Nah ist Und schwer zu fassen der Gott. Wo aber Gefahr ist, wächst Das Rettende auch. | Voll Güt ist; keiner aber fasset Allein Gott. Wo aber Gefahr ist, wächst Das Rettende auch.
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Diese Zeilen von Hölderlins Gedicht „Patmos“[1] begleiten mich in diesen Tagen, an denen die Welt plötzlich aus den Illusionen ihrer „Normalität“ herausgefallen ist und wir – wegen einem kleinen Virus, unsichtbar, „virtuell“? – alle in einen Ausnahmezusatnd versetzt sind. Die Folgen kennen wir nicht. Wir wissen auch nicht wann und wie es eine Rückkehr zur Normalität gibt, oder vielmehr: wir ahnen, dass die Welt hinterher eine andere sein wird – zum Guten oder zum Schlechten (oder etwas von beidem). Die Krise wirft uns zurück auf uns selbst, sie isoliert, befreit aus dem Trott, kann innehalten bewirken, kann aber auch lähmen. Abstandsgebot, Einschränkung der Bewegungs- und Versammlungsfreiheit – Rückzug in die eigene Familie, das Haus, so wir beides haben. Das ist die eine Seite. Die andere: Es werden weitreichende Entscheidungen getroffen, Schulden aufgenommen, Hilfe gewährt und verweigert, Grenzen erneuert, Ungleichheiten treten schärfer hervor, neue entstehen... Scheinbar geht es darum, eine Krise, einen akuten Notstand zu bewältigen, gleichzeitg werden damit aber auch Weichen gestellt für die Zeit danach. Es wird Gewinner geben und Verlierer; manche sind privilegiert und sicher, andere sind in ihrer Existenz gefährdet und voller Sorgen, wieder andere sind reduziert auf ihr nacktes Leben – verletzlich, dem Virus wie auch vielem anderen schutzlos ausgesetzt. Es ist – wie jede Krise – also eine Zeit, die Wachsamkeit fordert, Reflexion und Austausch, Solidarität und im richtigen Moment Handeln, Kreativität, Widerstand.
Ich möchte daher in einer Reihe kleiner Artikel diese Situation reflektieren und kommentieren, sie daraufhin befragen, was sie theologisch, politisch, spirituell bedeuten kann. Ich beginne mit einem sehr persönlichen Text zu diesem besonderen Ostern 2020, ohne öffentliche Gottesdienste, in Abgeschiedenheit, ganz reduzierten Begegnungen.
Hier finden Sie den Ostertext zum Download.
[1] Hölderlin, Friedrich (2004): Sämtliche Gedichte und Hyperion, hg. v. Jochen Schmidt. Frankfurt am Main: Insel-Verlag,350-356, sowie die Bruchstücke der späteren Fassung (rechte Spalte) ebd. 357-360.