„Es braucht nicht viel, um anzufangen"

Wochenmarkt Eichstätt
Franz Josef Mayer hat seinen Biolandhof in Preith. Jeden Mittwoch verkauft er Obst und Gemüse auf dem Wochenmarkt in Eichstätt. Foto: Groeger.
Nachhaltiges Handeln beginnt im Kleinen – auch in Eichstätt gibt es viele Möglichkeiten

Dem Thema Nachhaltigkeit kommt ein immer größer werdender Stellenwert in der Gesellschaft zu, obwohl es nicht neu ist. Mindestens seit Ende der 1980er Jahre wird darüber diskutiert, doch die Dringlichkeit, sich wirklich damit zu beschäftigen, existierte lange nicht. Umso erfreulicher ist es, dass es 2021 in Eichstätt viele Menschen und Projekte gibt, die dazu beitragen, nachhaltiges Handeln greifbarer und für mehr Menschen zugänglich zu machen. Sie setzen sich für Nachhaltigkeit ein – aus Überzeugung, Eigeninitiative und mit der Hilfe vieler Unterstützer*innen.

Einer von ihnen ist Franz Josef Mayer, der seinen Biolandhof in Preith hat und jeden Mittwoch in Eichstätt auf dem Wochenmarkt steht, um Gemüse, Fleisch und Milchprodukte zu verkaufen. Was er anbietet, stammt aus eigenem Anbau, von Bauern aus der Umgebung oder vom Ökogroßhandel. Die Produktion findet streng nach Ökorichtlinien statt. Seine Arbeit hat für ihn etwas Ideelles: „Wir machen das seit über 30 Jahren aus Überzeugung“, sagt er, „wäre es einfach nur Arbeit, wären wir vielleicht nicht mehr dabei.“ Direkt neben dem Markt befindet sich der Unverpacktladen Einfach so. Dort verkaufen Silke Beck und ihr Team trockene Produkte wie Müsli, Getreide und Nudeln, aber auch Sonnenblumenöl, Milch und Eier. Ebenso angeboten werden Dinge des täglichen Bedarfs wie Haushaltswaren, Kosmetik oder Reinigungsmittel und Bücher. Das Konzept: Bio, fair gehandelt, regional, saisonal, plastikfrei und unverpackt. So wird Abfall reduziert und die Umwelt geschont. Die Kund*innen können sich die Ware in mitgebrachte Behälter wie Gläser oder Tupper-Boxen abfüllen lassen. Wer spontan vorbeikommt, kann sich auch mal einen Behälter ausleihen.

Das Meiste ist regional produziert und wird von kleinen Manufakturen oder Höfen aus der Nähe bezogen, die die Betreiberinnen des Ladens alle persönlich besichtigt haben. Andere Produkte kommen vom Ökogroßhandel, der sich auf Unverpackt spezialisiert hat. Die Ware wird in Kartonagen, Glas und Pfandeimern geliefert. Wenige Lebensmittel, die sonst durchfeuchten würden, auch in biologisch abbaubarer Zellulose. „Wenn Ware von der Verpackung her nicht passt, dann wird sie gar nicht erst ins Sortiment aufgenommen,“ erklärt Silke Beck. Vor einigen Jahren fragte sich Beck, wie man als Einzelperson mehr Plastik sparen kann. Dabei stieß sie auf das Prinzip Zero Waste, bei dem es darum geht, wenig Müll zu produzieren. So entstand der Wunsch nach einem Unverpacktladen in Eichstätt. Einfach so eröffnete 2020. Gemeinsam mit begeisterten Mitstreiter*innen gründete sie den Laden nach dem Genossenschaftsprinzip. Bei einem Einkauf im Unverpacktladen fällt im Schnitt 84 Prozent weniger Verpackungsmüll an als in anderen Bioläden. Viele Kund*innen schätzen es auch, dass sie sehen, was sie einkaufen. Es gibt keine trügerischen Verpackungen und man kann kleine Mengen einkaufen, um Neues auszuprobieren.

Auch für Hannah Lachmann, die für den Verein für Nachhaltigkeit e.V. das Projekt Klimagarten Eichstätt betreut, bedeutet Nachhaltigkeit mehr, als nur auf die Umwelt zu achten. Die Absolventin des Masterstudiengangs „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ koordiniert die freie Gartengruppe des Gemeinschaftsgartens und arbeitet auch mit Ina Limmer vom Green Office der Katholischen Universität zusammen. Der Kapuzinergarten ist ein urbanes Projekt direkt neben dem Kapuzinerkloster. Nachdem die Mönche, die den Garten bewirtschafteten, gegangen waren, blieb dieser lange leer – bis die Universität das Gelände pachtete und einige Studierende mit dem Gärtnern begannen. Ihr Ziel: Einen Gemeinschaftsgarten zu schaffen für verschiedene Aktionen, Workshops und Feste rund um das Thema Nachhaltigkeit und diesen für eine größere Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Das ist ihnen gelungen: Alle, die möchten, können mitgärtnern. Und so treffen Menschen, die in Eichstätt leben oder arbeiten, Studierende, Geflüchtete und Familien mit Kindern aufeinander. Es gibt einen großen Obstbaumbestand mit alten Apfelsorten, Zwetschgen und Quitten. In einem kreisrunden Beet wird nach den Prinzipien der Permakultur und ohne Gifte und Pestizide angebaut, worauf die etwa 20 sehr Aktiven Lust haben. Das können Klassiker wie Zucchini, Kürbis und Mangold sein, aber auch alte Gemüsesorten wie Haferwurz oder weiße Tomaten. Wer mitmacht, darf sich aus dem Garten bedienen. Auch für Veranstaltungen werden die Erträge genutzt, wenn beispielsweise Workshops zum Thema klimaneutrales Kochen und Einwecken stattfinden. Auf die Frage, was am Kapuzinergarten denn genau nachhaltig ist, sagt Hannah Lachmann, die selbst öfter im Garten mitarbeitet: „Wir verbinden soziale mit ökologischer Nachhaltigkeit. Viele Bevölkerungsgruppen, die sonst vielleicht nicht miteinander zu tun hätten, kommen über das Gärtnern zusammen, um sich auszutauschen und gemeinsam zu experimentieren. Der Garten ist daher auch ein wichtiger Begegnungsort.“ Wer hier vorbeikommt, lässt sich auf einen nachhaltigen Diskurs ein und stärkt seine Wahrnehmung von Saisonalität und Regionalität.

