Die Stadt gestaltet und gesprägt

Grußwort Josef Grienberger, Oberbürgermeister von Eichstätt

Stadtidentität – was für ein weites Feld, was für ein erstmal wenig fassbarer Begriff. Das waren meine Gedanken, als uns vor einigen Wochen eine Anfrage der Lokalpresse erreichte, ob ich nicht für eine Serie über Schattners Geburtstag als Interviewpartner zur Verfügung stehen würde. Das Thema: Stadtidentität, Stadtoberhaupt (also ich) und Schattner. Ich sagte – natürlich – zu und machte mir fortan noch ein paar mehr Gedanken zum Thema Stadtidentität und Schattner, um auch etwas Substanzielles zum Gespräch beitragen zu können.

Wie Claudia Borgmann in ihrem Artikel im „Eichstätter Kurier“ richtig feststellte, bin ich Schattner nie persönlich begegnet. Das liegt weder an Antipathie noch an fehlendem Interesse, sondern hauptsächlich an dem Fakt, dass ich zu dem Zeitpunkt, als Schattner in den Ruhestand ging, gerade in den Kindergarten kam. Und so kann ich heute nur aus der zeitlichen Ferne und durch „Zeitzeugenberichte“ erfahren, wie Schattner als Person, als Persönlichkeit war. Aber ich kann an jedem Tag, bei jedem Spaziergang und durch Eichstätt sehen und erleben, wie Schattner wirkte.  

OB Josef Grienberger

Die architektonische und auch die persönliche Einordnung Schattners und seiner Arbeit will ich anderen, versierteren Architekturkennern überlassen, doch klar ist für uns alle, dass Schattner diese Stadt gestaltet und geprägt hat – und das, so meine These, weit über Architektur hinaus. Er hat diese Stadt auch in ihrer Identität geprägt. Das sehe ich im Übrigen nicht alleine so, sondern fand und findet in dieser Stadt einen großen Konsens. Schließlich ehrte der Stadtrat Schattner im Dezember 1997 mit der Bürgermedaille und machte ihn darüber hinaus im April 2008 zu einem der nur sechs Ehrenbürger in der Geschichte dieser Stadt. Auf der Urkunde zur Ehrenbürgerwürde ist zu lesen:

„Herr Schattner hat sich stets als vorausschauender Städteplaner erwiesen, kein anderer lebender Architekt hat das Stadtbild Eichstätts so charakteristisch und richtungsweisend geprägt.“

Ich habe Ihnen auch ein Beispiel mitgebracht, wo Stadtbild und Stadtidentität in meinen Augen zusammenlaufen. Nehmen Sie etwa den Komplex der Universität. Als in den 1960er Jahren der Gedanke eines Campus durch die Stadt und die Köpfe schwebte, wäre es so modern, so einfach gewesen, sich für Neubauten auf der grünen Wiese am entspannten Rand der Stadt zu entscheiden. Andere große Städte taten es in genau dieser Epoche so, etwa Regensburg. Es gab aber auch den komplexeren Weg, den schwierigeren, den sicher auch teureren: Die Integration des Campus in die Stadt, inmitten alter Denkmäler, zwischen Hofgarten und Sommerresidenz, Altmühl und Waisenhaus. Schattner wagte diesen Weg, die intellektuelle Herausforderung, und nahm die Aufgabe an, Alt und Neu in diesem Campus zu verbinden.

Heute müssen wir sagen, dass diese Entscheidung, die Universität im Herzen dieser Stadt zu platzieren, maßgeblich dazu beigetragen hat, was und wo Eichstätt heute ist. Die Universität gehört zu Eichstätt, der Hofgarten ist nicht nur das grüne Wohnzimmer der Studierenden, sondern auch der gesamten Stadt, die Beliebtheit der Universität speist sich in meiner Wahrnehmung auch aus der Besonderheit dieses Campus und das Nebeneinander von Alt und Neu dieses Ensembles begeistert nicht nur Architekturstudierende bis heute.   

Schattner hat also diese Aufgabe übernommen, die Implementierung vom Neuen ins Alte, und – wie wir heute sagen können – sagenhaft gemeistert. Wie aber die Zeit weiterläuft, haben wir heute eine andere Aufgabe. Den Erhalt und die Belebung der bedeutsamen Architektur. Sie alle sehen und spüren etwa auf dem Campus, dass die Schattner-Bauten gerade ein Alter erreichen, in dem ein großer Erneuerungszyklus ansteht. Fragen wie Barrierefreiheit, Modernität und vor allem aber auch Energieversorgung beschäftigen uns alle als Baulastträger der Gebäudlichkeiten.

