

9.11.2020: November 1938 – Solidarität in der "Reichskristallnacht", Prof. Dr. Wolfgang Benz

Prof. Dr. Wolfgang Benz

Im inszenierten Pogrom gegen die jüdischen Bürger schlug am 9. November 1938 die Stunde der Bewährung für alle, die Humanität, christliche Moral und bürgerlichen Anstand ernst nahmen. Es waren aber nicht viele, die den misshandelten und verfolgten jüdischen Mitbürgern, Freunden, Kollegen Hilfe leisteten, sie verbargen, ihnen zur Flucht halfen, sie im Untergrund schützten. Den Berichten über Solidarität und Hilfe steht die Erkenntnis gegenüber, dass die Mehrheit schweigend die Ereignisse hinnahm, dass viele sich vor dem Regime duckten oder sich gar, vom Judenhass angesteckt, dem Mob anschlossen. Die „Reichskristallnacht“ war ein Lehrstück für geübte und verweigerte Solidarität.

Prof. Dr. Wolfgang Benz war bis 2011 Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung an der Technischen Universität Berlin

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16.11.2020: Solidarität und Gewerkschaften: Zwischen konservierender und transformierender Interessenpolitik, Prof. Dr. Klaus Dörre

Klaus Dörre

Solidarität ist in aller Munde. Gleichzeitig befindet sich die Arbeitnehmersolidarität offenkundig in einer ernsten Krise. Einerseits nehmen Arbeitskonflikte zu, andererseits verzeichnen viele Gewerkschaften national wie international gravierende Mitgliederverluste. In  Deutschland ist der gewerkschaftliche Organisationsgrad unter die 18%-Marke gesunken. Stammbelegschaften tendieren zu exklusiver Solidarität, die sich nicht nur gegen „oben“, sondern auch von „unten“ und „anders“ abzugrenzen sucht. Ist die Solidarität von Lohnabhängigen ein Auslaufmodell, das den Realitäten eines globalen, digitalen Kapitalismus des 21. Jahrhunderts nicht mehr gerecht wird. Klaus Dörre widerspricht solchen Pauschalurteilen. Gewerkschaftliche Solidarität ist, so seine These, zeitgemäßer denn je. Für eine Erneuerung ist es jedoch wichtig, dass die Gewerkschaften ihre Machressourcen offensiv nutzen und neue Allianzen eingehen, die sie zu progressiven Akteuren einer sozialen und ökologischen Nachhaltigkeitsrevolution machen.

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23.11.2020: Solidarität in der Fotografie – die „Black Lives Matter“-Bewegung und Bilder des Protests, Nicole Schneider (Vortrag auf Englisch)

Nicole Schneider

Ikonische Bilder wie Jeff Wideners "Tank Man" oder jene, die aus den US-Bürgerrechtsbewegungen der 1950er und 1960er Jahre stammen, verbinden Fotografie mit Aktivismus. Aber wie steht es um ihre Verbindungen zur Solidarität? Mit Blick auf Bilder aus der zeitgenössischen „Black Lives Matter“-Bewegung werde ich in meinem Vortrag auf die wichtige Verbindung zwischen Fotografie, Solidarität und Aktivismus eingehen.

Nicole Schneider ist Doktorandin am Lehrstuhl für Amerikanistik der KU.

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30.11.2020: Wie solidarisch ist der Markt?, Prof. Dr. Jörg Althammer

Prof. Dr. Jörg Althammer

Der Markt gilt gemeinhin als Ort des Egoismus und der Profitmaximierung. Die Berücksichtigung der Interessen anderer und die Idee der Solidarität scheinen hier keinen Platz zu haben. Aber gerade die Corona-Epidemie hat gezeigt, wie vernetzt ökonomische Prozesse mittlerweile sind und wie stark moderne Volkswirtschaften voneinander abhängen. Arbeitsteilige Gesellschaften sind darauf angewiesen, regionale und soziale Grenzen zu überwinden und den anderen in den Tauschprozess zu integrieren. Damit wäre der marktwirtschaftliche Austausch für eine „Solidarität unter Fremden“ geradezu prädestiniert.

