Exkursion: "Die Allianz der Karolinger mit dem Papsttum - die Begründung Europas?" zusammen mit dem Lehrstuhl für Mittlere und Neue Kirchengeschichte nach Aachen

Bericht zur Exkursion der Lehrstühle für Liturgiewissenschaft und Mittlere und Neue Kirchengeschichte der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt in die „Karlsstadt“ Aachen am 28. und 29. Juni 2017.

Zur Exkursion auf den Spuren der Karolinger trafen sich am frühen Mittwochmorgen 23  Teilnehmende der KU, darunter Prof. Dr. Bärsch und Prof. Dr. Bock, um mit einem Reisebus von Eichstätt aus in die innerhalb des Dreiländerecks Belgien – Niederlande – Deutschland gelegene Domstadt Aachen aufzubrechen. Nach mehrstündiger Fahrt dort eingetroffen, begann das eigentliche Exkursionsprogramm unmittelbar mit einer interessanten Führung durch den Aachener Dom und die angeschlossene Schatzkammer.

Innerhalb des repräsentativen Sakralbaus wurden den ExkursionsteilnehmerInnen vor allem umfassende, baugeschichtliche Details eröffnet. So wurde der seinerzeit höchste Kuppelbau nördlich der Alpen in vermutlich nur zehn Jahren auf den Grundfesten antiker Badeanlagen errichtet und um das Jahr 803 fertiggestellt. Die zentrale, oktagonale Hallenkonstruktion in altchristlicher Bauweise stellt durch die ihr inhärenten Symbolismen vielfältige Bedeutungszusammenhänge her. So lassen sich beispielsweise bereits aus den reinen Maßen explizite Beziehungen zu theologisch wichtigen Zahlen erkennen. Das eindrucksvolle Kuppelmosaik verbildlicht die Unterwerfung des Säkularen unter das Geistliche. Daneben finden sich aber auch deutliche Sinnstiftungsmuster mit klar weltlicher Aussagekraft, etwa die verwendeten Stützsäulen. Diese wurden auf Anordnung Karls direkt aus römischen Kaiserpalästen nach Aachen gebracht und verweisen damit auf das spezifische Traditionsbewusstsein des karolingischen Herrschers.

Auch weitere Elemente des Interieurs wurden ausführlich erläutert, darunter die Heinrichskanzel oder die Reste der Wandfresken, die unter den Auswirkungen allierter Bombardements während des Zweiten Weltkriegs teilweise stark zu leiden hatten. Besonders hervorzuheben ist dabei etwa der sogenannte Marienschrein, in dem mit dem Lendentuch Christi, seiner Windel, dem Geburtsgewand Mariens sowie dem Enthauptungstuch Johannes des Täufers vier hochbedeutende Reliquien aufbewahrt werden. Die Gebeine Karls des Großen hingegen werden im Karlsschrein vermutet, der an zentraler Stelle im Chorraum verortet ist. Besondere, sakrale Bedeutung kommt den Überresten des Kaisers durch seine auf Friedrich Barbarossas Bestrebungen hin 1165 erfolgte Heiligsprechung zu, die aber heutzutage von der katholischen Kirche nicht geschlossen anerkannt wird. Die Relevanz Karls als Legitimationsstifter für ihm nachfolgende Regenten ist daraus dennoch klar zu erkennen. Noch deutlicher wird sie bei Betrachtung des auf der Domempore befindlichen Kaiserthrons, der bis in die frühe Neuzeit umfassend für das Krönungszeremoniell im Reich genutzt worden ist. Den Dom prägt zugleich eine bis in die Gegenwart anhaltende, kontinuierliche Bedeutung als wichtige Pilgerstätte. Als erstes UNESCO Weltkulturerbe Deutschlands wird der prächtige Sakralbau jedoch nicht ausschließlich als Besichtigungsobjekt genutzt, sondern erfüllt nach wie vor regelmäßig seine ursprüngliche Funktion als Kirche.

In der anschließend besuchten Domschatzkammer konnten aufgrund der fortgeschrittenen Führungszeit leider nur die wichtigsten Ausstellungsstücke mit karolingischem Bezug kurz porträtiert werden. Darunter außerordentlich wertvolle Exponate wie das Lotharkreuz, die Karlsbüste oder das Armreliquiar des Kaisers.

