Neuberufene Professorinnen

Vier Lehrstühle und Professuren sind 2020 an der KU neu besetzt worden, ein weiterer im Dezember 2019. Alle Neuberufungen gingen an Wissenschaftlerinnen – damit ist der Frauenanteil in der Professorenschaft deutlich gewachsen. Wir stellen die neuen Hochschullehrerinnen vor.

Karl

Prof. Dr. Katharina Karl ist neue Inhaberin der Professur für Pastoraltheologie an der Theologischen Fakultät. Die gebürtige Regensburgerin (Jahrgang 1976) leitete zuvor seit 2017 das Jugendpastoralinstitut Don Bosco in Benediktbeuern. Zu ihren Forschungs- und Interessensschwerpunkten gehören unter anderem interkulturelle Pastoral, empirische und biographiesensible Methoden der Pastoraltheologie sowie Glaubenskommunikation.

Besonders der Dialog von Theorie und Praxis an der Schnittstelle von Forschung und Lehre macht für Professorin Karl die Tätigkeit an der Universität reizvoll. „Gerade die Pastoraltheologie im Sinne einer Begleitung von Seelsorgeberufen und einer Reflexion von pastoraler Praxis bieten sich dafür an“, so Karl. Dabei könnten Wissenschaft und Praxis voneinander profitieren – beispielsweise im Hinblick auf Erfahrungen aus der Migrantenpastoral, aber auch bezogen auf andere gesamtgesellschaftliche Diskurse. Pastoraltheologie nehme dabei unter anderem auch eine sozialwissenschaftliche Perspektive ein, die nicht nur konkrete Methoden vermittele, sondern auch das Kirchenbild und Fragen von Fremdheit angesichts gesellschaftlicher Transformationen reflektiere. Ihr sei es dabei ein Anliegen, biographische Prägungen für den Glauben in der Seelsorge zu berücksichtigen – auch bezogen auf den Hintergrund ihrer Studierenden. „Das Studium selbst ist immer auch eine Phase der eigenen Orientierung, zu der ich im kreativen Austausch mit den Studierenden Impulse vermitteln möchte“, betont sie.

Professorin Karl studierte an der Ludwig-Maximilians-Universität München Deutsch und Katholische Religionslehre für das Lehramt an Gymnasien und absolvierte das Staatsexamen im Jahr 2002. Während des Studiums verbrachte sie ein halbes Jahr in Mexiko. An der LMU promovierte sie 2005 im Fach Religionspädagogik zum Thema „Jüngerschaft als Lebensprinzip von Kirche“ und absolvierte anschließend bis 2008 eine pastorale Ausbildung in der katholisch-missionarischen Fraternität „Verbum Dei“ in San Francisco. Von 2008 bis 2014 war Katharina Karl wissenschaftliche Mitarbeiterin an den Lehrstühlen für Pastoraltheologie bzw. Religionspädagogik der LMU sowie für ein Jahr als Religionslehrerin am Humboldt-Gymnasium Vaterstetten tätig. Sie habilitierte 2014 im Fach Pastoraltheologie und befasste sich dafür am Beispiel junger Menschen in Orden und geistlichen Gemeinschaft mit religiöser Erfahrung und Entscheidungsfindung. An der PTH Münster wurde sie 2015 zur Professorin für Pastoraltheologie und Religionspädagogik ernannt; sie leitete dort zudem das Pastoralseminar zur Ausbildung von Ordenspriestern.

Korntheuer

Prof. Dr. Annette Korntheuer hat die Professur für Grundlagen und Theorien Sozialer Arbeit an der Fakultät für Soziale Arbeit der KU übernommen. „Für mich ist Soziale Arbeit ein Menschenrechtsberuf, der für Teilhabe einsteht. Deshalb geht es mir in meiner Arbeit unter anderem um eine theoretische Fundierung der Frage, wie soziale Ungleichheit entsteht“, erklärt Korntheuer.

