Die Verschuldungssituation in Hessen ist insbesondere eine Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2007: Hessen hatte im Vorfeld der Krise jahrelang das höchste Pro-Kopf-Aufkommen bei der Gewerbesteuer, die jedoch im wirtschaftsstarken Hessen besonders stark einbrach (Bertelsmann Stiftung 2013, 62). Die Folge war, dass vor allem die Kassenkredite der hessischen Kommunen anstiegen und 2011 bereits mit 1.048 € pro Kopf den vierthöchsten Wert im Bundesländervergleich erreichten (Eicker-Wolf/Truger 2012, 27). Um dieser Problematik zu begegnen, unterzeichneten die kommunalen Spitzenverbände und das Land Hessen Anfang 2012 eine Rahmenvereinbarung, die dann im Schutzschirmgesetz, im Mai 2012 in Kraft getreten, mündete.
Der Gesamtumfang des Schutzschirms beträgt 3,2 Mrd. €, wovon 2,8 Mrd. € als Hilfe zur Schuldentilgung und 400 Mio. € als Zinshilfen verwendet werden. Formal stemmt das Land Hessen die gesamte Summe allein ohne Beteiligung der Kommunen, wodurch die interkommunale Solidarität nicht allzu stark strapaziert wird. Allerdings ist hinzufügen, dass das Land Hessen im Vorfeld des Schutzschirms die Finanzausgleichsmasse um jährlich 360 Mio. € reduziert, sodass die Kommunen mittelbar an der Finanzierung des hessischen Entschuldungsprogramms beteiligt sind (Stolzenberg/Heinelt 2013, 468; Kallert et al. 2020, 58). Die Finanzhilfen müssen für die Ablösung von Investitions- und Kassenkrediten der teilnehmenden Städte und Gemeinden verwendet werden: Über die landeseigene Wirtschafts- und Investitionsbank Hessen (WIBank) werden 46% aller Ende 2009 gemeldeten Verbindlichkeiten (inkl. Darlehen kommunaler Eigenbetriebe) abgelöst (WIBank 2012, 5). Das Land Hessen übernimmt die Tilgung, indem es jährlich 1/30 der ursprünglichen Darlehenssumme an die WIBank zahlt. Für die dann im Rahmen des Schutzschirms auf 30 Jahre gestreckten Darlehen sind jedoch weiterhin, jedoch im Zuge der Tilgung abnehmend, Zinszahlungen notwendig, die die Schutzschirm-Kommunen tätigen müssen. Hierfür stehen Zinsdiensthilfen von max. 2 Prozentpunkten zur Verfügung, sodass das Zins-Risiko etwas abgemildert wird, jedoch bei den Kommunen verbleibt (WIBank 2012, 15; Keilmann/Gnädinger 2014, 445; Bertelsmann Stiftung 2015, 129).
Mit insgesamt 106 Gebietskörperschaften (Kommunen und Kreise) waren ein knappes Viertel aller hessischen Kommunen zur Teilnahme am Schutzschirm berechtigt, von denen letztlich 100 Kommunen (14 Landkreise, 33 Gemeinden, 53 Städte) auf Antrag und freiwillig teilnahmen (Andrae/Kambeck 2014, 165). Kriterien für die Teilnahme sind die Höhe der Kassenkreditverschuldung (über 1.000 €/P. 2009 und 2010), ein negatives Ordentliches Ergebnis der Jahre 2005 bis 2009 in Kombination mit mehr als 470 €/P. Kassenkreditverschuldung oder ein negatives Ordentliches Ergebnis von mehr als 200 €/P. im Durchschnitt der Jahre 2005 bis 2009 (WIBank 2012, 3). Die Kommunen müssen im Gegenzug eine Konsolidierungsvereinbarung mit dem Land Hessen unterzeichnen, in dem der Konsolidierungspfad mit den Maßnahmen auf der Ausgaben- und Einnahmenseite beschrieben werden. Zielgröße für diese „Eigenleistungen der Kommunen“ (Boettcher et al. 2018, 593) sind ein Abbau von 100 € Defizit pro Einwohner*in und Jahr (Andrae/Kambeck 2014, 165). Obgleich es eine „Leitlinie zur Konsolidierung kommunaler Haushalte“ (Hessisches Ministerium des Inneren und für Sport 3.3.2014) gibt, die recht detailliert die möglichen Sparmaßnahmen beschreibt, obliegt die finale Entscheidung über die Konsolidierungsmaßnahmen trotz der Vereinbarung bei den jeweiligen Kommunen. Der Haushalt soll mittels der Schuldenhilfen und der eigenen Konsolidierungsmaßnahmen zum nächstmöglichen Zeitpunkt und spätestens 2020 im ordentlichen Ergebnis ausgeglichen sein. Die Finanzhilfen helfen also nur indirekt beim Erreichen des Haushaltsausgleichs, indem die reduzierte und im Verlauf abnehmende Zinslast den Ergebnishaushalt entlastet – die Geldverschuldung wird dagegen mit der Ablösung der Kredite stark reduziert, sodass ein unmittelbarer Entschuldungseffekt eintritt (Keilmann/Gnädinger 2014, 445).