Dafür, dass Eichstätt eine kleine Stadt ist, gibt es viele Möglichkeiten, nachhaltig zu handeln. Ein erster Schritt könnte sein, auf dem Wochenmarkt einzukaufen, dem Unverpackt-Laden einen Besuch abzustatten oder im Klimagarten einen Workshop zu besuchen. Dort trifft man auf Menschen, die von ihrer Arbeit begeistert sind und praxisnah vermitteln, dass es nicht viel braucht, um nachhaltiger zu werden. Im Gegenteil: wenig reicht.

Unverpackt Laden
Silke Beck im Unverpacktladen "Einfach so", der 2020 in der Westenstraße 15 eröffnete. Foto: Groeger.
Klimagarten Vorschau

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Interview

„Mit Bereichen starten, die einem leichtfallen.“

Ina Limmer

Ina Limmer ist Nachhaltigkeitskoordinatorin der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) und unter anderem im Green Office der Universität tätig. Dort berät und informiert sie Interessierte aus Eichstätt und Umgebung zu allen Fragen, die Nachhaltigkeit betreffen: „Obwohl sich schon viele damit beschäftigen“, sagt sie „das Thema muss noch mehr in der Gesellschaft ankommen.“

Henriette Groeger: Frau Limmer, was bedeutet es, nachhaltig zu handeln und warum ist das Thema so wichtig?

Ina Limmer: Eine nachhaltige Entwicklung umfasst ökologische, ökonomische und soziokulturelle Aspekte. Hinzu kommt, dass man sowohl die globale, als auch die intergenerationale Gerechtigkeit, das heißt die Auswirkung heutiger Entscheidungen auf zukünftige Generationen, mitbedenken sollte. Wenige Bereiche im Leben eines Menschen lassen sich nicht in Verbindung damit sehen. Fest steht: Die Menschheit kann nur durch nachhaltiges Handeln überleben, was schwer greifbar ist, weil die Wirkung des eigenen Handelns nicht sofort erfahrbar ist.

Groeger: Welche Bereiche umfasst nachhaltiges Handeln für Privatpersonen?

Limmer: Die vier größten Bereiche sind Ernährung, Konsum, Mobilität und die Art, wie wir wohnen. Aber auch Partizipation, vor allem im politischen Bereich. Es ist sinnvoll, Lebensmittel regional und saisonal, anstatt von weit her zu beziehen und den Fleischkonsum zu reduzieren. Müll lässt sich vermeiden, indem man repariert, tauscht und wiederverwendet, was bereits vorhanden ist. Bei der Mobilität geht es darum, zum Beispiel mal auf Urlaubsflüge zu verzichten oder im Alltag öfter das Fahrrad oder den Bus zu nehmen, statt das eigene Auto. Wohntechnisch kann man sich fragen, wie viel geheizt werden muss – die Reduktion um ein Grad Raumtemperatur spart bereits circa 6 Prozent Heizenergie – und wie viel Fläche man überhaupt benötigt. Man muss nicht sofort komplett nachhaltig handeln, sondern kann mit den Bereichen starten, die einem selbst leichtfallen.

Groeger: Ab wann zeigt das Handeln Einzelner Wirkung?

Limmer: Der Einfluss eines einzelnen Menschen ist kaum messbar, aber durch seine Entscheidungen kann man auch das eigene soziale Umfeld darauf aufmerksam machen, nachhaltig zu handeln. Man spricht von einer kritischen Masse von 10 Prozent, die es braucht, um als „Minderheit“ politischen Einfluss zu erwirken. Dafür ist es wichtig, dass jeder Einzelne versucht, Überzeugungen und Wege, die er für ein nachhaltiges Handeln gefunden hat, zu verbreiten.

Autorin

Henriette Groeger

Henriette Groeger studiert Angewandte Musikwissenschaft und Musikpädagogik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Mit Blick auf das ausgezeichnete Nachhaltigkeitskonzept der Universität und die Personen, die sie für den Artikel kennenlernte, war für sie klar: „Die Region 10 ist ein guter Ort, um nachhaltig zu handeln.“