So sollte den Besuchern die Geschichte des Ortsteils Föhrenwinkels näher gebracht werden. Der Schritt von der Theorie in die Praxis war dann aber doch größer als zunächst gedacht „Wir waren ganz schön aufgeregt“, erinnert sich Studentin Katarina Reile. „Keine von uns hatte so was vorher gemacht.“ Die Schwierigkeit bestand nicht zuletzt darin, dass die Teilnehmer an den Führungen schon vieles über den Ortsteil Waldkraiburgs wussten, schließlich sind sie hier zu Hause.
Die Studentinnen waren allerdings gut vorbereitet, hatten Gespräche mit Zeitzeugen geführt, in Archiven und Museen recherchiert. Trotzdem ist am Tag vor der Führung „schon ein bisschen Panik ausgebrochen“, räumt Katarina Reile ein. Die Mitarbeiterinnen der Professur Katja Lehmann und Stefanie Serwuschok hätten die Studentinnen aber „sehr gut aufgefangen“.
Am nächsten Tag war die Nervosität schnell verflogen. „Als die erste Führung begonnen hat, hat es sofort Spaß gemacht“, erzählt Katarina Reile, die im 3. Semester Geschichte auf Lehramt studiert. „Die Leute fanden es vor allem toll, dass sich junge Menschen für ihre Geschichte interessieren“, berichtet die Studentin. Immer wieder haben sie und ihre Kolleginnen bei den Führungen – es gab auch welche speziell für Kinder – das Wort an einen Besucher abgegeben, der aus seinem Leben berichtete und so wichtige Informationen beisteuern konnte. Das Konzept ging ganz offensichtlich auf. Der Ansturm war enorm und die fünf Eichstätter Studentinnen führten den ganzen Tag eine Gruppe nach der anderen durch das Areal.
Die Führungen waren aber nur ein Teil des geschichtsdidaktischen Angebotes, das die Professur für Theorie und Didaktik der Geschichte in Waldkraiburg umgesetzt hat. Katja Lehmann hatte anhand von Zeitzeugengesprächen und historischer Quellen eine Szenische Lesung erarbeitet. Die Schauspielerinnen Eva Bay und Laura Mitzkus konfrontierten die Besucher im historischen Dachstuhl des ehemaligen Saalgebäudes mit der bewegten Geschichte des Stadtteils, in dem sie teilweise selbst schon lange leben. Der emotionalste Moment war wohl, als Anna Kosterschitz plötzlich im Publikum der Lesung auftauchte. Die 101-Jährige hatte die steile Leiter hinauf in den Dachboden erklommen, um das Stück zu sehen. Schließlich hatte Lehmann in dem Text auch eine Passage aus einem Brief verarbeitet, in dem die alte Dame ihre Erinnerungen an ihre Vertreibung ausSteine in Mähren an ihre Tochter Helene aufgeschrieben hatte. Auch die Empfängerin der Zeilen von damals war zum Tag des offenen Denkmals in den Föhrenwinkel gekommen. Der Austausch mit Kosterschitz und ihrer Tochter nach der Aufführung war auch für die professionellen Schauspielerinnen Bay und Mitzkus ein besonderer Augenblick.
Viel Applaus gab es auch für den Film, den Katja Lehmann und Johannes Hauser für das geschichtskulturelle Rahmenprogramm des Tages gedreht hatten. Auch er beschäftigt sich mit dem Föhrenwinkel, seiner Geschichte und den Menschen, die hier angekommen und geblieben sind. Der Streifen lief ein ums andere Mal in einem Raum im ehemaligen Frauenlager. Kaum ein Föhrenwinkler, der ihn sich an diesem Tag nicht angesehen hat. Für Katarina Reile und ihre Kommilitoninnen jedenfalls war die Arbeit in Waldkraiburg „ein voller Erfolg und ein tolles Erlebnis“, wie sie sagt. Sie ist offenbar nicht die einzige, die so denkt. Die Mühldorfer Nachrichten überschrieben ihren Artikel über den Tag des Offenen Denkmals euphorisch: „Ein großer Tag für den Föhrenwinkel“.