Studie weist Zusammenhang nach zwischen Arbeitskräfteangebot und Automatisierung

Automatisierung
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Mehr verfügbare Arbeitskräfte führen zu weniger Automatisierungsinnovationen in Unternehmen: Das hat Professor Alexander M. Danzer, Volkswirtschaftler an der KU, erstmals mittels deutscher Daten bewiesen. Gemeinsam mit Carsten Feuerbaum und Fabian Gaessler von der Universitat Pompeu Fabra in Barcelona veröffentlichte er im renommierten Journal of Public Economics eine Studie, die sich damit auseinandersetzt, ob eine Ausweitung des Arbeitskräfteangebots dazu führt, dass Unternehmen mehr patentierte Forschung betreiben.

„Es gibt bisher nur wenige empirische Belege für die kausale Beziehung zwischen dem Arbeitskräfteangebot und der Entwicklung von arbeitssparenden Technologien“, erklärt Professor Danzer, Inhaber des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre / Mikroökonomik an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, die Motivation für die Untersuchung. Deswegen setzten sich er und seine Kollegen mit der sogenannten Spätaussiedlerzuwanderung nach 1990 und deren Auswirkungen auf Automatisierungsinnovationen auseinander. Dieses historische Ereignis eignet sich für die wissenschaftliche Studie aufgrund ihres quasi-experimentellen Charakters: „Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion kam es aus den Nachfolgestaaten zu einem Zuzug von etwa 2,5 Millionen Deutschstämmigen, vorwiegend nach Westdeutschland. Diese neuen deutschen Bundesbürger wurden von den Behörden einigermaßen gleichmäßig über die Regionen verteilt.“ Das führte laut Danzer in verschiedenen Teilen Deutschlands zu einer Ausweitung des Bewerberpools für Unternehmen, „die Beschäftigte für gering qualifizierte manuelle Tätigkeiten suchten, beispielsweise im produzierenden Gewerbe. Die Spätaussiedler mussten, da ihre sowjetischen Qualifikationen nicht anerkannt wurden, solche Tätigkeiten annehmen, und waren auch bereit dazu. Dadurch wurde es für viele Unternehmen vorteilhaft, mehr Arbeitskräfte anzustellen und dafür die Erforschung arbeitssparender Maschinen einzustellen“.

Prof. Dr. Alexander Danzer
Prof. Dr. Alexander Danzer

Dieser Anstieg des Arbeitskräfteangebots reduzierte laut den Erkenntnissen der Wissenschaftler die regionalen Innovationsaktivitäten zur Automatisierung von Arbeitsprozessen – es wurden weniger entsprechende Patente beim Europäischen Patentamt angemeldet. „Im Gegensatz dazu bleibt die Zahl der Nicht-Automatisierungspatente durch den Anstieg des Arbeitskräfteangebots weitgehend unverändert. Insgesamt deuten diese Ergebnisse darauf hin, dass sich die Richtung des technischen Wandels in den behandelten Regionen deutlich ändert“, führt Danzer weiter aus. Der Effekt konzentriere sich auf große Unternehmen und betreffe in erster Linie prozess- statt produktbezogene Automatisierungsinnovationen. „Dies deutet darauf hin, dass Unternehmen, welche mittels Forschung und Entwicklung die eigenen Produktionsprozesse verbessern wollen, sich an regionale Veränderungen des Arbeitsangebots anpassen, während das für Unternehmen, welche Produkte entwickeln, nicht zutrifft.“

Frühere Forschungsarbeiten legen nach Aussagen Danzers nahe, dass Unternehmen auf Veränderungen im Arbeitskräfteangebot reagieren, indem sie auf die kosteneffizientesten Produktionstechnologien umstellen. „Unsere Studie ergänzt diese Ergebnisse, indem sie zeigt, dass Unternehmen diese Technologien nicht nur erwerben, sondern auch selbst entwickeln, was sich in ihrer geringeren Aktivität bei der Patentierung von Automatisierungsinnovationen zeigt.“

Diese Erkenntnisse bezüglich des Zusammenspiels von verfügbaren Arbeitskräften und Automatisierungsinnovationen sind „relevant, da viele Länder vor ernsthaften demografischen Herausforderungen wie Bevölkerungsalterung und Einwanderung stehen“. Daher könne die Studie wertvolle Schlussfolgerung für die Politikgestaltung liefern. Einerseits zeigt sich, dass Zuwanderung neben dem sehr häufig diskutierten Arbeitsplatzwettbewerb auch Auswirkungen auf den technologischen Fortschritt haben kann. „Im vorliegenden Fall hat die Zuwanderung die Produktionstechnologien dahingehend beeinflusst, dass die Nachfrage nach Arbeitskräften mindestens zeitweise erhöht wurde. Dieser Effekt könnte in der Debatte um Zuwanderung ergänzt werden.“ Gleichzeitig zeige die Studie, so Danzer, auch, wie Innovation mit dem Arbeitsmarkt zusammenhängt und dass die großen demographischen Trends – wie Überalterung und Arbeitskräftemangel – einen Einfluss auf die Innovationstätigkeit von Unternehmen und damit potenziell auch auf die Innovationsfähigkeit ganzer Volkswirtschaften haben können.