Die Veranstaltung beginnt um 13 Uhr im Raum 201 des Kollegiengebäudes, Bau A, Ostenstraße 28, Eichstätt, und endet gegen 15 Uhr. Informationen und Anmeldung sind per Mail an michael.schieder(at)ku.de möglich.
Professor Dr. Uwe Schneidewind ist Mitglied des Club of Rome, Vorstandsmitglied der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW), Prasidiumsmitglied der Evangelischen Kirchentages und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderung (WBGU).
Professor Dr. Uwe Schneidewind im Vorgespräch:
Herr Professor Schneidewind, bereits 1987 hatte der Bundestag eine Enquete-Kommission „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre” eingerichtet, Ihr Institut wurde 1991 gegründet. Rückblickend wird seit Jahrzehnten auf höchsten politischen Ebenen zu Umwelt und Nachhaltigkeit beratschlagt – ohne, dass tiefgreifende konkrete Ergebnisse wahrzunehmen sind. Auch Papst Franziskus konstatiert in seiner jüngsten Enzyklika „Laudate Sí“ eine „Schwäche der internationalen politischen Reaktion“. Die Politik unterwerfe sich der Technologie und dem Finanzwesen, was sich in der Erfolglosigkeit der Weltgipfel für Umweltfragen zeige. Teilen Sie diesen Eindruck?
In der Problemanalyse hat sich in den letzten gut 25 Jahren viel getan. Wir wissen heute mit anderer Sicherheit um die menschlich verursachten ökologischen Bedrohungen unseres Planeten. Gleichzeitig wird immer deutlicher, dass wir erst am Anfang sind, die Dimensionen der notwendigen gesellschaftlichen und ökonomischen Transformationen und der dafür richtigen Ansatzpunkte zu verstehen. Die Enzyklika Laudato Si bringt das gut zum Ausdruck.
Welche Resonanz finden Ihrer Meinung nach die Erkenntnisse der Wissenschaft bei den Entscheidungsträgern?
Die Erkenntnisse der Wissenschaft sind bei den politischen Entscheidungsträgern hoch präsent. Sonst würden wir heute nicht global über das 2-Grad-Ziel diskutieren. Doch für das, um das es derzeit geht: Ansatzpunkte für eine erfolgreiche globale Transformationsprozesse, da liefert auch die Wissenschaft zu wenig. Hier hilft es nicht, theoretisch vermeintlich korrekte Schubladenrezepte zu präsentieren und beim Scheitern auf Politikerinnen und Politiker zu schimpfen.
Im Vergleich zu anderen Dokumenten großer internationaler Konferenzen beschreibt Papst Franziskus in sehr deutlichen Worten, was nötig ist, um „die gesamte Menschheitsfamilie in der Suche nach einer nachhaltigen und ganzheitlichen Entwicklung zu vereinen“. Er beschränkt sich dabei nicht auf die katholische Kirche und schreibt, dass sich auch in anderen Religionen und Kirchen Sorge und Reflexion zu diesen Themen entwickelt haben. Welche Rolle können Kirchen und Religionen bei einem Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein spielen?
Die Kirchen und Religionen können eine sehr wichtige Rolle spielen. Das Projekt der „großen Transformation“ ist im Kern ein Zivilisationsprojekt. Es geht um Wertefragen. Wie gerecht wollen wir als Menschheit angesichts planetarischer Grenzen leben? Ohne ein gemeinsames Werteverständnis werden auch alle darauf aufbauenden politischen und ökonomischen Entscheidungen auf Sand gebaut sein. Mit der Enzyklika nimmt Papst Franziskus die Verantwortung wahr, die den Kirchen zukommt.
In der Enzyklika schreibt der Papst, dass Umweltzerstörung eng mit „dem Niedergang auf menschlicher und sozialer Ebene zusammenhängt“ – ein Fakt, der von Umweltorganisationen erst mit Verzögerung aufgegriffen wurde. Wie eng ist die Soziale Frage mit der Umweltfrage verknüpft?
Die Umweltfrage ist im Kern eine soziale Frage. Denn letztlich geht es nicht um den Erhalt einer ökologischen Umwelt an sich. Die Natur kann sich selber sehr gut helfen. Es geht um die Frage, wie wir als Menschen gerecht mit begrenzten, lebens-erhaltenden ökologischen Ressourcen umgehen - gerecht zwischen Nord und Süd, zwischen heute und künftig lebenden Generationen.
Der Nachhaltigkeitsbegriff besteht seit rund 300 Jahren und wird heutzutage mitunter inflationär verwendet. Ist der Gedanke von Nachhaltigkeit überholt oder wird der Begriff einfach nur zu oft missbraucht?
Alle Schlüsselbegriffe der menschlichen Zivilisation, ob „Freiheit“, „Gerechtigkeit“ oder „Demokratie“ haben zwangsläufig Unschärfen. Es sind regulative Ideen, die immer wieder der konkreten Füllung brauchen. Mißbrauchsgefahr ist da inbegriffen. Man sollte den vielfältigen Bezug auf den Nachhaltigkeitsbegriff daher eher so deuten, dass allen Verantwortlichen klar ist, dass man um die Idee der Nachhaltigkeit heute nicht mehr herum kommt, wenn wir über eine künftige Welt nachdenken.
Welche Rolle spielen Bildung und Wissenschaft, um einen globalen Wandel hin zu einem verantwortungsvollen Umgang mit „unserem gemeinsamen Haus“ zu bewirken? Welche Verantwortung hat Wissenschaft dabei?
Wissenschaft kommt eine zentrale Bedeutung zu, jedoch nicht alleine als von außen erklärender Systemwissenschaft, sondern als verantwortlicher Wissenschaft, einer Wissenschaft, die sich aktiv gesellschaftlichen Herausforderungen stellt, die „transformativ“ ist und sich in gesellschaftliche Debatten einmischt. Wissenschaftsorganisationen wie die von Carl Friedrich von Weizsäcker, Werner Heisenberg u.a. gegründete Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) sind aktuell wichtige Plattformen für ein solches verändertes Wissenschaftsverständnis.