Die Freunde von Montbrison

Françoise Wimmer und Ulrich Heider im Interview

Festakt mit Straßenschild

Wir hatten die Gelegenheit, mit Françoise Wimmer, Vorsitzende des Vereins "Freunde von Montbrison" in Eichstätt, und Ulrich Heider, Vizepräsident des Vereins, zu sprechen. Während dieses Interviews erfuhren wir mehr über die Städtepartnerschaft zwischen den beiden Städten. Eichstätt und Montbrison sind seit 2017 Partnerstädte. Der Verein von Françoise Wimmer möchte die Beziehung zwischen den beiden Städten pflegen. Es handelt sich um eine ehrenamtliche Arbeit, die das Ziel hat, die deutsch-französische Freundschaft innerhalb der Europäischen Union auf kommunaler Ebene neu zu beleben. 

(Anna Judenhahn, Camille Denielle, 2e année Sciences Po Rennes)

Können Sie erklären, wie es zur Partnerschaft zwischen Eichstätt und Montbrison kam?

Françoise Wimmer

Der Eid war der Höhepunkt unserer Arbeit, es war ein wahr gewordener Traum! Aber es gab eine Menge Arbeit im Vorfeld. Diese Idee hatte ich schon sehr lange. Als ich in Eichstätt ankam, bedauerte ich, dass die Stadt keine Städtepartnerschaft hatte. Zunächst einmal musste der Stadtrat dieser Idee zustimmen und das hat ein bisschen gedauert. Wir mussten bis 2015 warten. Der Kontext war damals günstiger. Aber dann mussten wir eine Partnerstadt finden. Das war der schwierigste Teil. Es musste eine Stadt sein, die mit Eichstätt viele Gemeinsamkeit teilte (nicht zu industriell, katholisch geprägt, europäisch...). Im Gespräch mit Freunden erfuhr ich, dass Montbrison eine Partnerstadt in Deutschland suchte! Freunde brachten mich in Kontakt mit Mitgliedern des Rotary. Der Bürgermeister hat uns dabei unterstützt. Alleine ist es schwierig, ein solches Projekt durchzuführen. Wir hatten Glück, dass wir Hilfe von den Behörden aus beiden Städten bekamen!

Ulrich Heider

Warum Montbrison und warum Eichstätt? Hierbei haben zwei wirklich schöne Städte zueinander gefunden, die viele Ähnlichkeiten aufweisen. Es handelt sich in beiden Fällen um Städte, deren historisches Bild von gotischen Kathedralen und mittelalterlichen Zentren geprägt ist. Flüsse fließen durch die beiden Städte, die Einwohnerzahl ist ähnlich hoch und beide Städte sind von historischer Bedeutung. Bei Montbrison handelte es sich um eine Grafschaft, die Stadt war Mittelpunkt und Hauptstadt der Loire, während Eichstätt durch seine Klöster und das Bistum bis heute zentral für ganz Bayern ist. Eichstätt hat als Universitätsstadt dennoch einen besonderen Anspruch, dem Montbrison als kulturreiche Stadt, mit vielen Schulen gerecht werden kann. Durch diese vielen Parallelen konnten wir letztendlich auch den Oberbürgermeister und den Stadtrat von unserem gemeinsamen Projekt überzeugen, einen Verein zu gründen und damit eine Freundschaft zwischen den beiden Städten aufzubauen. Seit meiner Arbeit im deutsch-französischen Kontext ist mir keine so passende Partnerschaft begegnet, es handelt sich für mich wirklich um eine ideale deutsch-französische Verbindung.

In welche Strukturen ist die Partnerschaft der beiden Städte gebunden? Was macht sie lebendig?

Françoise Wimmer

Die wichtigsten Strukturen sind die Partnerschaftskomitees, die es schon in Montbrison gab. In Frankreich ist es durchaus üblich, sobald es eine Städtepartnerschaft gibt, diese Art von Strukturen zu gründen. Auf der anderen Seite wurde in Eichstätt der Verein "die Freunde von Montbrison" gegründet. Wir treffen uns oft in Lokalen. Aber leider haben wir noch keine eigene Räumlichkeit in Eichstätt.

Ulrich Heider

Wir sind inzwischen ein Verein mit 56 Mitgliedern. Unter den Mitgliedern besteht ein guter Austausch und mindestens einmal im Jahr zur Zeit des Altstadtfestes bzw. auf französischer Seite des fête de la fourbe besucht man sich gegenseitig und bringt der anderen Seite der Partnerschaft regionale Spezialitäten näher, wie z.B. Wein und Käse. Ansonsten halten wir öfter unsere Mitgliederversammlungen ab. Es handelt sich um eine ausgesprochen intensive Partnerschaft, die wirklich lebt.

