Digitale Brücken bauen: KU-Wissenschaftlerinnen bei Konferenz der Universität von Mariupol

Andrea Steinbach (links) und Bianca Höppner
© Christian Klenk

Mariupol steht wie viele Orte in der Ukraine für enormes Leid und große Zerstörung durch den Überfall russischer Streitkräfte. Obwohl die Stadt, weit im Osten des Landes gelegen, russisch besetzt und weitgehend zerstört ist, hat die dortige Staatliche Technische Universität ihren Betrieb bis heute nicht eingestellt. Sie arbeitet weiter – wenn auch nur online als virtuelle Hochschule, deren Angehörige geflüchtet sind. Andrea Steinbach und Bianca Höppner, Wissenschaftlerinnen an der Professur für Didaktik der englischen Sprache und Literatur an der KU, haben nun an einer internationalen wissenschaftlichen Konferenz, ausgerichtet von der Mariupoler Universität, teilgenommen und berichten von dieser Erfahrung.


Wie kam es dazu, dass zwei Eichstätter Fremdsprachendidaktikerinnen an einer Konferenz einer ukrainischen Universität teilnehmen?

Andrea Steinbach: Ich hatte in der Vergangenheit bereits mehrfach im Zusammenhang mit Vorträgen und Fortbildungsveranstaltungen für Lehrkräfte mit der ukrainischen Professorin und Traumaspezialistin Ludmila Ponomaryova zu tun. Sie hat mir die Einladung zu einer Konferenz weitergeleitet, bei der es um aktuelle Themen der modernen Übersetzungswissenschaft, des Unterrichtens in der deutschen und in der slawischen Sprache sowie über Literatur in Bildungseinrichtungen gehen sollte. Eingeladen waren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Ukraine, aber auch aus anderen Ländern. Die Veranstalter wollten ihre Universität bewusst stärker nach Westen hin orientieren und haben sich explizit an Forschende in Westeuropa gerichtet.

Bianca Höppner: Meine Kollegin hat mir die Einladung weitergeleitet. Ich fand das Thema der Konferenz spannend. Und so haben wir entschieden, auch einen Beitrag in Form eines Papers und eines Vortrags zu leisten. Unser Thema lautete: „Spotlight on language instruction in Germany: The journey from Translation to Mediation”. Es geht darum, welche Rolle das wortwörtliche Übersetzen von Texten einerseits und die sinngemäße Wiedergabe von Inhalten andererseits im Fremdsprachenunterricht spielen. In der Ukraine hat die Mediation einen ganz anderen Stellenwert als bei uns – wenn sie überhaupt unterrichtet wird. Dort liegt der Schwerpunkt auf der klassischen Übersetzung.
 

Wie lief die Konferenz dann ab?

Steinbach: Die Tagung fand als Onlineveranstaltung statt. Die Gebäude der Universität in Mariupol sind ja zerstört, die Lehrenden und die Studierenden sind über viele Länder verstreut. Aber Lehre und Forschung gehen trotzdem irgendwie weiter. Ludmila Ponomaryova hat zu mir in einem Gespräch gesagt: ‚Wir haben keine Wahl. Entweder die Universität lebt oder wird geschlossen. Und wir lieben sie, deshalb kämpfen wir um ihren Erhalt.‘ Es war wirklich beeindruckend zu erleben, wie engagiert die Kolleginnen und Kollegen trotz widrigster Umstände versuchen, den normalen Wissenschaftsbetrieb aufrechtzuerhalten.

Höppner: Technisch war es teilweise schwierig. Aufgrund von Drohnenangriffen gab es bei den Teilnehmenden immer wieder Stromausfälle. So konnten sich nicht alle Referenten und Referentinnen immer zuschalten und die Organisatoren mussten improvisieren und das Programm immer wieder umstellen. Da wurde dann gefragt: Wer ist da? Wer hat gerade eine stabile Leitung? Das lief erstaunlich unkompliziert und pragmatisch. Unser Beitrag wurde so auch kurzfristig zur Keynote. Es war faszinierend, wie der fachliche Austausch und die Kooperation trotz dieser erschwerten Rahmenbedingungen gestaltet wurden. Einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren aus dem Frontgebiet in der Ukraine zugeschaltet.

Steinbach: Unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern waren ukrainische Wissenschaftler genauso wie polnische, tschechische und deutsche. Die Tagung war mehrsprachig geplant. Aber vieles lief dann auf Ukrainisch. Das war natürlich eine Herausforderung. Zum Glück habe ich einige Zeit in der Ukraine verbracht und verstehe einiges. Und ich spreche Russisch, was auch die meisten Ukrainer können. Eigentlich war geplant, dass alles simultan übersetzt wird, aber wegen der schwierigen Rahmenbedingungen war der angekündigte Dolmetscher nicht anwesend. Da unser Thema Mediation war, bot sich die Möglichkeit, Mediation gleich live zu demonstrieren, indem ich den auf Englisch vorgetragenen Teil meiner Kollegin ins Russische übertragen habe.
 

Wie wurde Ihr Beitrag angenommen?

Steinbach: Der Beitrag ist sehr positiv angenommen worden. Im Anschluss an den Vortrag gab es viele Nachfragen. Wir haben uns gefreut, dass darüber sogar auf der Homepage der Universität berichtet wurde. Dort kann man unsere deutsch geschriebenen Namen in dem ukrainischen Text auf den ersten Blick erkennen...
 

Gibt es auch noch Austausch nach der Konferenz?

Höppner: Wir möchten den Kontakt fortführen und im inhaltlichen Austausch zu bleiben. Anfragen zur Ausbildung der Lehramtsstudierenden mit einer Fremdsprache gab es bereits, insbesondere zum Thema Übersetzung und Mediation.

Steinbach: In der Ukraine gibt es keine separaten Ausbildungen für Anglistik, Übersetzer und Lehramtsstudierende. Dementsprechend sind die Kolleginnen und Kollegen von unserem System fasziniert, wo Dolmetscher an anderen Ausbildungseinrichtungen lernen als Lehramtsstudierende. Wir lernen gegenseitig über das jeweils andere System und suchen nach Anknüpfungspunkten, wo wir uns idealerweise gegenseitig bereichern können.

(Fragen von Christian Klenk)