Bunte und bedrückende Einblicke in die Endlichkeit des Lebens

Interdisziplinäre Tagung "Leben & Tod" mit wissenschaftlichen Vorträgen sowie Kunst, Musik und Literatur.

23. Januar 2011 – Die kleine Frau guckt ins Publikum und lächelt: "Man muss die Sonne scheinen lassen und den Tod in sein Leben integrieren", sagt Rose Busingye. Und ein Blick in ihre Augen beweist, dass der Umgang mit dem Tod nicht traurig sein muss. Rose ist Krankenschwester und hat unzählige junge Frauen erlebt, die mit Prostitution ihr Geld verdienten, nachdem ihre Eltern an AIDS gestorben waren - und viele dieser jungen Frauen waren ebenfalls dem Tod geweiht. In einem Film, den Rose aus Uganda mitgebracht hat, sind immer wieder HIV-infizierte Frauen zu sehen, die fröhlich singen und sorglos tanzen.

Rose Busingye, die Leiterin der Hilfsorganisation "Meeting Points", war eine von 16 Referenten, die in der vergangenen Woche auf einer dreitägigen Tagung an der KU Eichstätt-Ingolstadt vielfältige Facetten zum Thema "Leben und Tod" beleuchtet haben. Auf Einladung von Gabriele Gien, Professorin für Didaktik der Deutschen Sprache und Literatur sowie Vizepräsidentin der KU, kamen etwa 100 Besucher, darunter auch viele Nicht-Wissenschaftler. Schließlich ist die Auseinandersetzung mit dem Tod eine anthropologische Konstante, die nicht nur den akademischen Fachdisziplinen vorbehalten ist, sondern eine grundsätzliche Anforderung, die das Leben stellt und eine Disziplin allein schnell an ihre Grenzen bringen würde. Die Tagung "Leben und Tod" wollte die Behandlung des Themas bewusst interdisziplinär ausrichten, um zu zeigen, dass es völlig unterschiedliche Ansätze gibt, sich diesem Thema zu nähern. Zudem hat das schwere Thema einen ganz direkten Bezug zur Lehre an der KU - so wird im Rahmen des Lehramtsstudiums auch erörtert, wie der Tod im Unterricht einem jungen Menschen vermittelt werden kann und wie der Tod in der Kinder- und Jugendliteratur dargestellt werden kann. So waren unter den internationalen Tagungsgästen auch zahlreiche Eichstätter Studenten.

Dass ein Thema wie "Leben und Tod" nicht nur rein wissenschaftlich, sondern stets mit einer persönlichen Komponente, betrachtet werden kann, wurde bereits beim Auftaktvortrag des KU-Präsidenten Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl deutlich. Der Experte für Moraltheologie und Sozialethik teilte persönliche Erinnerungen aus seiner eigenen Kindheit, als er im Alter von zehn Jahren seinen Vater verlor, um danach die unterschiedliche Wahrnehmung des Todes früher und heute zu vergleichen. Lob-Hüdepohl vermisst in der modernen Gesellschaft eine umfassende Sterbekultur - es werde vergessen, dass Sterben ein sozialer Prozess sei und der eigene Weg zum Tod von den Betroffenen bewusst durchlebt und gestaltet wird.

Neben dem KU-Präsidenten sorgte weiteres Personal der Universität für die wissenschaftliche Fundierung der Tagung: Der Wirtschafts- und Sozialhistoriker Frank Zschaler sprach über Sterben, Tod und Nachfolge von Unternehmern zwischen Selbstinszenierung und Verdrängung. Der Kunsthistoriker Michael Zimmermann erläuterte in seinem Vortrag, dass der österreichische Maler Giovanni Segantini, wie Abraham ihn interpretiert hatte, für Freud zum Kronzeugen des Todestriebes wurde. Tagungsorganisatorin Gabriele Gien sprach über die Entwicklung der Todeskonzeptionen bei Kindern und zeigte anhand von Bildern und der Verarbeitung in der Kinder- und Jugendliteratur die verschiedenen Stadien auf.

Daneben wurden den Tagungsgästen aber auch vielfältige Zugänge zur Frage nach Leben und Tod jenseits der Wissenschaft geboten - mit Musik, Kunst und Literatur. Die Buchautorin Irma Krauß hat sich in vielen Büchern mit dem Tod auseinandergesetzt und las aus der Kurzgeschichte „Karlas Baum". Fünf Mütter, die ihre Söhne verloren haben, versuchten in einem gemeinsamen Märchen ihre eigene Geschichte vom Suchen und Finden eines neuen Lebensortes für sich und ihre Familien nach dem Tod ihrer Kinder zu erzählen. Die mehrfach ausgezeichnete Malerin Monika Wex illustrierte das Märchen mit großformatigen Bildern, die erstmals auf der Tagung in Eichstätt zu sehen waren und noch eine Weile in der Aula hängen.

Besonders in Erinnerung dürfte den Tagungsteilnehmern jedoch die Reise in die "Welt der Räume" von Boris Baberkoff bleiben. Der Cellist hatte einen Schlaganfall überlebt und die Eindrücke, die er im Wachkoma gesammelt hatte, musikalisch umgesetzt - in einem völlig abgedunkelten Raum des Kapuzinerklosters entführte er seine Gäste für etwa 20 Minuten in eine mystische Klangwelt ganz ohne Formen und Farben - das Experiment vermittelte einen beklemmenden Eindruck, wie die Welt jenseits des Lebens aussehen könnte.