Christlich-Jüdische Zusammenarbeit - dafke! (jetzt erst recht!)

Brot und Wein in der jüdischen und christlichen Tradition

Nur selten fand eine Veranstaltung der GCJZ zusammen mit dem Ev. Forum Annahof so viel Zuspruch. Schon die Eröffnung war ungewöhnlich. Die Anordnung der Tische und Stühle war eine Einladung zum Mahl. Auf den Tischen standen Körbe mit koscherem Brot, Berches und Matzen, auf einem eigenen Tisch auch Gläser mit koscherem Weiß- und Rotwein. Wegen des großen Andrangs mussten zusätzlich Stühle besorgt werden. Mehr Gäste hätte der Saal nicht fassen können.

Die Referentinnen waren Rowena Roppelt, geborene Kanadierin, seit einigen Jahren Vertretungsprofessorin für Liturgiewissenschaft und Dogmatik an der Katholischen Universität Eichstätt, und Michaela Rychla, gebürtige Tschechin, seit Jahrzehnten jüdische Religionslehrerin in München, Regensburg und an vielen anderen Orten. Sie luden zunächst alle zum Essen und Trinken ein. Dann baten sie per Zuruf um Assoziationen zu Brot und Wein wie Dank, Freude, Gastfreundschaft. Damit war eigentlich schon alles gesagt. Aber eben nur gesagt. Denn erst die überraschenden Einblicke in die Geschichte deckten auf, welche erstaunliche und bis heute aktuelle Lebensweisheit, welch hohen ethischen Anspruch und tiefe Symbolik beide Religionen mit dem Mahl von Brot und Wein verbinden.

Um nur zwei Beispiele zu nennen: Frau Roppelt betonte die jüdischen Wurzeln von Jesu letztem Abendmahl und illustrierte anschaulich die Symbolik der Alten Kirche: die existenzielle Verbindung sowohl mit Jesus als auch mit seinem Leib, der Gemeinde, mitsamt der sozialen Verpflichtung. Aber im Laufe der Zeit sei die leibhaftige Realität verblasst: Die Anbetung der Hostie wurde zum Ersatz für das Mahl mit Brot und Wein, der Klerikalismus machte die Gemeinde zu bloßen Zuschauern. Die Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils sei nur ein zögerlicher Anfang, das Verlorene wiederzuentdecken. Dabei dürfe es nicht bleiben!

Frau Rychla zeigte auf, wie alle Gesten, Bräuche und Vorschriften der jüdischen Liturgie die Erinnerung an den Jerusalemer Tempel wachhalten, obwohl auch vor seiner Zerstörung vor 2000 Jahren und bis heute der wichtigste liturgische Ort für Juden das Haus, die Familie ist. Die Heiligkeit des Tempels, die die Heiligung des Lebens fordert, zeigt sich in der Reinheit der Speisen, im wiederholten Händewaschen und in allen anderen symbolischen Handlungen. Doch Tradition, Hygiene und Gesundheit greifen zu kurz als Begründung, sie werden dem bleibenden religiösen und ethischen Anspruch der Liturgie nicht gerecht.

Unter der Leitung der beiden temperamentvollen Expertinnen wurde der Abend mit Brot und Wein zu einem tiefen spirituellen Erlebnis, das hoffentlich auch das profane Mahl daheim inspiriert. Es war ein heiterer Abend, gewürzt mit Humor und lebensnahen Bemerkungen, nicht zuletzt durch die Lieder von Michaela Rychla mit ihrer Gitarre. Doch mehr als Worte und Musik ausdrücken können, zeigte das lebendige Miteinander der beiden Damen, die sich erstmals in Augsburg begegnet sind, die von Gott gestiftete Einheit von Juden und Christen. Und einen besonderen Akzent setzte der Hausherr, Dr. Martin Beck, mit dem jiddischen Appell „dafke! (jetzt erst recht!): Auch angesichts des schrecklichen Terrorangriffs der Hamas und des wachsenden Antisemitismus in unserem Land und weltweit muss gelten: Jüdisches Leben muss weitergehen! Jetzt erst recht! Das geht uns alle an.

Dienstag, 7.11.2023 im Evangelischen Forum Annahof
Autor: Hanspeter Heinz