An den eigenen Grenzen arbeiten, um anderen zu begegnen: Dies Theologicus an KU

Nach zwei Jahren pandemiebedingter Zwangspause hat die Theologische Fakultät der KU wieder ihren Dies Theologicus feiern können, der traditionell Anlass für Rückschau und Ausblick ist. Dabei enthielt das Programm ein Novum, denn drei neue Forschende der Fakultät nahmen das Oberthema „Gemeinsam unterwegs“ für ihre Antrittsvorlesungen wörtlich: Anstatt ausführlicher Fachvorträge gaben sie aus ihrer jeweiligen Perspektive heraus Impulse zu Verantwortung und Beteiligung in der heutigen Kirche und tauschten sich anschließend weiter in einer Diskussionsrunde aus.

Prof. Dr. Katharina Karl
Prof. Dr. Katharina Karl

Macht und Gewaltenteilung, priesterliche Existenz heute, Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche, Leben in gelingenden Beziehungen – der Synodale Weg diskutiert in Deutschland seit 2019 in Folge des Missbrauchsskandals und seinen Ursachen Reformen für die Katholische Kirche. Doch auch international laufen solche synodalen Prozesse, auch als Vorbereitung auf eine Weltsynode der katholischen Bischöfe im Herbst 2023. „Die Erwartungen an die synodalen Prozesse sind international ähnlich“, schilderte Prof. Dr. Katharina Karl, die seit Herbst 2020 die Professur für Pastoraltheologie innehat. Die Kirche der Zukunft werde durch eine Vielfalt an Zugehörigkeitsformen geprägt sein. „Gott nimmt am menschlichen Leben teil – nicht, um es zu dominieren, sondern um es solidarisch zu teilen“, zitierte Karl den Theologen Jürgen Werbick. Es seien Offenheit, ein „unabgeschlossenes Denken“ und ein Arbeiten an den eigenen Grenzen erforderlich, um Anderen zu begegnen. Wenn der Synodale Weg in Deutschland lediglich auf Strukturaspekte reduziert würde, wäre dies zu wenig. Vielmehr gehe es um eine grundlegende Haltung.

Prof. Dr. Benjamin Dahlke
Prof. Dr. Benjamin Dahlke

Der Dogmatiker Prof. Dr. Benjamin Dahlke betonte in seinem Beitrag, dass das Zweite Vatikanische Konzil auch für die Kirche in der Gegenwart von zentraler Bedeutung sei. In der daraus hervorgegangenen Konstitution „Lumen gentium“ spiele die Bestimmung der Kirche als „Volk Gottes“ eine besondere Rolle. „Die Kirche ist demnach – noch vor der Beschreibung ihrer inneren Struktur – eine vor Raum und Zeit bestehende Gemeinschaft, die Gott versammelt hat.“ Die Laien seien aus diesem Verständnis heraus eben keine Amateure, sondern Menschen, die Beruf und Familie leben. Verbindend sei der von allen geteilte Glaube. Das Bischofsamt werde in „Lumen gentium“ explizit als Dienst- und nicht als Machtamt charakterisiert, das Menschen dabei helfen solle, ein christliches Leben zu führen. Angesichts der dennoch unweigerlich vorhandenen Macht sei immer wieder neu an die Zielbestimmung dieses Amtes zu erinnern. Demokratische Prinzipien prägten die Haltung in westlich-liberalen Gesellschaften, Macht und Gewaltenteilung bedürften Kommunikation und Diskurs. Demokratie sei damit nicht nur eine politische Methode, sondern präge generell die Gesellschaft. Das Grundgesetz räume den Kirchen zwar weitreichende Gestaltungsmöglichkeiten für ihre innere Verfassung ein. „Aber je mehr das Bewusstsein von Freiheit und Gleichheit in der Gesellschaft zunimmt, desto weniger haben Katholikinnen und Katholiken Verständnis dafür, wenn in ihrer eigenen Kirche andere Maßstäbe und Standards gelten“, so Dahlke.

