Seit einem Jahr arbeitet das Mathematische Institut für Maschinelles Lernen und Data Science (MIDS) der KU in den sanierten Räumen des Georgianums in Ingolstadt. Mit dem Umzug des Fachbereichs, der zuvor in Eichstätt beheimatet war, und dessen Ausbau knüpft die Universität an eine lange Wissenschaftstradition an. Bedeutende Mathematiker und Astronomen lehrten und forschten an der ersten bayerischen Landesuniversität in Ingolstadt. Fünf dieser herausragenden Persönlichkeiten sind nun Namensgeber für Räume im Georgianum.
Ein Sommerfest des MIDS anlässlich seines einjährigen Jubiläums im Georgianum bildete den Rahmen für eine besondere Taufe der Veranstaltungs- und Besprechungsräume in dem historischen Gebäudekomplex. Dessen Entstehung ging unmittelbar mit der Gründung der ersten bayrischen Landesuniversität 1472 in Ingolstadt einher. Der niederbayrische Herzog Georg der Reiche stiftete das Kollegiengebäude im Jahr 1494 – als Priesterseminar blieb es bis zum Jahr 1800 in Ingolstadt beheimatet. Nebenan in der Hohen Schule lehrten und forschten unterdessen die Wissenschaftler. Neben Theologen und Philosophen, Juristen und Ökonomen, Physikern und Medizinern waren es vor allem die Mathematiker und Astronomen, die der Universität Ingolstadt über drei Jahrhunderte eine hohe wissenschaftliche Reputation verschafften. Die Namen Apian und Scheiner sind heute noch in der Stadt geläufig – zwei Gymnasien sind nach ihnen benannt. Nicht ganz so bekannt sind hingegen die Namen Johannes Stabius und Ignaz Kögler.
Die Feier begann mit einem Vortrag von Christoph Schöner, der die Entwicklung des Faches Mathematik in Ingolstadt und das Leben und Wirken ausgewählter Wissenschaftler vorstellte. Schöner hat sich in seiner Dissertationsschrift mit der „Mathematik und Astronomie an der Universität Ingolstadt im 15. und 16. Jahrhundert“ befasst – wohl niemand anderes hätte den Gästen des Sommerfestes die Bedeutung der Mathematik für Ingolstadt besser näher bringen können.
Die gut 50 Zuhörerinnen und Zuhörer hatten im größten und repräsentativsten Raum des Georgianums Platz genommen – er trägt nun die Namen von Peter Apian (1495 bis 1552) und seinem Sohn Philipp (1531 bis 1589). Ersterer war kaiserlicher Hofmathematiker und von 1527 bis 1552 Professor für Mathematik in Ingolstadt. Verdienste erwarb er sich vor allem in der Astronomie und Vermessungslehre. Er beschäftigte sich intensiv mit Instrumentenkunde und konstruierte mehrere Sonnenuhren. Auf seine wissenschaftlichen Vorarbeiten baute sein Sohn Philipp auf, der von 1552 bis 1569 in Ingolstadt lehrte. Bekannt wurde er durch die erste Kartographie Bayerns: Über sieben Jahre hinweg bereiste er das gesamte Herzogtum und führte Vermessungen mittels Triangulation durch. Dabei entstand eine fünf mal fünf Meter große Monumentalkarte. Sie sei mehr als 200 Jahre in ihrer Genauigkeit das Maß aller Dinge gewesen, sagte Schöner.
Die Taufe des Apian-Raums nahm KU-Präsidentin Gabriele Gien vor. Die mit aufwendig restaurierten Fresken verzierten Wände verbaten es, eine Sektflasche zu köpfen. Stattdessen schlug Gien auf einen großen Gong. Danach war der Vizepräsident für Forschung, Jens Hogreve, an der Reihe, der einen Seminarraum nach Johannes Stabius (1468 bis 1522) benannte. Stabius lehrte von 1498 bis 1503 in Ingolstadt und entwarf – wie die Apians – zahlreiche Vermessungsinstrumente und Sonnenuhren. Seine bedeutendste Leistung erbrachte Stabius auf dem Gebiet der Kartographie mit der ersten flächentreuen Darstellung der Erdkugel, wofür er gemeinsam mit dem damaligen Kartographen Johannes Werner die herzförmige Stabius-Werner-Projektion entwickelte.
Auch der Bundestagsabgeordnete Reinhard Brandl durfte einmal kräftig gegen den Gong schlagen und damit an Christoph Scheiner erinnern. Dieser lehrte von 1610 bis 1617 in Ingolstadt und nahm dort mit Hilfe selbstkonstruierter Fernrohre und Instrumente Sonnenbeobachtungen vor. Dabei entdeckte er als einer der ersten Sonnenflecken. Außerdem erfand er den Pantographen – ein Zeicheninstrument, welches mittels der Strahlensätze ein Bild in vergrößertem oder verkleinertem Maßstab kopiert.
Als vierter Taufpate betätige sich Ingolstadts Wirtschaftsreferent Georg Rosenfeld. Er benannte einen Raum nach Ignaz Kögler (1680 bis 1746). Der Jesuit lehrte nur vier Jahre – von 1712 bis 1716 – als Professor für Mathematik in Ingolstadt, ehe ihn sein Orden nach China entsandte, wo er als Präsident des Mathematischen Kollegiums fungierte. Als Leiter des Astronomischen Amtes in Peking sowie der Kaiserlichen Sternwarte war er zuständig für die Überwachung des chinesischen Kalenders. Seine wissenschaftlichen Beobachtungen zu Mondfinsternissen waren bedeutsam für die geographische Bestimmung von Längengraden.
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