Und so müssen wir uns die Frage stellen – zumindest ich stelle sie mir sehr regelmäßig – wie wir nicht nur eine Finanzierbarkeit, sondern vor allem auch eine Akzeptanz und eine Bereitschaft zum Erhalt und zur Nutzung etwa der Schattner-Bauten erreichen. Meine Antwort darauf ist klar und werden sicher einige von Ihnen schon kennen: Wir müssen es schaffen, eine Identifikation und eine Verbundenheit, ja vielleicht sogar Verpflichtung zu unserer Stadt und unserer besonderen Architektur zu schaffen. Eichstätt ist eine Architekturstadt ersten Ranges. Die Anziehungskraft des architektonischen Gesamtkunstwerks Eichstätt auf Touristen macht auch uns Einheimischen bewusst, welchen Schatz wir in Eichstätt hüten. Auch diese Wertschätzung von außen stärkt die Identifikation vor Ort.  

Und wie der Mensch nunmal funktioniert, werden wir das nur mit Gefühlen erreichen. Deshalb haben wir in den vergangenen Jahren gezielt auf Themen gesetzt, die unsere ganz besonderen Orte und Gebäude in der Stadt und die Gefühle der Menschen zusammenbringen. Ein Lieblingsthema hier von mir ist das Heiraten. Sie werden kaum ein Thema finden, das heute so vollumfassend positiv besetzt ist wie das Heiraten – und im Übrigen auch kaum ein Thema, bei dem das Geld so locker sitzt. Brautpaare sind heute auf der Suche nach dem ganz besonderen, nach dem schönsten Orten, Atmosphären und Bildern. Ihre Hochzeitsfotos nehmen Sie und all Ihre Lieben im besten Fall ein Leben lang gerne in die Hand, schwelgen in Erinnerungen und fühlen sich auf ewig dem Ort verbunden, wo Sie den Bund fürs Leben geschlossen haben. Auch deshalb trauen wir nun nicht nur in Trauzimmer und Spiegelsaal, sondern auch im Hofgarten und der Notre Dame. Und bereits jetzt merken wir zum Beispiel im Hofgarten, etwa im Fall von Sachbeschädigungen, dass der Konsens unter den Eichstättern, unseren Hofgarten in seiner Schönheit und Vollkommenheit zu erhalten, nicht zur Diskussion steht – auch, wenn es Geld und Ressourcen kostet.

Das funktioniert aber sicherlich nur, weil wir so besondere, stimmungsvolle, historische und moderne architektonische Orte in der Stadt haben – die geprägt wurden von vielen Baumeistern, und in der jüngsten Vergangenheit eben auch Schattner. Das ist einer unserer großen Trümpfe – neben Themen wie etwa Bildung – die wir spielen wollen, ja müssen – bezüglich Lebensqualität, Tourismus, aber auch Stadtidentität.

Und deshalb möchte ich an den Ende noch einen Gedanken, eine Idee setzen, die in all den Gesprächen zum Thema Schattner, Stadt und Stadtidentität aufkam und die ich auch bereits im ersten Pressegespräch zum Jubiläumsjahr thematisiert habe. Wir alle würdigen in diesem Jahr Schattners Architektur und stimmen darüber ein, dass sein Werk diese Stadt und eine ganze Generation geprägt hat. In der Urkunde zur Ehrenbürgerwürde schrieb die Stadt Eichstätt einst Schattner habe „Architekturgeschichte geschrieben“ und sorge „dafür, dass Eichstätt in den vergangenen Jahrzehnten an der neueren Baugeschichte mitgeschrieben hat“. Und so wäre es mir ein Anliegen, diese Baugeschichte in Eichstätt zu erzählen – und zu vermitteln. Das wäre in meinen Augen so wunderbar möglich mit einer Stiftungsprofessur für Architekturjournalismus an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Ein kühner Gedanke, ein großes Projekt vielleicht – aber eines, über das ich gerne mit Ihnen allen später in eine Diskussion einsteige.

Zum Abschluss möchte ich mich noch bei all jenen bedanken, die nicht nur zum Gelingen des heutigen Abends, sondern des ganzen Jubiläumsjahres beitragen – dazu gehört sicherlich Frau Dr. Claudia Grund, Herrn Kanzler Eckhard Ulmer, Herrn Stefan Wenzel, Herrn Dr. Christian Klenk aber auch Herrn Lars Bender. Vielen Dank, dass Sie Schattners Idee und Arbeit dieses Jahr wieder zum Leben erwecken – und mich einmal mehr dazu gebracht haben, über Stadtidentität nachzudenken.