Nach den informativen Ausführungen des kompetenten Domführers wurden die Zimmer in einem zentrumsnahen Hostel bezogen. Anschließend traf sich die gesamte Gruppe zum gemeinsamen Abendessen in einem italienischen Restaurant. Die weitere Abendgestaltung blieb den TeilnehmerInnen individuell überlassen.

Der Folgetag startete nach dem Frühstück mit einer Führung im neuen Stadtmuseum Centre Charlemagne durch Prof. Dr. Frank Pohle, den Leiter des Hauses. Initial referierte dieser zur Namens- und Vorgeschichte Aachens. Der mutmaßliche antike Name der römischen Siedlung, „Aquae Granni“, verweist dabei bereits auf die wichtige Bedeutung Aachens als Bade- und Erholungsort, der seine Blütezeit um 200 nach Christus hatte. Als Dauerresidenz Karls eignete sich der Ort insbesondere durch die zu dieser Zeit noch immer in Grundzügen vorhandene Infrastruktur, die lokalen, wirtschaftlich nutzbaren Bodenbeschaffenheiten sowie die strategisch günstige, recht zentrale Lage im fränkischen Hausmachtgebiet. Sodann verdeutlichte Herr Pohle sehr ausführlich vielfältige Details zur primär technischen Baugeschichte der Pfalzstiftskirche. Auf die Bedeutung der gesamten Pfalzanlage als repräsentatives, neues Machtzentrum des fränkisch-karolingischen Reichs wurde in Folge intensiv eingegangen. Der Gebäudekomplex bestand dabei ursprünglich aus einem weltlichen Element und einem geistlichen. Die Verbindung zwischen der entsprechenden Königshalle und dem Sakralbau stellte ein circa 100 Meter langer Verbindungsgang dar, wodurch eine äußerst imposante Anlage den dazwischenliegenden Platz umschloss. Karl wurde im Alter an dieser neu geschaffenen Residenz sesshaft und ließ aufkeimende Kriege durch seine Söhne führen. Die errungene, umfassende und quasi unangefochtene Machtgrundlage nutzte der Kaiser, um sich Bildung, Wissen und Kultur zu widmen. Pohle vermerkte weiter, wie stark Karls Wirkung auf seine Nachwelt bereits unmittelbar nach seinem Tod im Jahr 814 war: durch den signifikanten Kontrast zur Herrschaft seines Sohns, Ludwigs des Frommen, konnte sich ein Andenken an Karl entwickeln, das ihn sehr früh bereits als überragenden Staatsmann, Bildungspolitiker und nicht zuletzt Christen darstellte. In der Folge wurden abschließend vielfältige rezeptionsgeschichtliche Bezugspunkte aufgezeigt, die sich bis in die jüngste Zeitgeschichte erstrecken.

Das letzte inhaltliche Element der Exkursion bildete die Besichtigung der Königshalle, des heutigen Rathauses der Stadt Aachen. Dort wurde unsere Besuchergruppe mit Begleitliteratur und einer zuvor heruntergeladenen Smartphone-App ausgestattet zur eigenständigen Erkundung der historischen Quelle entlassen. Das Gebäude erinnert in seinen vielfältigen Räumen zunächst an unterschiedliche Epochen seiner Nutzungsgeschichte. Besonders interessant ist dabei der mächtige, zweischiffige Krönungssaal im Obergeschoss, der mannigfache Bezüge zu Karl dem Großen herstellt. Der bedeutendste darunter mag gegenwärtig als wiederkehrende Performanzquelle in Form der Karlspreisverleihungen erkannt werden können, die stets an diesem Ort stattfinden und damit einen besonders interessanten Aspekt der aktuellen Erinnerungskultur auch und gerade an die Zeit des Reichs Karls des Großen verkörpern.

 Nach der Besichtigung der Königshalle blieb den ExkursionsteilnehmerInnen noch etwas Zeit für einen kleinen Stadtzentrumsbummel sowie die Versorgung mit Proviant für die Heimreise, bevor sie sich eigenständig mittags zur Abfahrt am Hostel einfanden. Gegen Sonnenuntergang erreichte der Reisebus Eichstätt und die erschöpften, aber dafür mit zahlreichen neuen Impressionen erfüllten Studierenden und Lehrenden machten sich auf den finalen Nachhauseweg.

Text: Elisabeth Hauk und Benjamin Mayer; Fotos: Benedikt Winkel