Prof. Dr. Rafael Rieger
Prof. Dr. Rafael Rieger

Als neuer Inhaber des Lehrstuhls für Kirchenrecht und Kirchliche Rechtsgeschichte richtete Prof. Dr. Rafael Rieger OFM den Blick auf eine Kirche in einer „chronischen Beteiligungs- und Verantwortungskrise“, aus der heraus der Begriff Synodalität zu einem zentralen Begriff der kirchenamtlichen Lehrverkündigung unter Papst Franziskus geworden sei. Doch was ist damit konkret gemeint? Denn mit dem Begriff würden je nach Kontext punktuelle Ereignisse, Strukturen der Mitverantwortung oder eine generelle Haltung beschrieben. Letzteres gilt laut Rieger für die Lehrverkündigung von Papst Franziskus. „Die anstehende Weltsynode hat primär den lebens- und Handlungsstil im Blick, der Synodale Weg in Deutschland eher eine Reform der Strukturen.“ Viele wünschten sich eine stärkere Beteiligung von Laien, eine Kirche die geschlechtergerechter, menschenfreundlicher und zukunftsfähiger sei – etwa durch die Beteiligung von Laien bei der Bestellung von Bischöfen oder eine Verwaltungsgerichtsbarkeit. „Die kirchliche Rechtsgeschichte zeigt generell Gestaltungsspielraum. Gleichwohl sind nicht alle rechtlich möglichen Reformen sinnvoll. Damit die vielfach erhoffte Reform an Haupt und Gliedern gelingt, muss Synodalität gelebt werden“, so Rieger. Eine kirchenrechtlich optimale Pfarrgemeinderatssatzung etwa helfe nichts, wenn sich aus ganz anderen Gründen niemand bereitfinde, mitzuarbeiten.

In der anschließenden Podiumsdiskussion – moderiert vom Leiter der Hochschulkommunikation und Mitglied der Synodalversammlung des Synodalen Wegs, Dr. Christian Klenk – schilderte Professorin Karl, dass jenseits der Frage von Strukturen über lange Zeit nicht die Haltung von Gemeinsamkeit vermittelt worden sei: „Wenn Sie Menschen im Betroffenenbeirat zuhören, die das Gefühl haben, nur eine symbolische Funktion darin zu haben, dann wäre hier ein Ansatz für eine neue Praxis des pastoralen Miteinanders.“ Ergänzend dazu plädierte Professor Dahlke dafür, die „theologische Redeweise in eine institutionelle Entsprechung zu bringen“. Dass es auch nach Reformen weiterhin Machtgefüge geben werde, sei unausweichlich, schloss Professorin Karl an. Entscheidend sei es jedoch, diese zu reflektieren. Professor Rieger betonte, dass man bereit dazu sein müsse, sich auch in Frage stellen zu lassen, wenn man Diskussionsprozesse anstoße.

Mitten in der Pandemie wurde Prof. Dr. Dr. Andreas Weiß (2.v.l.) 2020 als Inhaber des Lehrstuhls für Kirchenrecht und Kirchliche Rechtsgeschichte emeriert. Der Dies Theologicus bot nun Gelegenheit, ihn nachträglich gebührend zu verabschieden.
Mitten in der Pandemie wurde Prof. Dr. Dr. Andreas Weiß (2.v.l.) 2020 als Inhaber des Lehrstuhls für Kirchenrecht und Kirchliche Rechtsgeschichte emeriert. Der Dies Theologicus bot nun Gelegenheit, ihn nachträglich gebührend zu verabschieden.

Nicht nur die Antrittsvorlesungen galt es coronabedingt bei der Veranstaltung nachzuholen, sondern auch Abschied und Ehrung. Nach über 20 Jahren Tätigkeit an der KU wurde der frühere Inhaber des Lehrstuhls für Kirchenrecht und Kirchliche Rechtsgeschichte, Prof. Dr. Dr. Andreas Weiß, verabschiedet. Mitten in der Pandemie war er im Oktober 2020 emeritiert worden. Laudator Prof. Dr. Stefan Ihli, der sich bei Weiß 2013 habilitierte, würdigte den Emeritus als „Vertreter eines menschenfreundlichen Kirchenrechts“, der zudem als Diözesanrichter im Bistum Rottenburg-Stuttgart stets mit der Praxis in Verbindung geblieben sei. KU-Vizepräsident Prof. Dr. Klaus Stüwe erinnerte in seiner Ansprache an eine Predigt von Weiß, der als Diakon einmal in der Faschingszeit beim Gottesdienst zum Semesterende am Ambo stand – in der Rolle des Narren, der Missstände aufzeigt und die Menschen gleichzeitig Mut macht. Eine Geste, die den Humor und das Gottvertrauen von Professor Weiß unterstreiche. Professor Weiß selbst kündigte an, dass seine nicht gehaltene Abschiedsvorlesung zumindest noch in gedruckter Form erscheinen werde, aber „als Emeritus hat man es nicht so eilig“. Ihm sei die Verbindung von Recht und Barmherzigkeit stets ein Anliegen gewesen, denn man könne „jemanden mit dem Recht auch totschlagen“.

Der Festakt in der Aula der Universität bildete zudem den Rahmen, um herausragende Absolventinnen und Absolventen zu ehren, die Theologie als angehende Lehrkräfte, im Magister Theologie oder im Lizentiatsstudiengang belegt hatten. Ausgezeichnet wurden außerdem Prof. Dr. Christian Handschuh für seine Habilitationsschrift über die katholische Bibelbewegung zwischen 1900 und 1960 sowie Dr. Michael Groß für seine Dissertation zur Spiritualität der Sozialen Arbeit.