Gegen eine anthropozentrische Maßlosigkeit: Diskussion zu Laudato Si an der KU

Prof. Dr. Ernst-Ulrich von Weizsäcker, Co-Präsident des Club of Rome, war Hauptredner einer Veranstaltung der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, die seit geraumer Zeit gemeinsam mit der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler die Impulse der päpstlichen Enzyklika „Laudato Si‘“ ergründet.

„Laudato Si‘ fordert explizit dazu auf, über Fachgrenzen hinweg in den Dialog zu treten. Die KU versteht sich als Ort, an dem man nicht nur beste Chancen für den Arbeitsmarkt erhält, sondern auch kritisch reflektiert“, sagte Projektleiter Prof. Dr. Ulrich Bartosch. Kooperationspartner der Veranstaltung im Ingolstädter Audi Konferenz Center waren das Institute for Advanced Sustainability Studies, Potsdam, die Deutsche Bischofskonferenz und der Club of Rome.

Als Vorsitzender der VDW zeigte sich der Klimaforscher Prof. Dr. Hartmut Graßl begeistert von der Enzyklika: „Ich war nach ihrem Erscheinen binnen kurzer Zeit gefangen von ihrer Sprache und Klarheit. Der Text ist auf dem neuesten wissenschaftlichen Stand – auch hinsichtlich der Erkenntnislücken.“

Prof. Dr. Ernst-Ulrich von Weizsäcker schilderte in seinem Hauptbeitrag eine Schieflage zwischen der theoretischen Grundlage, anhand derer Entscheidungen für die wirtschaftliche Ausrichtung erfolgten: „Alle Doktrinen beziehen sich auf eine ,leere‘ Welt, die jedoch vor dem Hintergrund der rapiden Bevölkerungswachstums nicht mehr greifen“, konstatierte Weizsäcker. Die politische Absicht, mit mehr Wachstum und Wohlstand zugleich mehr Raum für Klimaschutz zu schaffen, sei ein Gegensatz in sich. Die Kunst der Politik, die nur in Zeiträumen von Legislaturperioden denke, bestünde darin, das langfristig Notwendige kurzfristig mehrheitsfähig zu machen. Es gelte, den Umgang mit Ressourcen produktiver zu gestalten und den Naturverbrauch stetig zu verteuern. „Man muss derzeit nicht von einem Lebensstandard sprechen, der vermeintlich durch Verzicht gefährdet scheint, sondern von einem Vergnügungsstandard, den die Menschen als selbstverständlich betrachten“, sagte Weizsäcker.

Auf dem anschließenden Podium diskutierten neben Weizsäcker auch KU-Präsidentin Prof. Dr. Gabriele Gien, Weihbischof und Stiftungsratsvorsitzender der KU Weihbischof Dr. Dr. Anton Losinger, Dr. Klaus Schmid (Vorstandsmitglied der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler) und Dr. Thomas Pyhel (Abteilung „Umweltkommunikation und Kulturgüterschutz“ bei der Deutschen Bundesstiftung Umwelt). Pyhel plädierte für eine Debatte über die Frage, welche Form der Wirtschaft überhaupt noch ethisch möglich sei im Hinblick auf die zur Verfügung stehenden Ressourcen und den Klimaschutz: „Wir können es uns meiner Meinung nach nicht mehr leisten, dass Autos mit über 400 PS gebaut werden.“ Weihbischof Losinger sah genau diese „anthropozentrische Maßlosigkeit“ als Kern der Enzyklika „Laudato Si‘“. Um schon früh eine differenzierte Sicht der Welt zu vermitteln, sei – so KU-Präsidentin Gien – Bildung ein Schlüssel zu globaler Nachhaltigkeit. Bildung für Nachhaltige Entwicklung sei aber bislang in noch keinem Lehrplan an Schulen vorgesehen.

Am selben Tag fand zuvor bereits ein wissenschaftliches Symposium an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät Ingolstadt statt, um speziell die  wirtschaftsethische Zielbereich der Enzyklika zu thematisieren. Ein Ethik-Diskurs zu einer „Zu-Mutung aus Rom“ bot in zwei parallelen Workshops nach kurzen Impulsvorträgen Raum für Diskussion und Austausch. Hinführung und Zusammenfassung erfolgten in Plenumsrunden.

Weitere Informationen zum laufenden Forschungsprojekt rund um die Enzyklika finden sich unter www.laudato-si-transformation.de.