Deutsch-koreanisches Kolloquium zur Wiedervereinigung geteilter Nationen

Im November jährt sich der Mauerfall im bis vor 20 Jahren geteilten Deutschland. Korea hingegen ist die einzige Nation, die auch nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes in zwei Staaten geteilt ist. „Die Wiedervereinigung geteilter Nationen und die nationale Integration“ war das Thema eines deutsch-koreanischen Kolloquiums an der jesuitischen Sogang-Universität in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul. Die 1997 Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle in Mönchengladbach initiierten Kolloquien werden auf deutscher Seite von Wissenschaftlern der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) koordiniert. Teilnehmer von Seiten der KU waren die Professoren Frank Zschaler, Klaus Stüwe und Johannes Schneider sowie der Leiter des Internationalen Büros, Dr. Martin Groos.

Ein besonders großes Interesse besteht auf koreanischer Seite daran, die Erfahrungen Deutschlands kennen zu lernen, wo 40 Jahre lang eine vergleichbare Situation herrschte. Der zwanzigste Jahrestag der friedlichen Revolution in Ostdeutschland bildete den zeitgeschichtlichen Rahmen für das 7. Deutsch-Koreanische Kolloquium, das namhafte Referenten aus Wissenschaft, Kirche, Politik und Gesellschaft beider Länder an die Sogang Universität in Seoul führte.

Vor Beginn der Tagung besuchten die deutschen Teilnehmer mit ihren koreanischen Gastgebern den Sonntagsgottesdienst im Jeoldosan Märtyrerschrein, einer Gedächtniskirche, die an der Stelle errichtet wurde, an der viele südkoreanische Katholiken bei einer grausamen Verfolgung im Jahr 1866 das Martyrium erlitten hatten. 28 von Ihnen, die namentlich bekannt sind, wurden heilig gesprochen und sind in der Krypta der Kirche bestattet. Als Papst Johannes Paul II. 1984 auf Anlass der 200. Jahrestages der Gründung der katholischen Kirche Koreas Seoul besuchte, betete er unmittelbar nach seiner Ankunft in Jeoldosan.

Nach einem Zusammentreffen mit dem Präsidenten der Sogang Universität, dem Althistoriker Prof. Dr. Jongwook Lee, konnte die Tagung in Gegenwart der deutschen Botschafter in Südkorea, Dr. Hans-Ulrich Seidt, und in Nordkorea, Thomas Schäfer, eröffnet werden. Mit Horst Teltschik war der ehemalige Vizekanzleramtschef von Bundeskanzler Helmut Kohl anwesend, der den Prozess der deutschen Wiedervereinigung maßgeblich mitgestaltet hatte. Die beiden Botschafter und der Präsident und CEO von Hyundai Korea, Kun-Shik Cho, loteten in ihren Wortbeiträgen die Möglichkeiten für einen Wandel im von der übrigen Welt isolierten Nordkorea aus. Sie betonten übereinstimmend, dass - ähnlich wie früher im Verhältnis zwischen den beiden deutschen Staaten – die Anbahnung zwischenmenschlicher Kontakte von großer Bedeutung sei. Dadurch könnten Hemmschwellen abgebaut werden und ein vorsichtiges Aufbrechen der Isolation der Menschen im Norden möglich werden.

Anschließend führte P. Anton Rauscher, Direktor der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle, mit seinem Referat „Der lange Prozess der Wiedervereinigung“ in das Thema der Tagung ein. Dabei erläuterte er den historischen und politischen Hintergrund der Spaltung und Wiedervereinigung Deutschlands, analysierte Erfolge und Probleme des Vereinigungsprozesses und kam auf die Perspektiven zu sprechen. Von zentraler Bedeutung sei dabei, dass die Menschen in Ost und West bereit sind, Verantwortung für das Gemeinwesen zu übernehmen und sich an den christlichen Werten orientieren.

Zum Abschluss des siebten Kolloquiums wurde nicht nur vereinbart, die deutsch-koreanischen Kolloquien im Jahr 2011 in Eichstätt fortzusetzen, sondern die fruchtbaren Beziehungen zwischen der einzigen katholischen Universität im deutschen Sprachraum und der renommierten Jesuiten-Universität in Seoul zu intensivieren. Ein wichtiger Beitrag dazu wird die Publikation der Tagungsbeiträge sein. In Seoul wurde bereits der deutschsprachige Tagungsband über das 5. und 6 Kolloquien vorgelegt. (Hrsg. Nils Goldschmidt, Klaus Stüwe, Frank E. W. Zschaler: Arbeitswelt und Sozialstaat in einer globalisierten Gesellschaft. Deutsch-koreanische Betrachtungen, mit einem Geleitwort von Anton Rauscher, = Kulturelle Ökonomik Bd. 9, LIT-Verlag, Münster-Hamburg-Berlin-Wien-London-Zürich 2009).