Welche Ziele verfolgt diese Partnerschaft?

Françoise Wimmer

Deutsch-französische Partnerschaften gibt es viele und sie haben sich seit der Nachkriegszeit mit dem Ziel entwickelt, die deutsch-französische Freundschaft zu stärken, aber auch die Integration der Länder in der Europäischen Union zu fördern.

Ulrich Heider

Das besondere an unserer Partnerschaft ist, dass wir zusätzlich einen Verein gegründet haben, der nur zum Zweck besteht, die “jumelage” zu unterstützen. Gemäß der Grundidee des Elysée-Vertrags von 1963 besteht unser Ziel darin, die deutsch-französische Zusammenarbeit zu intensivieren und in allen Facetten zu unterstützen. Das heißt konkret junge Menschen zu unterstützen, Schüleraustausche zu garantieren, Begegnungen von jungen Menschen zu organisieren, Schulen aller Art (Berufsschulen, Gymnasien,...) in Austauschprogramme einzubinden, sowie Sportveranstaltungen mitorganisieren und veranlassen. Beispielsweise hatten wir ein erstes Treffen eines Musikensembles in Montbrison aus Eichstätt.Wir versuchen durch unseren Verein für die Stadt dazusein, ob als Organisator oder gegebenenfalls auch als finanzielle Unterstützung.

Ist eine der beiden Seiten engagierter als die andere?

Françoise Wimmer

Ich habe den Eindruck, dass es unter den Einwohnern von Montbrison ebenso wie unter den Einwohnern von Eichstätt eine echte Fairness gibt. Es ist sehr wichtig, dass beide Seiten auf die gleiche Weise beteiligt und engagiert ist. Manche „jumelages“ gehen aufgrund von Ungleichgewichten schief. In unserer Städtepartnerschaft sprechen zum Beispiel viele Deutsche sehr gut Französisch, also haben viele Franzosen angefangen, Deutsch zu lernen und zu sprechen!

Ulrich Heider

In Eichstätt gibt es viele frankophile Menschen und auch in Montbrison interessieren sich viele Menschen für die Partnerschaft. Eine besondere Rolle in dieser Freundschaft spielt selbstverständlich die Sprache. Leider handelt es sich teilweise um eine sprachliche Einbahnstraßen, da auf französischer Seite nur wenige Deutsch sprechen. Insgesamt hat das Interesse an der gegenseitigen Sprache sogar auf beiden Seiten nachgelassen. Umso wichtiger ist es uns, das Interesse wieder zu wecken und dementsprechend auch besonders junge Menschen anzusprechen. Von der aktuellen Regierung kann man glücklicherweise behaupten, dass sie wieder mehr Wert auf die deutsch-französische Freundschaft legt, in dem sie beispielsweise die classe bilangue wieder einführten. Wichtig ist es sich bewusst zu sein, dass die deutsch-französische Freundschaft nicht selbstverständlich ist und noch weniger der Friede, den wir aktuell haben.

An wen richtet sich die Partnerschaft? Ist der Verein von einer bestimmten Altersgruppe geprägt?

Françoise Wimmer

Wir versuchen, junge Schüler an die deutsche Sprache heranzuführen, um den Mangel an Begeisterung in diesem Bereich zu beheben. Nehmen wir das Beispiel der bilingualen Klassen. In einigen Städten hat dies katastrophale Auswirkungen auf das Interesse der Jugendlichen an der deutschen Sprache. Dieses Interesse wieder zu wecken, ist unsere erste Aufgabe. In Frankreich haben wir zum Beispiel mehrere Klassenfahrten organisiert. Das Reisekomitee von Montbrison versucht, so viele Menschen wie möglich zu begeistern.

Unser Verein wirbt um junge Freiwillige und empfängt sie mit offenen Armen! Sie sind die ersten, die von unserer Arbeit durch die Klassenfahrten profitieren.

Aber in der Tat finden wir es schwierig, junge Leute zu rekrutieren. Das ist nicht nur das Problem unseres Vereins: Wir brauchen junge Leute. Es gibt viele Rentner, weil wir mehr Zeit haben. Und dazu haben wir in dieser Nachkriegszeit gelebt, so dass wir uns mehr betroffen fühlen.

Profitieren Sie von Unterstützungen von Seiten der EU?

