II. Tagung des internationalen Netzwerks zu einer Performativen Politischen Theologie für Europa (PPThE) mit öffentlichen Vorträgen, zum Teil auf Englisch.
Organisation: Heisenberg-Lehrstuhl Theologie in Transformationsprozessen der Gegenwart der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und KU Zentrum Religion, Kirche, Gesellschaft im Wandel (ZRKG) in Zusammenarbeit mit der deutschen Sektion der Europäischen Gesellschaft für Katholische Theologie und mit dem Lehrstuhl Dogmatik der Universität Freiburg (Prof. Dr. Karlheinz Ruhstorfer).
Um einer rein ökonomisch und funktional motivierten Integration Europas entgegenzuwirken, wird immer wieder eingeklagt, dass es ein neues Europanarrativ brauche, das eine Identifikation mit Europa ermöglicht, das die Emotionen anspricht und das Projekt Europa orientieren kann. Alte Narrative scheinen ausgedient zu haben.
Das „Projekt Europa“ befindet sich schon seit längerem in einer tiefen Krise. Der ‚Brexit‘, die Wendung zu einer ‚illiberalen Demokratie‘ in Ungarn und Polen, die konfrontativen Strategien Russlands und der Türkei sind nur die offensichtlichsten Symptome dieser Krise. Die Coronapandemie verschärft die Situation weiter und führt zugleich zu in Friedenszeiten nicht gekannten Einschränkungen der Freiheit und Eingriffen in Wirtschaft, Kultur und alltägliches Leben. Klimawandel, ökologische Krise und Migration bleiben die langfristigen Herausforderungen im Hintergrund.
Politisch prägen Europa in dieser prekären Situation zwei scheinbar gegensätzliche Strategien und Stile: Einerseits ein „Regieren im Ausnahmezustand“, das technokratisch und administrativ bestimmt ist und scheinbar „alternativlose“ Maßnahmen durchsetzt. Mit unpolitischem Gestus werden tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen durchgesetzt. Auf der anderen Seite gewinnen Bewegungen an Einfluss, die diese Politik grundsätzlich in Frage stellen, dabei jedoch oft mit Feindbildern oder Verschwörungsszenarien arbeiten und eine generalisierte Empörung gegen Elite und „System“ pflegen. Identitäre Bewegungen, die auf Abgrenzung nach außen und Homogenität nach innen zielen, haben an Einfluss gewonnen, auch in Rückgriff auf Vorstellungen Europas als „christliches Abendland“. Der Begriff des „Populismus“ ist zur Chiffre eines solchen Politikstils geworden, der mit Bildung von „Echokammern“ und zu Ausschlussmechanismen auf allen Seiten des politischen Spektrums einhergeht.
Wie lässt sich in dieser Krisensituation Europa neu erzählen wie lässt es sich heute erzählen und welche Visionen können die Zukunft orientieren? Was kann es heißen, „Europa eine Seele zu geben“? Welche Rolle spielt dabei die Religion, welche die Vollzugsform und der Stil des Glaubens (in impliziter oder expliziter Form, in Christentum, in anderen Religionen oder in diffuseren Formen postmoderner Spiritualität)?
Die von uns anvisierte Performative Politische Theologie für Europa will kein politisches Programm konzipieren, um mit identitätspolitischen Entwürfen über die Gestaltung einer neuen politischen Ordnung zu konkurrieren. Vielmehr sollen auf dieser Tagung politisch-theologische Kriterien für eine konstruktive Auseinandersetzung mit identitären Strategien erarbeitet werden. Dafür muss die Rolle unterschiedlicher Narrative in Bezug auf Europa gedeutet, der Zusammenhang von Erinnerung, Erzählung und politischer Identität untersucht sowie die performative Praxis und symbolischen Inszenierungen analysiert werden, durch die der öffentliche Raum in Europa konstituiert und Ideen von Europa konstruiert werden. Es geht also um die vorpolitischen Grundlagen des Politischen, die für die europäische Integration von großer Bedeutung sind. Dazu gehören auch die oft impliziten kulturellen, normativen und religiösen Überzeugungen und Hintergrundannahmen, welche den Diskurs, die politische Kultur und die Vorstellungen von Europa prägen.