Anfang August dieses Jahres fand in Rom der Weltkongress Philosophie mit mehr als 4000 Philosophinnen und Philosophen statt. Unter ihnen auch der emeritierte Philosophie-Professor Dr. Dr. Raúl Fornet-Betancourt. Der ist der KU seit vier Jahrzehnten unter anderem als Lehrbeauftragter an der Fakultät für Soziale Arbeit eng verbunden. In den 1980er Jahren war er an der KU als Akademischer Rat am Lehrstuhl für Praktische Philosophie und Geschichte von Prof. Dr. Alexius Bucher beschäftigt. Damals gab es Pläne, mit der Hochschule der Jesuiten in Buenos Aires zu kooperieren. Daher wurde auf Fornet-Betancourts Initiative hin im Sommer 1986 der damalige Rektor der Hochschule an die KU eingeladen: Jorge Mario Bergoglio, heute besser bekannt als Papst Franziskus. Vier Tage betreute Raúl Fornet-Betancourt den argentinischen Pater in Eichstätt, führte „viele lange und gute Gespräche“ mit ihm. Aus der Kooperation wurde am Ende nichts, stattdessen starteten die KU und die Hochschule der Jesuiten gemeinsam das Forschungsprojekt „Die Option für die Armen der katholischen Kirche in Lateinamerika“ – ohne Bergoglio, der zwischenzeitlich zunächst zum Bischof, dann zum Kardinal wurde.
40 Jahre später, August 2024 in Rom: Raúl Fornet-Betancourt besucht im Rahmen des Weltkongress mit rund 50 weiteren Philosophinnen und Philosophen die Papstaudienz. Er hält sich bewusst zurück – immerhin hatte er im Gegensatz zu den meisten anderen im Raum schon einmal im Leben Gelegenheit zum intensiven Austausch mit Bergoglio. Und der blieb offenbar in guter Erinnerung, denn was dann geschah ist ja… göttliche Fügung, verrückter Zufall, ein klitzekleines Weihnachtswunder im Sommer? Fornet-Betancourt erinnert sich: „Ich stand eher hinten, da kam er in seinem Stuhl direkt auf mich zugefahren, schaute mich an, winkte mich zu sich und rief ,Eichstätt – Raúl?´“ Ein halbes Leben nach den gemeinsamen Tagen an der KU erinnerte sich der Papst offensichtlich noch sehr gut an Eichstätt und seine Erlebnisse dort. Drei, vier Minuten tauschten sich die Männer in ihrer Muttersprache Spanisch aus, erzählt Fornet-Betancourt. Der Papst erinnerte sich an die gute Zeit in Eichstätt, die Gastfreundschaft – und einen deutschen Satz mit besonderer Geschichte. „Er lachte und sagte ´Das ist Frau Bischof!`“, sagt Fornet-Betancourt. Im Sommer 1986 war Bergoglio auch beim damaligen Eichstätter Bischof Karl Braun zur Audienz geladen, Fornet-Betancourt und Prof. Dr. Alexius Bucher begleiteten ihn. Sie warteten eine Weile, die Sekretärin kam mehrfach, um sich für die Verzögerung zu entschuldigen. Auf Bergoglios Frage, wer das sei, antwortete Bucher: „Das ist Frau Bischof!“ Damals wie heute konnten die Männer darüber herzlich lachen, stellt Fornet-Betancourt glücklich fest: „Er war genauso zugänglich, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Und was mir wirklich imponiert, ist dieses Gedächtnis!“