Am Puls der Politik - Exkursion in die Hauptstadt

Ein Abendessen mit einem Minister im luxuriösen China Club am Pariser Platz? Oder einfach auf die Bundespressekonferenz? Wie kommen Hauptstadt-Korrespondenten an exklusive Informationen? 30 Studenten der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt erkunden vier Tage das Zusammenspiel von Medien, Politik und Lobbyismus.

Einmalig ist der Verein Bundespressekonferenz, ein Verein der Hauptstadtjournalisten. Die Sprecher der Regierung und Minister treffen drei Mal pro Woche in der Bundespressekonferenz auf Journalisten und stellen sich deren Fragen. „Natürlich besteht eine Distanz zwischen Sprechern und Journalisten, aber keine Gegnerschaft“, sagt Vorstandmitglied Antje Sirleschtov. „Wir sind Partner, weil wir ein gemeinsames Ziel haben: die Demokratie zu beobachten.“ Im Saal gebe es nur wenig exklusive Nachrichten. „Gerade große Medien verlagern die Konferenz auf die Treppe vor dem Saal.“ Die Sprecher wüssten ganz genau, was sie sagen dürfen und was nicht. Da werde viel zwischen den Zeilen gesprochen. Die Auflage ist ausschlaggebend. „Wenn der Regierungssprecher will, dass eine Information bei den Leuten ankommt, gibt er sie der BILD.“Die Politiker wollten möglichst prominent ins Blatt und der Journalist eine exklusive Geschichte, sagt Rolf Kleine, Leiter der Parlamentsbüros der BILD. „Alle jagen alle, das ist ein Rattenrennen.“ Für BILD als Kiosk-Zeitung sei Exklusivität lebensnotwendig. „Wir brauchen eine möglichst polarisierende Schlagzeile, eine einfache Überschrift wie bei der FAZ zieht da nicht“, sagt Kleine. Zwar sei Vertrauen zwischen Journalisten und Politikern eine wichtige Grundlage. Aber man müsse sich immer wieder bewusst machen: „Wenn ein Politiker nett zu dir ist, meint er nicht dich, sondern deine Auflage“. Kleine sagt, er habe nicht immer hinter allen Schlagzeilen gestanden. „Aber für BILD geschämt habe ich mich noch nie.“Tissy Bruns beschäftigt sich als Parlamentsjournalistin des Tagesspiegels seit vielen Jahren mit dem Verhältnis von Politik und Medien. Der mediale Hauptehrgeiz seitens der Verleger ziele heute viel mehr darauf ab, bei Madonna backstage zu sein, als zu berichten, was die Kanzlerin macht, klagt die Journalistin. Über die Jahre ist ein Ungleichgewicht entstanden. „Zwar ist die Politik noch auf die Medien angewiesen, doch die Medien bestehen auch ohne Politik“. Das zeigt sich beispielsweise an den Privatsendern. Dennoch würden Medien und Politik in der Öffentlichkeit wie „ein Club“ wahrgenommen. Beide hätten an Bedeutung verloren. Da die „Logik der Medienwelt“ auf Emotionen und Konflikte setze, stünde die Politik unter dem Zwang sich dieser zu unterwerfen und würde dadurch verfälscht. Die Beschleunigung des Informationsflusses merke man auch in der Politikberichterstattung. Früher habe der Journalist vor den Sitzungssälen gelungert, heute gibt es Handys. „SMS aus Sitzungen – das ist keine Legende.“ Dennoch warnt Bruns angesichts des Fortschritts und der wachsenden Bedeutung des Internets: „Wir müssen aufpassen, dass wie bei diesem Tempo aus Angst vor dem eigenen Tod nicht Selbstmord begehen.“Die Wege in der Hauptstadt sind kurz, die Verhältnisse eng. Journalisten kennen sich untereinander und kennen die Politiker. „Es gibt keine Objektivität in diesem Geschäft“, sagt Eva Corell, Redaktionsleiterin BR-Hörfunk. Dennoch dürfe man sich nicht zum „Kumpel“ der Politiker machen lassen. Damit nicht zu viel Nähe zwischen Journalisten und Politkern entsteht, arbeiten die Korrespondenten der ARD maximal fünf Jahre in der Hauptstadt.  Stanislaus Kossakowski, Politischer Korrespondent des BR-Hörfunk, zufolge ist es wichtig Lobbyisten mit einzubeziehen, denn nur so könne ein Thema ganzheitlich dargestellt werden.Lobbyisten arbeiten hinter den Kulissen. So auch Martin Fuchs von der Agentur Brands Associates. Er sieht sich selbst als Übersetzer zwischen Politik und Wirtschaft. Immer mehr Unternehmen nehmen seine Beratung in Anspruch. Vor 20 Jahren sei die Beeinflussung von der Wirtschaft auf die Politik noch nicht so stark gewesen. „Mit Druck oder Fehlinformationen funktioniert dieses Geschäft allerdings nicht“, wehrt sich Fuchs gegen gängige Klischees. Um auf die Interessen seiner Kunden aufmerksam zu machen, wendet er sich nie direkt an die Politiker, sondern an deren Referenten und Praktikanten. „Das sind schließlich die Leute, die die Arbeit machen.“ Um dem schlechten Ruf der Branche entgegenzuwirken, fordert er eine Selbstregulierungsmaßnahme der Branche: mehr Transparenz der Akteure.


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