Nach einer Ausbildung zur Erzieherin war Professorin Korntheuer zunächst in einer Heilpädagogischen Tagesstätte für Jugendliche mit geistiger Behinderung tätig. Sie studierte dann Sozialpädagogik an der Katholischen Stiftungshochschule München und arbeitete in der sozialpädagogischen Beratung und Betreuung von jungen Geflüchteten in München. In der Landeshauptstadt war sie von 2016 bis 2019 kommunale Bildungskoordinatorin für Neuzugewanderte. Zudem arbeitete Korntheuer auch in Kanada im Bereich der Sozialen Arbeit und pflegt dorthin weiterhin Kontakte zu Kolleginnen und Kollegen in Wissenschaft und Praxis.

Vor ihrer Berufung an die KU war sie Vertretungsprofessorin für Inklusion und Behinderung an der Universität Kassel. Für ihre Dissertation an der Ludwig-Maximilians-Universität München beschäftigte sich Korntheuer mit der Bildungsteilhabe von jungen Geflüchteten in München sowie im kanadischen Toronto. Aktuell begleitet sie eine Studie im Auftrag des kanadischen Ministeriums für Migration und Flüchtlinge im Hinblick auf dortige Programme für Familien mit Fluchterfahrung. „Integration darf man nicht auf den Aspekt der Arbeitswelt reduzieren, sondern man muss den gesamten Menschen in den Blick nehmen. Kanada hat sich als Einwanderungsland schon sehr früh mit gleichberechtigter Teilhabe und Diversität auseinandergesetzt“, erklärt Korntheuer. Die Einbeziehung unterschiedlicher Gruppen werde dort viel konsequenter umgesetzt. Gerade der Kontakt zu unterschiedlichen Persönlichkeiten und ihren Bedarfen stehe im Zentrum von Sozialer Arbeit, die dafür grundlegender Theorien, Konzepte und Kompetenzen bedürfe. „Angesichts einer zunehmenden Ökonomisierung gilt es auch, die Ethik der Profession zu reflektieren und den Wert sozialer Arbeit kontinuierlich darzulegen. Deshalb wünsche ich mir von den Studierenden, dass ihnen auch die politische Dimension von Sozialer Arbeit bewusst wird.“

Derzeit ist Annette Korntheuer unter anderem auch an einem Projekt beteiligt, welches das Resettlement von Geflüchteten mit Behinderung untersucht. Diese besondere Form der dauerhaften Hilfe richtet sich an einzelne Flüchtlinge, die aufgrund ihres Alters, ihrer körperlichen Verfassung, ihres Geschlechts, ihrer persönlichen Erfahrungen oder rechtlichen Situation besonders schutzbedürftig sind. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen schlägt Aufnahmeländern entsprechende Personen vor, die in Deutschland dann zunächst zentral im niedersächsischen Grenzdurchgangslager Friedland aufgenommen werden. Anschließend wird ihnen ein Wohnsitz zugewiesen. „Wie sich der Weg speziell von Personen mit Behinderungen im Alltag gestaltet, sobald sie das Lager verlassen haben, ist bislang kaum erforscht – etwa im Hinblick auf ihren Zugang zum Versorgungssystem oder finanzielle Unterstützung“, erklärt Korntheuer.

Prof. Dr. Carolin Kreisbeck ist neue Inhaberin des Lehrstuhls für Mathematik - Analysis. Ihre Forschung ist im Bereich der angewandten Analysis, genauer der Variationsrechnung und der Theorie nicht-linearer partieller Differentialgleichungen, angesiedelt. Motiviert sind ihre Fragestellungen durch Anwendungen aus der Praxis, wie beispielweise den Material- und Geowissenschaften, der Bildverarbeitung und auch der Theorie des maschinellen Lernens. Vor ihrer Berufung an die KU war Kreisbeck (Jahrgang 1983), die im Allgäu aufgewachsen ist, Assistant Professor am Mathematischen Institut der niederländischen Universität Utrecht.