In diesem Vortrag wird das Solidaritätspotential marktwirtschaftlicher Prozesse näher betrachtet. Ausgehend von der Arbeitsteilung als Strukturmerkmal moderner Gesellschaften wird Solidarität verstanden als antagonistische Kooperation unter fairen Bedingungen. Anhand konkreter Beispiele wird diskutiert, wie wirtschaftliche Strukturen ausgestaltet sein müssen, damit die Marktwirtschaft zu einer fairen und damit solidarischen Verteilung der Kooperationsgewinne führt.

Prof. Dr. Jörg Althammer ist Professor für Wirtschaftsethik und Sozialpolitik an der KU Eichstätt-Ingolstadt

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7.12.2020: Über Gesellschaft hinaus: Solidarität mit nichtmenschlichem Leben, Prof. Dr. Frank Adloff

Prof. Dr. Frank Adloff

Der massive Schwund an Biodiversität, Klimawandel und weitere ökologische Krisen fordern uns dazu auf, das überkommene Verhältnis zwischen menschlicher Gesellschaft und nicht-menschlicher Natur auf den Prüfstand zu stellen. Der Beitrag skizziert theoretische und praktische Wege, wie Solidarität – jenseits der Dichotomie von Gesellschaft und Natur -- mit nicht-menschlichem Leben möglich ist.

Prof. Dr. Frank Adloff ist Professor für Soziologie, insbesondere Dynamiken und Regulierung von Wirtschaft und Gesellschaft an der Universität Hamburg

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14.12.2020: Das Große Nein – zum gesellschaftlichen Protest, Prof. Dr. Armin Nassehi

Prof. Dr. Armin Nassehi

Prof. Dr. Armin Nassehi ist Professor für Allgemeine Soziologie und Gesellschaftstheorie an der LMU München

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21.12.2020: Grenzen und Brücken: Militarisierte Regime, antirassistische Kämpfe und aufständische feministische Praxis (Lesung und Gespräch), Prof. Dr. Chandra Talpade Mohanty (Vortrag auf Englisch)

  In her talk, Chandra Mohanty discusses three geopolitical borders/occupations—India/Kashmir, Israel/Palestine and U.S/Mexico--. focusing on forms of governance/occupation, struggles for liberation and the necessity of transnational feminist analysis and solidarity. The talk is followed by a conversation with Kerstin Schmidt.  Prof. Dr. Chandra Talpade Mohanty is Professor of Women's and Gender Studies, Sociology, and the Cultural Foundations of Education at Syracuse University.

In ihrem Vortrag spricht Chandra Mohanty über drei geopolitische Grenzen/Besatzungen – Indien/Kaschmir, Israel/Palästina und USA/Mexiko – und konzentriert sich dabei auf Formen der Governance/Besatzung, Befreiungskämpfe und die Notwendigkeit transnationaler feministischer Analyse und Solidarität. An den Vortrag schließt sich ein Gespräch mit Kerstin Schmidt an.

Prof. Dr. Chandra Talpade Mohanty ist Professorin für Frauen- und Geschlechterstudien, Soziologie und die kulturellen Grundlagen der Bildung an der Syracuse University.

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11.1.2021: Die Poetik der Solidarität und Barmherzigkeit für gelebte Gewaltlosigkeit, Prof. Dr. Giovanna Covi (Vortrag auf Englisch)

Prof. Dr. Giovanna Covi

In diesem Vortrag werden die von Leela Gandhi und Judith Butler artikulierten Theorien zur Gewaltfreiheit mit der von Michelle Cliff und Toni Morrison geschaffenen ethischen Poetik verknüpft, um für die dringende Notwendigkeit einer Kulturrevolution in unserer von Gewalt zerrissenen Welt zu argumentieren, die in einer alltäglichen Praxis der Negativität wurzelt und immer weniger zum Aufbau einer radikalen Demokratie beiträgt.

Prof. Dr. Giovanna Covi ist Professorin für Angloamerican Literature and Gender Studies an der Università di Trento.