Ulrich Heider

Nein, aber Unterstützungen des Deutsch-Französischen Jugendwerks für beispielsweise Reisekosten haben wir schon bekommen.

Wieviel Arbeit bereitet Ihnen ihr Engagement in der Städtepartnerschaft?

Françoise Wimmer

Es ist eine Menge Arbeit, wenn man eine Veranstaltung organisieren muss, aber es ist Arbeit, die glücklich macht! Das ist es, was wir Freiwilligenarbeit nennen.

Bier
© Françoise Wimmer
Serment
© Françoise Wimmer
Offizieller Festakt
© Françoise Wimmer

Welche Folgen der Coronakrise spüren Sie? Schadet sie dem Verein ?

Françoise Wimmer

Wir haben schon unter der Coronakrise gelitten. Unsere letzte Aktivität war der Ausflug im März 2020 mit unserer Gymnasium-Musik und dem Chor. Wir hatten Glück, dass wir dahin konnten! Die Reise wurde fast abgesagt! Wir konnten kurz vor dem Lockdown nach Deutschland zurückkehren und haben es sehr genossen, denn seitdem haben wir uns nicht mehr sehen können. Vor kurzem hatten wir unser erstes Treffen via Zoom: Das war ganz neu für uns. Die Franzosen kommen oft zum Altstadtfest... Sie kommen immer mit Käse und Wein aus Frankreich. In diesem Jahr wird es solche Ereignisse nicht geben. Wir sind soziale Wesen, wir müssen einander sehen und eine solche Partnerschaft lebt durch diesen Austausch. Zum Glück bleiben wir mit unseren Handys in Kontakt. Das ist aber nicht dasselbe! Besonders tragisch ist es für die Schüler. Wir werden in diesem Sommer eine Reise mit wenigen Leuten organisieren können, aber die Klassenfahrten werden eine Zeit lang nicht stattfinden können. Damit diese Schulaustausche stattfinden können, braucht man Menschen, die sehr mobilisiert, sehr motiviert sind. Es erfordert eine Menge Arbeit.

Was sind die Vorteile dieser Partnerschaft für beide Städte (wirtschaftliche Vorteile, kulturelles…)?

Françoise Wimmer

Bis jetzt haben wir keine wirtschaftliche Verbindung. Unternehmen in Eichstätt haben Praktika für Studierende angeboten, aber es handelt sich im Prinzip um eine kulturelle Partnerschaft.

Haben Sie auch Zweifel gegenüber der Partnerschaft?

Françoise Wimmer

Wir machen uns keine Sorgen über die Langlebigkeit der Partnerschaft, aber wir dürfen nicht aufgeben oder unsere Bemühungen reduzieren. Wir freuen uns sehr über diese Städtepartnerschaft! Sie ist uns sehr wichtig. Als ich die Rede bei der Vereidigung der Partnerschaft hielt, war das für mich ein Traum.

Ulrich Heider

Die Partnerschaft hängt sehr von den Personen und deren Engagement ab. Solange Fr Wimmer Präsidentin des Vereins ist wird dieser mit großer Sicherheit weiterleben. Sie, ich und viele andere stecken wirklich mit Herzblut hinter diesem Verein. Aber natürlich muss man sich bemühen, deshalb fokussieren wir uns vor allem darauf auch junge Menschen zu begeistern, die Interesse haben, und auch die Zeit dazu. Berufstätigen fällt es schwerer, es ist schwieriger Termine zu machen, wobei Treffen doch oft nötig sind, um Dinge zu organisieren.

Möchten Sie diesen Eid verstärken und die Partnerschaft in anderen Bereichen ausweiten? Was sind Ihre Projekte für die Zukunft?

Françoise Wimmer

Wir haben einen neuen Bürgermeister, der sehr engagiert ist und bereits seinen Amtskollegen, den Bürgermeister von Montbrison, virtuell kenngelernt hat. Er will so schnell wie möglich nach Montbrison! Ich denke, dass dieses Treffen bald stattfinden wird. Wir haben die Idee, die noch nicht wirklich diskutiert wurde, aus den Nationalparks eine Partnerschaft zu bilden. Aber unser Verein kann es nicht alleine schaffen, wir müssen Leute finden, die bereit sind, dieses Projekt durchzuführen.

Unsere nächste Idee wäre, den Nationalpark von Montbrison mit einem Nationalpark in Spanien zu verbinden! Es ist ein sehr schönes Projekt, aber es ist noch nicht ausgereift und bleibt vorerst nur eine Idee, noch nichts Konkretes!