Für Millionen von Menschen mit Hilfebedarf erbringt die Gesundheits- und Sozialwirtschaft soziale, medizinische und pflegerische Dienste. Der Gesamtumsatz der Branche lag 2021 bei über 185 Milliarden Euro. Das entspricht einem Anteil von mehr als 5 Prozent an der gesamten deutschen Wirtschaftsleistung. Was öffentlich vergleichsweise wenig wahrgenommen wird: Die Gesundheits- und Sozialwirtschaft kann einen bedeutsamen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Anders gesagt: Sie ist in Punkto CO2–Reduktion ein schlafender Riese.
Großes Potenzial zur CO2–Reduktion liegt insbesondere im Bereich der Sozialimmobilien. Dazu zählen unter anderem Pflegeheime, Kindergärten, Krankenhäuser und Wohneinrichtungen. Die Energieversorgung (Strom, Wärme) der etwa 100.000 Sozialimmobilien verursacht einer Berechnung zufolge einen CO2 Ausstoß von bis zu bis zu 14 Millionen Tonnen pro Jahr. Nach der Kalkulation des Umweltbundesamts verursacht dies jährliche volkswirtschaftliche Kosten in Höhe von rund 9,8 Milliarden Euro.
Um diese Emissionsmenge zu verringern sind massive Investitionen nötig. Für die Umstellung auf eine klimaschonenden Gesundheits- und Sozialwirtschaft ist deshalb ein strategisches Vorgehen gefragt. Um eben dieses zu erarbeiten war die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, sowie deren Spin-Off die Kamel & Nadelöhr GmbH in Person von Herrn Prof. Dr. Bernd Halfar und Herrn Prof. Dr. Jürgen Zerth in den letzten Monaten an einer Arbeitsgruppe mit verschiedenen Playern der Sozialwirtschaft beteiligt. Entstanden sind hierbei vier unabhängige, aber sich gegenseitig ergänzende Konzeptideen:
1. Verankerung des gesamtgesellschaftlichen Nachhaltigkeitsziels im Sozialrecht
Das aktuelle Sozialgesetz verlangt, dass Pflege,- Beratungs- oder Betreuungsleistungen „ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich“ sein müssen. Die Arbeitsgruppe schlägt hier die Erweiterung „ausreichend, zweckmäßig, wirtschaftlich und nachhaltig“ vor. Eine nachhaltige Ausrichtung würde insbesondere die Verhandlungen zwischen den Sozialunternehmen und den Leistungsträgern betreffen und den nötigen Spielraum für die Refinanzierung der Gebäudesanierungen schaffen, indem eine nachhaltige Ausgestaltung der Dienstleistung entsprechend vergütet werden kann.
2. Anreize zur Kostenreduktion als Effekt energetischer Sanierungen
Energetische Gebäudesanierungen nutzen nicht nur der Umwelt, sondern wirken auch kostensenkend. Um den Sozialunternehmen einen Anreiz zur Sanierung, sowie eine Möglichkeit der Amortisierung aufzuzeigen sieht das Projekt-Team eine Kostenübernahme der bisherigen Energiekosten über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren nach der Sanierungsdurchführung vor. Nach Ablauf dieser Frist erfolgt eine Anpassung an die aktuellen Energiekosten.
3. Finanzierung durch eigenständige, handelbare Zertifikate in der Sozialwirtschaft
Um Maßnahmen zu realisieren, welche nicht über in der Punkt 2 beschrieben Art und Weise zu refinanzieren sind soll ein sektorspezifischer Zertifikatehandel etabliert werden. Zu einem bestimmten Zeitpunkt werden durch den Staat Zertifikate, auf Basis der aktuellen Ausstoßmenge, an die Sozialunternehmen ausgegeben. Diese behalten Ihre Gültigkeit bis zu dem Zeitpunkt an welchem Klimaneutralität innerhalb der Branche erreicht werden soll. Bis dahin verpflichtet sich der Staat die Zertifikate zu dem festgelegten Preis zurückzukaufen. Über diesen Rückkauf-Preis können die Sozialunternehmen schließlich ihre Maßnahmen zur Reduktion ihrer Emissionen finanzieren.
4. Energieerzeugung und -vermarktung durch sozialwirtschaftliche Unternehmen
Allein in den großen Arbeitsfeldern der Sozialwirtschaft stehen über 47 Millionen m² Dachfläche zur Verfügung. Bei einem entsprechenden Ausbau mit PV-Anlagen, bei gleichzeitigen Sanierungsmaßnahmen könnten die Sozialwirtschaft über 70% der aktuell benötigten Energie einsparen bzw. selbst erzeugen.
Die Rolle der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt bestand vor allem in der Erstellung einer Pilotstudie zur Einschätzung der Emissionsmenge und der notwendigen Investitionskosten, sowie in der Erarbeitung der Finanzierungslösung über Umweltzertifikate und der Kalkulation des Stromerzeugungspotenzials innerhalb der Sozialwirtschaft.
Die Dokumente stehen anbei zum Download zur Verfügung:
Gerne stehen die drei beteiligten Personen von Seiten der KU, sowie von Kamel & Nadelöhr, Ihnen für weitere Auskünfte zur Verfügung.
Prof. Dr. Bernd Halfar
Mail: bernd.halfar@ku.de
Tel.: 01713804962
Prof. Dr. Jürgen Zerth
Mail: Juergen.Zerth@ku.de
Tel.: +49 8421 9321505
Maximilian Bergdolt (M.A.)
Mail: MBergdolt@ku.de
Tel.: 015159834546