Michael Walzer aus Princeton (USA) zu Gast am Lehrstuhl für Theologie in Transformationsprozessen

Am 11. Januar 2021 veranstaltete der Lehrstuhl Theologie in Transformationsprozessen ein Kolloquium mit dem namhaften amerikanischen Philosophen und Politikwissenschaftler Michael Walzer aus Princeton (USA). Dies wurde mit Mitteln aus dem vom Vizepräsidenten aufgelegten Förderprogramms „Virtuelle Gastprofessuren“ finanziert und im Rahmen des Seminars „Anwendungsfelder der praktischen Philosophie“ und in Verbindung mit dem Studiengang Conflict-Memory-Peace durchgeführt. Dabei diskutierte Professor Walzer mit Dozenten und Studierenden über sein Buch Exodus and Revolution (1985).

Michael Walzer erlangte durch seine Veröffentlichung Spheres of Justice im Jahr 1983 größere Bekanntheit. Dabei handelt es sich um eine der wichtigsten Schriften der politischen Philosophie des 20. Jahrhunderts. Walzer grenzte sich in dieser Schrift von John Rawls ab, der mit seiner bahnbrechenden Studie Theory of Justice (1971) als Pionier des Liberalismus des 20. Jahrhunderts gilt. Zusammen mit Alasdair MacIntyres AfterVirtue (1981) oder Michael Sandels Liberalism and the Limits of Justice (1982), zählt Walzer zu den Gründungsfiguren des Kommunitarismus, der sich als Gegenströmung oder Korrektur zum Liberalismus versteht. Während der Liberalismus - dem in Deutschland auch Jürgen Habermas mit seiner Theorie des kommunikativen Handelns (1981) zugerechnet wird - von einem universellen, d.h. alle Menschen umfassenden, einheitlichen Gerechtigkeitsverständnis ausgeht, argumentiert der Kommunitarismus, dass das Verständnis von Gerechtigkeit auch und vor allem kulturell bedingt ist. Dabei entwickelt Michael Walzer seinen Kommunitarismus aus der Perspektive des Judentums.

In Exodus and Revolution (1985) nähert sich Walzer der biblischen Erzählung vom Exodus aus Ägypten an. Er zeigt, dass ihre Bedeutung weniger in einem historischen Ereignis als in der Entwicklung im politischen und moralischen Denken der Israeliten besteht. Dabei nimmt Walzer in seiner Interpretation einen Dreischritt vor: 1) Die Fähigkeit des Wahrnehmens, Bewusstwerdens und Benennens einer Situation als Unterdrückung 2) Das Entwerfen einer gesellschaftlichen Utopie, die besagte Unterdrückungsmechanismen kategorisch ausschließt 3) Die Suche von Wegen, um von 1) nach 2) zu gelangen. Die Israeliten beginnen, so Walzer, sich als Subjekte zu erkennen, die eine Würde besitzen und damit Träger von Grundrechten sind. Indem sie dies vom Pharao einfordern, setzen die Israeliten eine Revolution in Gang. Walzer versteht diese den Exodus zugrunde liegende Entwicklung als Paradigma und analysiert sie als eine moralische Entwicklung unterdrückter Gruppen, die beginnen, sich in Form von revolutionären Handlungen als Subjekte in der Geschichte zu begreifen und ihre Grundrechte einzufordern