Integrale Forschung für Nachhaltige Entwicklung

Integrale Verbindung. Nachhaltige Entwicklung.
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„Integrale Forschung …“:

Spezifisch, bezogen auf und ausgehend von der originären Ebene der Wissenschaft ist „Integrale Forschung“/„Integrale- Wissenschaft“ eine integrierende Form der Forschung bzw. des wissenschaftlichen Austausches, also Forschung/Wissenschaft, die

(a) die Welt (und alles, was geschieht) – als Gegenstand der Betrachtung – als holistische Vernetztheit betrachtet und auffasst (dies betrifft also die Weltwahrnehmung), als zusammenhängendes Ganzes („alles ist mit allem verbunden“) sowie

(b) durch inter-, multi- und transdisziplinäre Forschungsmodi gekennzeichnet ist: die also separierte Perspektiven hinter sich lässt und vielmehr die einzelnen disziplinären Betrachtungsweisen integrierend zu einer holistischen Perspektive zusammenführt, diese vereint.

Wenn Problemstellungen (nicht-)nachhaltiger Entwicklung in unserer Forschung bearbeitet werden, räumen wir nach Möglichkeit allen Perspektiven Raum ein und betrachten den Forschungsgegenstand mit einem Blick, der diverse Sichtweisen integriert (statt den Gegenstand mechanistisch zu zergliedern, also unverbunden zu analysieren).

Inspiration für einen integralen Forschungsmodus kann die Idee einer „Integralen Ökologie“ geben. Die Idee einer Integralen Ökologie hat außerhalb der Wissenschaft einen besonders wirkmächtigen Ausdruck in der Enzyklika „Laudato si‘“ von Papst Franziskus aus dem Juni 2015 gefunden.[1] Sie wird vielfach als originäre Konstruktion des Papstes wahrgenommen, weist aber viele explizite sowie insbesondere implizite Wurzeln jenseits einer spirituellen oder theologischen Ebene auf. Das SRL an der KU versteht sich insofern ebenfalls nicht zuvorderst als ein theologisches oder gar katholisches Projekt. Das Forschungsforum wendet sich vielmehr in einem Teilprojekt insbesondere den Wurzeln der Idee einer Integralen Ökologie aus der säkularen Wissenschaft offensiv zu.

Ein integraler Forschungszugang steht für eine behutsame, mehrdimensionale Wahrnehmung der Welt als Gesamtzusammenhang. Er scheint geeignet, die „Machtförmigkeit“ der naturwissenschaftlichen Urteilsform (Carl Friedrich von Weizsäcker) durch ein umfassendes wissenschaftliches Konzept zu „befrieden“[2], in dem die Vielfalt des Wissens nicht paradigmatisch verengt und „vernichtet“ wird (Feyerabend)[3]. In der Umweltethikdebatte und auch in der Enzyklika Laudato si‘ findet man den Gedanken der „Mitwelt“[4], der es verbietet, „die Natur als etwas von uns Verschiedenes oder als einen schlichten Rahmen unseres Lebens zu verstehen. Wir sind in sie eingeschlossen, sind ein Teil von ihr und leben mit ihr in wechselseitiger Durchdringung“ (LS 139).

 

„… für Nachhaltige Entwicklung“

„Nachhaltige Entwicklung“ versteht das SRL umfassend. Es wird der Begriff sustainable development aufgegriffen, der vom Brundtland-Bericht 1987 bis zu den SDGs (Sustainable Development Goals) unserer Tage als Markierung einer zukunftsfähigen, nachhaltigen Lebensweise der Menschheit verwendet wird, die inter- und intragenerationelle Gerechtigkeit mit umfasst.

„Integrale Forschung“ ist also durch einen integralen Modus und eine integrale Sichtweise gekennzeichnet, um hierdurch Nachhaltige Entwicklung (auf allen Ebenen) voranzutreiben.

Integrale Forschung für Nachhaltige Entwicklung kennzeichnet und konstruiert demzufolge unseren Forschungsmodus: Das Labor wird in integrierender Weise Forschungen für Nachhaltige Entwicklung unterstützen, die als wissenschaftlicher Beitrag für die Ermöglichung einer lebenswerten Zukunft der Menschen dienen können.

Das SRL der KU schafft also als „Labor für Gedankenexperimente“ den Raum für grundsätzliche wissenschaftliche Reflexion und für Forschungen, die das wissenschaftliche Verständnis erweitern. In der Begegnung unterschiedlicher Disziplinen entwickelt sich ein Überstieg in andere wissenschaftliche disziplinäre Kulturen. Dies lässt sich auch als Öffnung für gesellschaftliche und politische Anfragen erweitern. Die Herausforderung liegt in einem ernsthaften sowohl inter- als auch transdisziplinären Forschungsgespräch und einer ebensolchen Forschungspraxis. Hierfür ist disziplinäre Forschung eine wichtige Voraussetzung. Sie muss Platz und Förderung erfahren, aber sie sollte sich nicht selbst genug sein.

Es gilt daher bewährte und neue Formate des gegenseitigen Austausches zu finden, welcher inter- und transdisziplinäre Forschungsinitiativen antreibt. Die Öffnung für das jeweilige andere Verständnis wird dabei unabdingbar sein. Dieser Dialog bedarf der örtlichen Räume, aber auch der zeitlichen Räume. Er muss wachsen dürfen.

[1] Deutscher Text: https://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/diverse_downloads/presse_2015/2015-06-18-Enzyklika-Laudato-si-DE.pdf.

[2] Siehe hierzu: Von Weizsäcker, Carl Friedrich (1977): Der Garten des Menschlichen. Beiträge zu einer geschichtlichen Anthropologie, 2. Aufl. München: Hanser.

[3] Siehe hierzu: Feyerabend, Paul (2005): Die Vernichtung der Vielfalt. Wien: Passagen.

[4] Brandt, Manfred (2000): Von der Umwelt zur Mitwelt. Zur Fundierung eines neuen pädagogischen Paradigmas auf der Basis der Philosophie John Deweys. Frankfurt/Main: Peter Lang. (= Europäische Hochschulschriften, Bd. 11); Meyer-Abich, Klaus Michael (1988): Von der Umwelt Zur Mitwelt. Unterwegs zu einem neuen Selbstverständnis des Menschen im Ganzen der Natur. In: Scheidewege: Jahresschrift für skeptisches Denken, 18: 128-148.; Meyer-Abich, Klaus Michael (2007): Umwelt oder Mitwelt – Wie gehören wir in die Natur? In: BUSCH, Bernd (Hrsg.): Jetzt ist die Landschaft ein Katalog voller Wörter: Beiträge zur Sprache der Ökologie. Göttingen: Wallstein, 17-23.; Steiner, Christian (2014): Pragmatismus, Umwelt, Raum. Potenziale des Pragmatismus für eine transdisziplinäre Geographie der Mitwelt. Stuttgart: Franz Steiner (= Erdkundliches Wissen, Bd. 155).