PD Dr. Dagmar Stöferle (LMU München):
Konsens und Copulatio. Eherechtliches am 10. Erzähltag des Decameron
Dienstag 6. Juli 2021, 10.15 Uhr - im Raum KGA-206 (Ostenstraße 26)
Novelle und Recht sind eng miteinander verbunden. Die literarische Gattung entwickelt sich parallel zur Wiederentdeckung des römischen Rechts und zur Institutionalisierung der Rechtswissenschaft in Oberitalien. Zugleich ist die Novelle interessanterweise eine Gattung, für die die Geschlechterfrage von Anfang an konstitutiv ist: Hier erzählen sich Männer und Frauen Geschichten, deren Konflikte meist das problematische Zusammenleben von Frauen und Männern betreffen. Nach dem Rückzug der brigata aus der von Pest und Rechtlosigkeit bedrohten Welt stellt sich vor allem für die ‚erhabenen‘ Geschichten des zehnten und letzten Erzähltages des Decameron die Frage, inwieweit hier Recht und Ordnung wiederhergestellt werden. Der Vortrag möchte zeigen, dass das um 1350 noch keineswegs einheitlich kodifizierte Eherecht dabei eine zentrale Rolle spielt. Die ökonomischen und politischen Tausch- und Machtverhältnisse der Novellen kristallisieren sich in den eherechtlich virulenten Begriffen von Copulatio und Konsens.