Sieben Studierende und Herr Prof. Dr. Bernhard Sill machten sich am 3. April 2018 auf den Weg nach Oświęcim, um sich dort 5 Tage lang mit dem Thema des nationalsozialistischen Regimes und dessen brutalen Massenmorden auseinanderzusetzen. Philosophische und theologische Fragen sollten gestellt und diskutiert werden. Neben einer Führung durch die Museen der Stammlager Auschwitz I und Auschwitz-Birkenau (Auschwitz II), besichtigte die Gruppe die Stadt Oświęcim samt des ehemaligen jüdischen Viertels und der letzten Synagoge in Oświęcim.
Es fand außerdem ein Gespräch mit dem Zeitzeugen Herrn Wacław Długoborski statt. Die Studierenden beschäftigten sich gemeinsam mit Pfarrer Dr. Manfred Deselears intensiv mit der Person des Lagerkommandanten Rudolf Höß und den ethischen Fragen, die rund um seine Person und sein Leben gestellt werden müssen. Außerdem gab es eine Multimedia-Präsentation über die verbrecherischen medizinischen Experimente in Auschwitz und anderen Konzentrationslagern. Alles in allem gab es viele Eindrücke, die keine / keinen der Teilnehmer*innen unberührt ließen. Jede und jeder hat in einem kurzen Testimonial festgehalten, was sie oder er von diesem Blockseminar mitnimmt.
Richard Bojdol
Besuch von Auschwitz. Warum ist Auschwitz für uns und für die Nachwelt wichtig?
»Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen. Darin liegt der Kern dessen, was wir zu sagen haben.« (Primo Levi)
Ausschwitz ist ein Ort eines unvorstellbaren Verbrechens an Menschen jüdischer Herkunft und vielen anderen. Es sollte nicht als touristische Sehenswürdigkeiten gesehen werden, sondern als Mahnmal und Gedenkstätte, die nicht in Vergessenheit geraten darf. Die menschliche Grausamkeit darf präsent sein, damit es nicht wieder geschehen kann.
Felicitas Buchartz
In dem externen Blockseminar in Oświęcim und dem Besuch in dem Konzentrationslager Ausschwitz habe ich für mich wirklich sehr wertvolle, eindrucksvolle und intensive Erfahrungen gemacht, die auch bis heute noch nachwirken und die ich auch nicht vergessen werde. Das Lager zu besichtigen war für mich eine sehr intensive und extrem berührende Erfahrung. Ich finde es persönlich sehr wichtig, dass man sich mit der dunklen Vergangenheit, die über Deutschland liegt, auseinandersetzt und sich damit beschäftigt. Der Besuch der Stadt Oświęcim und des Lagers Ausschwitz war für mich eine Erfahrung, die ich immer in meinem Gedächtnis behalten werde und mich immer noch, wenn ich daran denke sehr berührt und bewegt.
Nach dem externen Blockseminar in Oświęcim habe ich mich weiterhin mit dem Thema beschäftigt und viele Artikel, Berichte und Videos darüber angeschaut. In einem Artikel hieß es »Wo war Gott?«, und für mich war und ist diese Frage vollkommen berechtigt. Obwohl ich selbst Religionspädagogik und Kirchliche Bildungsarbeit studiert habe und in meinem Glauben an Gott gefestigt bin, konnte ich diese Frage vollkommen nachvollziehen und habe für mich herausgefunden, dass ich verstehen kann, wieso die Menschen, denen solche, für uns vollkommen unvorstellbaren Grausamkeiten angetan wurden, den Glauben an Gott verloren haben oder an Gott zweifeln.
Manuela Brickl
Die 5 Tage Seminar am externen Lernort Oświᶒcim, waren sehr spannend, informativ, aber auch erschreckend und teilweise anstrengend.
Im Nachhinein bemerke ich, dass ich so manche alltäglichen Dinge aus einer anderen Perspektive bedenke, beispielsweise die Abkürzung an der Hochschule für das Sommersemester, welches mit »SS« abgekürzt wird.
Dieses Seminar sensibilisiert in eindrücklicher Weise für den alltäglichen Sprachgebrauch, aber auch für den Umgang mit der Geschichte und regt dazu an, sich weiter mit diesem Thema auseinander zu setzen.
Luzia Rieß
In meiner Vorstellung war es im Konzentrationslager Auschwitz immer Winter und immer kalt. Vor dem Blockseminar erzählte mir jemand das Gerücht, dass man in Auschwitz keine Vögel singen hört und so stellte ich mir es vor – kalt, grau, leer. Dieses Bild wurde innerhalb unserer Tage in Oświᶒcim und Auschwitz bunter und vielschichtiger. Es war seltsam, bei Sonnenschein durch die Straßen, Räume und Gänge zu laufen.
Vieles hat mich berührt, obwohl ich das meiste nicht vor Ort realisieren und verarbeiten konnte. Zu viele Eindrücke und Informationen, die schlicht und einfach unmöglich und unglaublich scheinen.
Die vielen und guten Gespräche machten die Situation greifbarer. Ca. 200.000 Menschen kamen durch Krankheiten, Unterernährung, Misshandlungen und medizinische Experimente in Auschwitz-Birkenau ums Leben. 2016 studierten 5.330 Studentinnen und Studenten an der KU Eichstätt, das heißt unsere Uni mal 40 Menschen sind dort außerhalb der Gaskammern ums Leben gekommen.