„Die Mathematik, wie sie an der Universität gelehrt wird, eröffnet einem neue logische Welten, in denen es weniger um das klassische Rechnen wie im Schulunterricht geht, sondern um das Verständnis von Strukturen und Zusammenhängen“, schwärmt Kreisbeck. Ein Schlüsselerlebnis, das ihr den Weg in die Mathematik öffnete, war die Lektüre des populärwissenschaftlichen Buches „Fermats letzter Satz“. Darin wird das Ringen des britischen Wissenschaftlers Andrew Wiles um ein mathematisches Rätsel beschrieben, das über Jahrhunderte ungelöst war. „Ich habe mir vorgestellt, wie Wiles über Jahre hinweg in einem Dachzimmer saß, um über diese Fragestellung zu grübeln. Dass etwas so faszinierend sein muss, um sich so ausdauernd damit zu beschäftigen, hat mich tief beeindruckt“, so Kreisbeck. Im Austausch mit ihrem Mann, der als Physiker tätig ist, ringt sie augenzwinkernd darum, ob Mathematik oder Physik die herausragendere Disziplin ist: „Für mich ist Mathematik eine kreative Wissenschaft und spannend wie ein Krimi!“

Zwar versteht sich Kreisbeck als Grundlagenforscherin, Ausgangspunkt für ihre Überlegungen sind jedoch stets Fragestellungen aus der Praxis. Einen Bereich bilden dabei unter anderem Materialwissenschaften. Die meisten Materialen sind – etwa bei Verbundwerkstoffen oder Legierungen – Mischungen aus verschiedenen Grundbausteinen, die zum Beispiel einem Flugzeugflügel bestimmte Eigenschaften verleihen. „Das Ganze ist dabei mehr als bloß die Summe der Teile. So kommt es, dass solche Kombinationen meist eine bessere Charakteristik haben als ihre einzelnen Elemente. Spannend ist es, mathematisch zu beschreiben, warum dies so ist“, erklärt sie. Das kann man mit Hilfe moderne Methoden von Variationsrechnung, die sich mit Minimierungsproblemen auf unendlich dimensionalen Räumen beschäftigt, untersuchen.

Professorin Kreisbeck studierte Mathematik an der Universität Augsburg und der Technischen Universität München. 2010 promovierte sie an der Universität Regensburg. Anschließend war Kreisbeck als Postdoc an Universitäten in Pittsburgh und Lissabon tätig sowie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Berliner Weierstraß-Institut für Angewandte Analysis und Stochastik bzw. an der Universität Regensburg in einer DFG-Forschergruppe.

Lindau

Prof. Dr. Anne-Kathrin Lindau ist neue Inhaberin der Professur für Geographiedidaktik und Bildung für nachhaltige Entwicklung an der KU. Sie folgt auf Prof. Dr. Ingrid Hemmer, die seit 1991 die bisherige Professur für Didaktik der Geographie innehatte. Zudem hat Lindau von Hemmer auch die Funktion als Nachhaltigkeitsbeauftragte der KU übernommen.

Die Arbeitsschwerpunkte Anne-Kathrin Lindaus bilden unter anderem die Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE), die Professionalisierung von Lehrkräften sowie Wildnisbildung. „Dabei handelt es sich um ein spezielles Konzept von BNE, in dem man sich bewusst aus dem Alltag in die verwildernde Natur begibt und dabei zum Beispiel über den eigenen Lebens- und Konsumstil reflektiert und eine Zeit lang ohne Technik auskommen muss“, erläutert die neue Professorin. Bildung für Nachhaltige Entwicklung versteht sich als Querschnittsaufgabe, die mittlerweile größere Offenheit erfahre. Dennoch gelte es weiterhin, etwa Strukturen im schulischen Bereich zu etablieren, um dort BNE dauerhaft zu verankern. Anne-Kathrin Lindau ist an zwei aktuell laufenden Forschungsprojekten beteiligt, in denen Bildungsmodule zum Klimawandel und zu Anpassungsstrategien für Schulen sowie Personen im Agrarsektor entwickelt werden.