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18.1.2021: Für all die, die in der Krise waren (Lesung und Gespräch), Sharon Dodua Otoo (Vortrag auf Deutsch und Englisch)

Sharon Dodua Otoo

Die strengen Einschränkungen des öffentlichen Lebens, die von der Bundesregierung aufgrund des Ausbruchs von COVID-19 wiederholt beschlossen wurden, waren für fast alle überfordernd – so auch für viele Privatpersonen, die vor dem März 2020 noch nie existentielle Einschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit, ihrer Bürgerrechte und ihrer körperlichen Autonomie erfahren hatten. Plötzlich sahen sie sich mit einem stark eingeschränkten Zugang zu Gesundheitsversorgung, Kinderbetreuung, öffentlichen Verkehrsmitteln, sozialen Netzwerken und familiärer Unterstützung konfrontiert. Plötzlich verloren sie ihre bezahlte Arbeit oder hatten Mühe, Home Office und Home Schooling unter einen Hut zu bringen. Plötzlich befanden sie sich auf neuem Terrain und fragten sich verzweifelt, wie sie das überstehen sollten.

Für diejenigen, die sich bereits zuvor in einer Krise befunden hatten, fühlte sich nichts von all dem neu an. Schwarze Menschen haben die weniger Betroffenen immer und immer wieder gewarnt, lange bevor diese stolz den Hashtag „Black Lives Matter“ auf Twitter verwendeten oder schwarze Quadrate auf Instagram posteten. Und doch kämpfen wir Schwarzen selbst inmitten dieses neu erwachten Bewusstseins immer noch für die Verteidigung unseres Menschseins. Schriftsteller wie Toni Morrison und Chinua Achebe haben uns gezeigt, wie wir unseren kollektiven Schmerz transformieren können – indem wir für uns unser Menschsein neu begreifen – und es uns als Kunst zurückgeben. In diesem Vortrag behandele ich das Thema der Solidarität aus der Perspektive einer schwarzen Künstlerin. Als Schriftstellerin bin ich Zeugin. Ich kann meine Literatur in den Dienst der „Black Lives“ stellen. Warum ich dies tue und wie ich dies tue, wird das Thema meines Vortrags sein.

Sharon Dodua Otoo ist freie Schriftstellerin. 2016 wurde sie mit dem Ingeborg Bachmann Preis ausgezeichnet.

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25.1.2021: Solidarität mit Geflüchteten, Prof. Dr. Marianne Heimbach-Steins

Prof. Dr. Marianne Heimbach-Steins
© Foto Sulzer
„[…] dass jeder Mensch in Würde leben kann“ (Enzyklika Fratelli tutti 118) Solidarität mit Geflüchteten – eine ethische Reflexion.

Menschen auf der Flucht sind in vieler Hinsicht besonders verletzlich. In diesem Vortrag wird das globale Ethos der Solidarität, wie es in der Enzyklika Fratelli tutti (2020) entworfen wird, auf den sozialen und politischen Umgang mit Geflüchteten bezogen.

Prof. Dr. Marianne Heimbach-Steins ist Professorin für Christliche Sozialwissenschaften an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster

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1.2.2021: Was ist der Wert der Solidarität?, Prof. Dr. Andrea Sangiovanni (Vortrag auf Englisch)

Prof. Dr. Andrea Sangiovanni

In letzter Zeit gab es eine Flut an Schriften über das Wesen der Solidarität, aber nur wenige greifen den Gedanken auf, ob und warum es gut ist, in Solidarität mit anderen zu handeln. In diesem Vortrag werde ich argumentieren, dass Solidarität natürlich instrumentell wertvoll ist: Sie hilft uns, Ziele zu erreichen, die wir sonst nicht hätten erreichen können. Aber sie ist auch aus nicht-instrumenteller Sicht wertvoll, oder für sich genommen eine gute Sache. Der Vortrag will das Warum und Wie aufzeigen und untersuchen, was aus den Gründen erwächst, aus denen wir solidarisch mit anderen handeln müssen.

Prof. Dr. Andrea Sangiovanni ist Professor für Philosophie am King´s College London

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