Internationale Fachtagung an der KU Eichstätt-Ingolstadt
10. April 2014 - 12. April 2014
In der theoretischen wie in der praktischen Ethik haben bis vor wenigen Jahren Ansätze dominiert, die im weitesten Sinn in der Tradition Kants stehen. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass die grundlegenden Normen menschlichen Zusammenlebens sich aus den formalen, auf Verallgemeinerbarkeit ausgerichteten Bestimmungen der Vernunft bzw. der Kommunikation ergeben sollen. Obgleich der starke Vernunftbegriff Kants in den meisten dieser Ansätze zugunsten eines Rekurses auf die Fähigkeit, aus Gründen zu handeln und sich mit Gründen zu rechtfertigen (so exemplarisch bei Karl-Otto Apel, Jürgen Habermas, Rainer Forst, Charles Larmore und T.M. Scanlon), „depotenziert“ und „prozeduralisiert“ wurde, bleiben die betreffenden Modelle doch letztlich dem kantischen Gedanken einer auf die Form der Universalisierbarkeit abhebenden Ethikbegründung und -anwendung verhaftet.
In den letzten Jahren wurden diese Modelle, insbesondere im angelsächsischen Sprachraum, zunehmend durch Überlegungen herausgefordert, die darauf abzielen, in Anknüpfung an Aristoteles und Thomas von Aquin den Gedanken einer genuinen Normativität der Natur bzw. des Lebens gegen rein formale Ethikkonzeptionen zu rehabilitieren. Zu den Vertretern eines solchen Ansatzes gehören Philosophinnen und Philosophen wie Philippa Foot, Rosalind Hursthouse, Michael Thompson und John McDowell, sowie im deutschen Sprachraum etwa Martin Rhonheimer und Robert Spaemann. Kennzeichnend für diesen Ansatz ist erstens ein non-naturalistisches Verständnis von „Natur“, das als solches eine einfache Herleitung von Normen aus Fakten vermeiden soll; zweitens die Einbettung in eine tugendethische Konzeption praktischer Philosophie und drittens schließlich der Umstand, dass die einschlägigen Theorien in der Regel von handlungstheoretischen Erwägungen her entwickelt werden.
Die Arbeiten der oben genannten Philosophinnen und Philosophen legen somit eine neue Debatte über die zentralen Begründungs- und Anwendungsfragen der Ethik nahe: eine Debatte, deren Linien Michael Thompson vorzeichnet, wenn er schreibt, das (neo)aristotelische Verständnis der Praxis zeichne sich „durch eine Skepsis gegenüber Kants Annahme aus, es gebe ein praktisches Gesetz, das den ganzen Kosmos zu durchdringen und überall Handlungen zu begründen vermag.“. Vielmehr bilde für den (Neo)Aristoteliker „die Lebensform, die ich manifestiere, die höchste Allgemeinheit, die meine Bemerkungen [zu Fragen der Lebensführung] beanspruchen können“. Ziel der Internationalen Fachtagung „Normativität des Lebens - Normativität der Vernunft?“ ist es, diese naheliegende, bislang aber noch kaum explizit geführte Debatte mit hochrangigen Vertretern beider Konzeptionen anzustoßen.
Die Tagung findet am Donnerstag im Sommerresidenz statt; am Freitag und Samstag im KAP 209.
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