Prof. Dr. Anne-Kathrin Lindau studierte an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) Geographie und Deutsch für das Lehramt an Gymnasien. Nach ihrem Referendariat unterrichtete sie von 2000 bis 2010 Geographie am Elisabeth-Gymnasium in Halle. Parallel dazu war Anne-Kathrin Lindau von 2002 bis 2008 wissenschaftliche Assistentin im Bereich Didaktik der Geographie am Institut für Geowissenschaften und Geographie an der MLU. Dort promovierte sie 2004 zum Thema „Die stadtökologische Grundbildung in der Lehramtsausbildung – Bildungsstandards und Kompetenzstufenmodell, dargestellt an der Konzeption eines stadtökologischen Erkenntnispfades für die Innenstadt von Halle (Saale)“. Bis zu ihrer Berufung an die KU war Anne-Kathrin Lindau als Lehrkraft für besondere Aufgaben in der Didaktik der Geographie an der MLU tätig.

Scherschel

Prof. Dr. Karin Scherschel ist erste Inhaberin der neuen Professur für Flucht- und Migrationsforschung an der KU. Sie ist zugleich neue wissenschaftliche Leiterin des Zentrums Flucht und Migration an der KU. Als Soziologin beschäftigt sich Professorin Scherschel unter anderem mit Fragen von Flucht und Asyl, Migration, Rassismus sowie sozialer Ungleichheit und Teilhabe.

„Zwar war ich begleitend zu meinem Studium in der Sozialen Arbeit tätig, mich hat aber immer besonders der analytische Blick auf die Themenstellungen dieses Bereiches interessiert“, sagt Karin Scherschel, die in Saarbrücken und Bielefeld Soziologie studierte. Im Jahr 2003 wurde sie promoviert mit einer Arbeit zu rassistischen Argumentationsfiguren und habilitierte 2014 über das Thema „Prekäre Positionen in der Asyl- und Fluchtmigration. Studien zur Bedeutung staatlicher Regulierungen für soziale Ungleichheit“. Sie lehrte und forschte an Universitäten und Hochschulen in Wiesbaden, Duisburg-Essen, Linz, Magdeburg, Jena und Wien. An der Universität Jena hatte Professorin Scherschel die stellvertretende Leitung des Teilprojektes „Entsteht eine neue Unterschicht?“ im Rahmen eines DFG-Sonderforschungsbereiches inne. Vor ihrer Berufung an die KU war sie als Peter-Ustinov-Gastprofessorin am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien tätig.

„Die wissenschaftliche Arbeit zu Flucht und Migration hat in den vergangenen Jahren eine verstärkte Institutionalisierung erfahren. Der Bedarf und die Nachfrage für Expertise haben zugenommen. Verbunden damit ist aber auch eine Gratwanderung zwischen den Ansprüchen von Wissenschaft und Politik“, so Scherschel. Zudem sei in den vergangenen Jahrzehnten – besonders seit 2015 – eine große ehrenamtliche Szene entstanden, die sich praktischen Herausforderungen von Flucht und Migration annehme und ebenfalls Gegenstand der Forschung sei. Nicht mehr das Misslingen, sondern das Gelingen von Integration stehe im Mittelpunkt der Wahrnehmung – so gestalte sich im Vergleich zu früheren Zeiten etwa der Arbeitsmarktzugang für Fluchtmigranten weniger schwierig. „Ich bin jedoch eine große Anhängerin eines Integrationsverständnisses, das über den Arbeitsmarkt hinaus geht. Zudem beschränkt sich der Integrationsbegriff nicht auf Migration, sondern auf die generelle Frage von Teilhabechancen von Menschen in einer Gesellschaft. Die Frage der Integration spielt etwa auch bei rechtspopulistischen Gruppierungen eine große Rolle“, betont Professorin Scherschel.

Als Leiterin des Zentrums Flucht und Migration an der KU will sie dessen Forschung weiter vorantreiben und auch die Idee des Transfers in die Gesellschaft stärken, da das ZFM aus dem Anliegen von praktischer Hilfe für Geflüchtete heraus entstanden sei. Scherschel erklärt: „Gerade dieser starke Praxisbezug zeichnet das Zentrum aus und unterscheidet es von anderen Einrichtungen.“ Das „tolle Team“ des ZFM stimme sie positiv für ihre Vorhaben. Ihren Studierenden möchte Scherschel umfassend und wissenschaftlich fundiert auf mögliche Berufsfelder im Bereich von Flucht und Migration vorbereiten sowie darüber hinaus Lust machen auf das wissenschaftliche Arbeiten.