Jerusalem 2007

Studentinnen und Studenten der Fakultät Religionspädagogik / Kirchliche Bildungsarbeit unterwegs auf den Spuren der Geschichte im Heiligen Land

von Johannes Heger (Bamberg) und Gerhard Deißenböck (München)

Denkt man heute an Israel, denkt man an die schier undurchdringbaren politischen und religiösen Spannungen in diesem Land. Wo bleibt bei all diesem Ringen um Politik, Einfluss und Macht, die Spiritualität und die Jahrhunderte alte Tradition? Anfang Oktober machten sich 16 Studierende der Fakultät Religionspädagogik / Kirchliche Bildungsarbeit an der KU Eichstätt mit Kommilitonen aus Bamberg unter der Leitung von Prof. Dr. Sabine Bieberstein (Eichstätt), Prof. Dr. Klaus Bieberstein (Bamberg) und Dipl. theol. Olaf Rölver (Bamberg) bei einer Exkursion nach Jerusalem ein umfassendes Bild der Szenerie vieler biblischer Erzählungen sowie von der heutigen Situation im Heiligen Land.
"Beeindruckend", "eine ganz andere Welt", "so habe ich mir das nicht vorgestellt"; derart erklangen bereits bei den ersten Schritten durch das Damaskustor hinein in die Heilige Stadt die Stimmen der faszinierten Studierenden, die bei einem Vorbereitungsseminar im Juli zwar schon viel über Jerusalem erfahren, aber zum Großteil noch nie selbst die Steine und Mauern der Stadt gesehen hatten. Ganz ungewohnt für mitteleuropäische Augen, Ohren und Nasen prallten die ersten Eindrücke der orientalischen Altstadt auf sie ein: die Enge der Passagen, das geschäftige Gewusel in ihnen, das lautstarke Anpreisen von Waren in offenen Auslagen, das Gedränge und die wechselnd wohltuenden und abschreckenden Gerüche des Gassengewirrs.
Doch blieb gar keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, hatten die Exkursionsleiter Sabine Bieberstein, Klaus Bieberstein und Olaf Rölver doch für die Reise ein gleichermaßen dichtes, vielseitiges und interessantes Programm zusammengestellt, um die wenigen Tage möglichst intensiv auszunutzen. Studierende aus Bamberg, Eichstätt und München begaben sich auf die Spuren christlicher Tradition und aktueller Konflikte in der "Erinnerungslandschaft" Israel.

Eine Mauer - nicht nur in den Köpfen
"Besonders beeindruckend war für mich die Reise nach Bethlehem - einerseits wegen der schönen Geburtskirche, andererseits wegen des krassen Anblicks der Mauer", so eine Studentin. Der so genannte "Sicherheitswall", der seit 2002 palästinensische Gebiete abriegelt, wurde für alle zum Stein gewordenes Symbol für die vertrackte Situation. Während ein Palästinenser aus Bethlehem, der die Gruppe durch seine Stadt führte, ihn als "Menschenrechtsverletzung" bezeichnete, betonte die um den christlich-jüdischen Dialog bemühte Jüdin Avital Ben-Chorin, die einen abendlichen Vortrag über jüdische Feste hielt, dass seit dem Bau die Rate an Selbstmordattentaten deutlich gesunken sei und verteidigte ihn damit. Imponiert zeigte sich die Gruppe der Studierenden auch von vielen architektonisch, künstlerisch und spirituell interessanten Bauwerken, welche die orts- und fachkundigen Exkursionsleiter in ihrer Geschichtlichkeit und aktuellen Pracht vorstellten: so zum Beispiel von der Abtei Dormitio, der St.-Anna-Kirche, der Klagemauer, dem Felsendom und der Aqsa- Moschee. Natürlich durfte für die angehenden Religionspädagoginnen und -pädagogen auch ein Besuch der Grabes- und Auferstehungskirche nicht fehlen, der die verschiedenen Phasen der Baugeschichte ebenso deutlich machte wie theologie- und frömmigkeitsgeschichtliche Entwicklungen. Die einzelnen Gruppen durchliefen das verwinkelte und uneinheitliche Gotteshaus entsprechend der historischen Bauphasen dreimal, was den Blick auf das präsente Gebäude wesentlich differenzierter werden ließ.

Eindrücke, die niemand vergisst
Ein besonderes Ereignis von bleibender Erinnerung widerfuhr einer kleinen Gruppe Studierender am Tag des Tora-Freudenfestes (Simchat Tora). Von ihrer Neugier angetrieben, gingen vier junge Frauen und vier junge Männer Richtung Westmauer, um die Feierlichkeiten mitzuerleben. Ganz unverhofft wurden sie von Juden aus allen Herren Ländern eingeladen, mit ihnen zu tanzen und zu singen. In einer der Westmauer gegenüberliegenden Tora-Schule konnte die kleine Gruppe am eigenen Leib erleben, was es heißt zu feiern. In mehreren Runden zog man im Synagogenraum um die Tora-Rollen, sang Lieder und tanzte - und mitten drin vier Katholiken. Die Frauen hatten von der Empore aus zuzusehen. Die letzte Runde führte die ganze Gruppe an die Westmauer. Wieder machte man sich singend und tanzend auf den Weg, vorbei an den strengen Kontrollen, hinunter zur Westmauer. Dort wurde ein Kreis gebildet. Arm in Arm feierte man weiter. Dieser Abend wird wohl allen Beteiligten in Erinnerung bleiben.
Eine ganz anders geartete Erfahrung wartete hingegen am Ende der Reise auf die Gruppe: Durch das Wadi Kelt ging es, beginnend am berühmten St. Georg Kloster, die steinige Wüste durchquerend, am ehemaligen herodianischen Winterpalast vorbei Richtung Jericho, wobei den Studierenden klar wurde, wieso das Bild der Wüste ein so mächtiges, viel verwendetes und beängstigendes in der Bibel ist. Aufgelöst wurde die Spannung des Wüstengangs schließlich durch ein Bad im Toten Meer am Ende des Tages, nachdem noch Qumran besichtigt worden war.
So mischten sich positive Erlebnisse mit eher nachdenklich stimmenden, ist es doch gerade als deutsche Reisegruppe ein halbes Jahrhundert nach der Shoa immer noch etwas seltsam, nach Israel zu kommen. Dies wurde den ExkursionsteilnehmerInnen besonders in Yad Vashem, der bedeutendsten Gedenkstätte der nationalsozialistischen Judenvernichtung, deutlich. Als "beklemmend", "verwirrend" oder "aufwühlend" beschrieben viele das Besichtigen der Exponate aus der Zeit des Dritten Reiches.

Theologie vor Ort - ortsübergreifend
Dass derartige Erfahrungen zustande kommen konnten, und dass Theologie im wahrsten Sinne vor Ort betrieben werden konnte, verdanken die Exkursionsteilnehmerinnen und - teilnehmer - neben der Organisationsarbeit des Leitungsteams - der Fakultät und der Universität. Durch die Förderung aus dem Topf der Studiengebühren war es möglich, einen erschwinglichen Preis für die Exkursion anzusetzen - ein Beispiel dafür, wie Studienbeiträge zum Nutzen der Studierenden verwendet werden können.