Wie kommt es, dass Menschen anderen Menschen so etwas antun. Was ist der Mensch? Und was bzw. wo ist Gott? Das waren Fragen, über die wir viel diskutiert und deren Antworten wir uns immer wieder angenähert haben, doch bleibt wohl jede Antwort zu kurz. Kann ich den KZ-Arzt Josef Mengele einen Menschen nennen? Bleibt ein Mensch Mensch, auch wenn er Unmenschliches tut? Und wo zieht man da die Grenzen?
Zentral bleibt für mich die kritische Anfrage, die Auschwitz auch heute noch an uns stellt: Was tust du dafür, dass es solch einen Ort nie wieder gibt? Wie lebst du dein Leben? Was tust du dafür, dass dein Leben und das Leben der anderen Menschen gelingt? Auschwitz ist nicht ein nur Ort des Gedenkens und der Vergangenheit; es ist eine Wahrheit, die uns auch heute noch anspricht und der wir uns stellen müssen.
Lydia Türk
Auschwitz ist für mich nicht nur Vergangenheit, Auschwitz lebt ..., und das Gedenken an das Geschehene sollte auch weiter leben.
Der liebe Gott bescherte unserer Seminargruppe ein paar frühlingshafte Tage in Oświęcim, die Sonne strahlte und die Temperaturen waren milde. So vergaß ich manchmal, an einen dieser grünen Wiesen und an einen dieser schimmernden Teiche, dass dort Männer, Frauen und Kinder ihre letzte Ruhestätte fanden.
Und schon während ich diesen Satz schrieb, fragte ich mich erneut – »Ruhestätte« – fanden diese Menschen nach über 70 Jahren jetzt nun endlich Ruhe? Konnten Sie Frieden schließen? Mit den Wächtern, SS-Leuten und den Deutschen? Viele dieser Fragen beschäftigten uns unter der Woche und auf viele dieser Fragen bekamen wir nur eine unbefriedigende Antwort. Jeder versuchte sich einzufühlen, mitzufühlen und es auszuhalten, was man dabei fühlte. Gespräche in der Gruppe halfen sehr, und ganz oft half es auch gemeinsam zu schweigen. Schweigend über die Rampe gehen, schweigend in den Barracken stehen und schweigend bei den Konzentrationslagern beten.
Mir wurde in dieser Zeit klar, das Auschwitz mehr ist, als ein Konzentrationslager. Es ist Vergangenheit, Gegenwart und beeinflusst heute noch die Zukunft. Es ist ein Ort der Trauer, der Verständnislosigkeit und der Gewalt, aber es ist auch ein Ort der Begegnung, des Verstehens und des Betens. Auschwitz hätte nicht passieren sollen, aber wir brauchen es jetzt als Gedenken, damit das Geschehene nie wieder passieren kann.
Karin Hofmann
Immer wenn ich mich daran zurückerinnere, dass wir lebend auf Wegen von den Krematorien weg gehen konnten, die Millionen von Menschen nie betreten haben, füllen sich meine Augen mit Tränen.
Und ich bete darum, dass wir immer wieder Wege finden und gehen, um Unheil zu vermeiden. Dann erweisen wir uns als würdig, dass wir diese Wege gehen durften und werden Zweitzeugen.
Andreas Brandstetter
In Oświęcim und Umgebung wird auch heute noch mit Kohle geheizt, dementsprechend liegt oft ein leichter Brandgeruch in der Luft. Ausgerechnet als wir am Krematorium des Stammlagers standen, hatte ich wieder diesen Geruch in der Nase. Ich will mir nicht vorstellen, wie es damals gerochen haben musste, als nicht Kohle, sondern Menschen verheizt wurden.
Beim Gespräch mit dem Zeitzeugen Wacław Długoborski wurde mir so richtig bewusst, dass diese Art von Gespräch in wenigen Jahren nicht mehr möglich sein wird – es wird bald niemand mehr leben, der die Zeit in Auschwitz selber erlebt hat. Umso wichtiger ist die Rolle von uns allen, diese erzählten Erlebnisse weiterzutragen. Wir als Zweitzeugen können und müssen uns gegen das Vergessen stemmen.
Prof. Dr. Bernhard Sill
Die Erinnerung an »Auschwitz« tut weh, tut not, tut gut. Das unermessliche Leid der Opfer darf nicht in Vergessenheit geraten. Das schwarze Licht von Auschwitz ist ein erhellendes Licht, denn es hält die – auch theologisch ungemein bedeutsame – Sehnsucht danach, »dass der Mörder nicht über das unschuldige Opfer triumphieren möge« (Max Horkheimer), wach. Um aller Opfer willen also gilt es die Hoffnung auf eine endgültige Gerechtigkeit erinnernd zu bewahren.
Die Erinnerung an »Auschwitz« ist Mahnung und zugleich Ruf in die Verantwortung dafür, »daß Auschwitz nicht noch einmal sei« (Theodor W. Adorno). Mit weniger darf sich eine »Ethik der Erinnerung« daher nicht begnügen.
Portfolio und Bilder der Studierenden:
https://www.dropbox.com/sh/a5cfv4e11rqwp2l/AABO7AWZzUFuDzZUu9i4pUCXa?dl=0