„Die Fähigkeit zu Kritik und Selbstkritik ist Grundlage für das Überleben der Menschheit“

Über 40 Semester hinweg war Prof. Dr. Ulrich Bartosch als Pädagogik-Professor an der Fakultät für Soziale Arbeit der KU tätig. Zum 1. April übernimmt er nun das Amt des Präsidenten der Universität Passau. „Der Abschied fällt uns nicht leicht, weil Ulrich Bartosch an maßgeblichen Stellen die Entwicklung der Universität mit Kreativität, Hartnäckigkeit, Innovationsbereitschaft und Kompetenz mitgestaltet hat“, sagte KU-Präsidentin Prof. Dr. Gabriele Gien am Montag anlässlich der Abschiedsvorlesung von Bartosch. Sie gratulierte ihm im Namen des Präsidiums zu seinem neuen Amt, das über das Netzwerk der bayerischen Universitäten weiterhin eine „fruchtbare Verbindung“ mit der KU ermögliche.

Gien erinnerte an die gemeinsame Arbeit in den Gremien der Universität – Bartosch war unter anderem über zehn Jahre hinweg Mitglied des Senats und sechs Jahre Dekan seiner Fakultät – sowie an Konzepten und Projekten, wie etwa fünf Studiengängen, die unter seiner Ägide entstanden sind. Die Präsidentin betonte, dass Bartosch stets besonders seine Studierenden in die Verbindung von Theorie und Praxis eingebunden habe, was diese auch in ihren Evaluationen gewürdigt hätten. Zudem habe Bartosch mit „unglaublichem Engagement“ Stakeholder aus Kirche, Politik und Gesellschaft zusammengeführt – etwa im Rahmen des laufenden Projektes zur päpstlichen Enzyklika „Laudato Si‘“, mit der Papst Franziskus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zum Diskurs über die Nachhaltigkeitsfrage auffordert.

Als langjähriger Dekan der Fakultät für Soziale Arbeit charakterisierte Prof. Dr. Stefan Schieren in seiner Ansprache den Pädagogen und Politikwissenschaftler als Verfechter der Freiheit von Forschung und Lehre sowie der Autonomie von Hochschulen. Die Mitwirkung in der akademischen Selbstverwaltung bilde ein Kernstück dieser Autonomie. Es sei ein Verdienst von Akteuren wie Bartosch, dass die Wertschätzung für die Arbeit von Fachhochschulen bzw. Hochschulen für Angewandte Wissenschaften in den vergangenen Jahren zugenommen habe und diese selbstverständlich an Förderprogrammen teilhaben könnten. „Wie viel sich verändert hat, zeigt seine Wahl zum Präsidenten einer Universität: Was zählt ist die wissenschaftliche, hochschulpolitische und persönliche Eignung“, so Schieren. Bartosch seien insbesondere die Grundlagen des friedlichen und sicheren Zusammenlebens wichtig. So bilde das Werk von Carl Friedrich von Weizsäcker, dem Mitbegründer der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler, einen Arbeitsschwerpunkt. Gemeinsam mit der VDW, die Bartosch über sechs Jahre leitete, ist an der KU das laufende Projekt „Laudato Si‘ – Die päpstliche Enzyklika im Diskurs für eine Große Transformation“ angesiedelt. „Wer fragt, warum sich die Kirche eine Katholische Universität leistet, findet eine Antwort in diesem Projekt“, so Schieren.

Bartosch selbst bezeichnete die Universität als einen Ort des bewussten Widerspruchs nach innen und außen: „Wissenschaftliches Denken kennt keine Grenzen des Fragens. Dass die Universität die Fähigkeit zu Kritik und Selbstkritik vermittelt, ist die Grundlage für das Überleben der Menschheit.“ Gerade an einer katholischen Universität biete sich Freiheit sowohl durch die Freiheit des Glaubens sowie die Freiheit von Forschung und Lehre. Nicht umsonst habe der säkulare Club of Rome sich zu Papst Franziskus hin geöffnet als Verbündeten zur Einhegung von utilitaristischen Handlungsmustern. Es gelte die Freiheit des Denkens zu bewahren, um Chancen aufzuspüren. Im Lauf von 20 Jahren betreute Bartosch etwa 3000 Studierende, denen er regelmäßig auch die Begegnung mit Persönlichkeiten wie Ernst Ulrich von Weizsäcker, Friedrich Schorlemmer oder Hans Joas ermöglichte sowie sie an Tagungen mitwirken ließ. „Bildung ist die Kompetenz für den Umgang mit Unsicherheit. Beginnen Sie, den eigenen Gedankenfaden wissenschaftlich fundiert zu spinnen! Es ist Ihr eigener Weg“, appellierte Bartosch an die Kommilitoninnen und Kommilitonen.