Gibt es eine Philosophie der Offenbarung?

Die Philosophie arbeitet ausschließlich mit der Vernunft, während die Theologie sich mit der göttlichen Offenbarung befasst – so oder so ähnlich wurde (leicht simplifiziert) das Verhältnis der zwei genannten Wissenschaften über viele Jahrhunderte hinweg paradigmatisch verstanden. Mit Jean-Luc Marion hinterfragt der wohl bedeutendste lebende Vertreter der phänomenologischen Philosophie dieses Verständnis radikal – und bahnt einen Weg zu einer Philosophie der Offenbarung.

Das Kolloquium “Phänomenologie der Offenbarung” ist in Kooperation mit dem KU Zentrum Religion, Kirche und Gesellschaft im Wandel von den Professoren Markus Riedenauer und Walter Schweidler organisiert worden und findet am 27. und 28. November 2025 in Eichstätt statt. Mit der KU Eichstätt und der Lehre und Forschung im Fach Philosophie ist Jean-Luc Marion seit fünfzehn Jahren in besonderer Weise verbunden. Marions Hauptwerk „Étant donné“ wurde ins Deutsche übersetzt und in der Eichstätter Reihe publiziert: Jean-Luc Marion: „Gegeben sei. Entwurf einer Phänomenologie der Gegebenheit“, Freiburg/München 2015.

Nun wird in Kooperation mit Prof. Dr. Florian Bruckmann von der Universität Flensburg Marions über viele Jahre erstelltes Hauptwerk „D'ailleurs, la révélation. Contribution à une histoire critique et à un concept phénoménal de revelation“ (Paris: Ed. Grasset, 2020), das sich mit dem Begriff und der Phänomenalität der Offenbarung auseinandersetzt, übersetzt und wissenschaftlich aufbereitet. In diesem Werk erreicht der für den späten Marion charakteristische Grenzgang zwischen Philosophie und Theologie seinen Höhepunkt und Abschluss. Offenbarung ist für ihn einerseits strukturelles Grundgerüst des Zusammenhangs, den er schon in „Gegeben sei“ mit dem Kernbegriff des „phénomène saturé“ gekennzeichnet hat. Dies meint Gegebenheiten, die aus dem ihnen kausal vorausgehenden Weltablauf unableitbar sind. Zugleich ist die religiös, insbesondere christlich verstandene Realität des Offenbarungsereignisses für Marion der Schlüssel zum Verständnis des religiösen Wahrheitsanspruchs, der auch alle philosophische Rekonstruktion noch übersteigt.

„D’ailleurs la révélation“ ist in der kurzen Zeit seit dem Erscheinen 2020 bei Grasset bereits Gegenstand einer Reihe hochrangiger Konferenzen. Für den deutschen Sprachraum stellt die Übersetzung und Veröffentlichung des Werkes ein Desiderat der Gegenwartsphilosophie dar. 2025 wird es unter dem Titel „Offenbarung - von anderswoher“ wiederum in den „Eichstätter philosophischen Studien“ erscheinen.

Im anstehenden Kolloquium wird dies mit Jean-Luc Marion selbst an der KU wissenschaftlich reflektiert, diskutiert und interpretiert werden. Experten für den religionsphilosophischen Grundansatz Marions und der phänomenologischen Forschung der Gegenwart sollen begriffliche Probleme, die Einbindung des Werks „D’ailleurs la révélation“ in das Gesamtwerk Marions, in die gegenwärtige phänomenologische Forschung und im Vergleich mit anderen Ansätzen zum Verständnis von Offenbarung reflektieren.

Kontaktperson: Prof. Dr. Markus Riedenauer

Hier das Plakat und der Flyer zur Veranstaltung. Alle am Kolloquium Teilnehmenden (auch Studierende) werden um Anmeldung gebeten bis spätestens 15.11.2025 an roswitha.hartmann@ku.de.