Faszinierendes Erzählen - Jens Radü über iPad & Co.

Mit einem Fingerwisch durch die Medienwelt: Das iPad soll den Journalismus revolutionieren und macht digitale Formate anfassbar. Jens Radü berichtet im „Journalistischen Kolloquium“ von der Entwicklung der SPIEGEL-iPad-App.

IPad, Android, Tablet & Co - liegt in den Geräten die Zukunft des Journalismus? Das „Journalistisches Kolloquium“ hat zu diesem Thema letzten Mittwoch den SPIEGEL-Autor Jens Radü (32) eingeladen. Als Ressortleiter „Multimedia“ hat er die iPad-App des Hamburger Nachrichtenmagazins mit entwickelt. Es ist der erste Teil der Vortragsreihe im Wintersemester 2011/2012. In der Veranstaltungsreihe lädt die Universität bekannte Journalisten nach Eichstätt. Sie erzählen aus ihrem Berufsleben und über den Wandel im Journalismus.

„Auf dem iPad lassen sich Fakten und Zahlen super in Videos, Fotos und Grafiken darstellen“, erklärt Radü den achtzig Teilnehmern. Ein kleiner Fingerwisch und auf der Leinwand baut sich ein 360-Grad Bild einer Kammer eines Atommülllagers auf. Radü bewegt seinen Zeigefinger über das Foto und dreht die Aufnahme einmal um den Kamerastandpunkt. Die gelben Tonnen stapeln sich zur Decke des Salzstocks. „Hier lagern zehn Kubikmeter radioaktiver Müll“, knarzt die Stimme des Erzählers aus den Lautsprechern. „Wahnsinn“, raunt eine Studentin in der ersten Stuhlreihe.

Ein sogenannter Tablet-PC ist ein schmales Notebook, das sich, ähnlich wie ein Smartphone, nicht mehr durch einen Mausklick, sondern durch Berührung auf dem Bildschirm steuern lässt. Marktführer ist das iPad, das seit 2010 erhältlich ist. Laut Herstellerangaben wurden bis zum September 2011 bereits 40 Millionen Produkte verkauft. Das neue Medium wird auch im Journalismus einiges verändern.

Im Gegensatz zu den kostenlosen Nachrichtenseiten im Internet, „ist das iPad eine große Chance, bezahlbaren Journalismus an den Mann zu bringen“, sagt Jens Radü. Denn auf dem iPad sind die Spiegeltexte nur mit einer kostenpflichtigen App abrufbar.

Und wenn der Kunde für die Inhalte zahlen soll, müssen sie sich lohnen: Radüs Redaktion hat sich mehrere neue Darstellungsformate ausgedacht, die dem Leser die Spiegel-App schmackhaft machen soll.

Ein Beispiel, das Radü den Eichstättern vorstellt, ist das „Making Of“. Hier erzählen  Spiegelautoren, wie sie zu ihrer Geschichte gekommen sind. Ein erneuter Handstreich Radüs über das iPad und vor dem Eichstätter Publikum taucht Radüs Kollege Takis Würger auf. Mit zerzaustem Haar erzählt er von seiner Recherche in Afghanistan „Mein ganzer Rücken ist von Mücken zerstochen, ich will nur noch nach Hause“, spricht der Journalist in die Kamera.

Ein weiteres Format, das die iPad-Redaktion des Spiegels entwickelte, ist das „Multimedia Spezial“. Hier werden 3D-Animationen, Bilderstrecken, Videos und Bildmaterial der Redakteure zu eigenständigen Multimedia-Dossiers kombiniert.

Auch wenn das iPad viele neue gestalterische Mittel zu bieten hat, bleibt der wichtigste Grundsatz im Journalismus aber erhalten. Jens Radü: „Im Grunde darf man nie vergessen, dass der beste Weg den Leser zu binden, das Erzählen einer spannenden Geschichte ist.“

In zwei Wochen, am 16. November, wird Wolfgang Pütz (Programmdirektor, Servus TV, Salzburg) im Raum 209 des Kapuzinerklosters (Kapuzinergasse 2, Eichstätt) zum Thema „Die Neuerfindung des Qualitätsfernsehens. Wie ein privat-kommerzieller Kanal überraschen kann“ referieren.

 Charlotte Mack