Kirchliches Wirken entspringt der Innerlichkeit

„Das Buch der Gründungen – Impulse für das ‚Jahr des Glaubens‘ und die Neuevangelisierung“ – unter diesem Thema veranstalteten der Lehrstuhl für Dogmatik und Dogmengeschichte der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und die Katholische Universität Ávila, in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Theologie der Spiritualität der Universität Wien sowie dem Lehrstuhl für Kirchenrecht der Theologischen Fakultät Trier, vom 6.-8. September 2013 die erste von drei internationalen Tagungen in Vorbereitung auf den 500. Geburtstag der Heiligen Teresa von Ávila im Jahr 2015. Teresa war vielleicht eine der einflussreichsten Gestalten der europäischen Kirchengeschichte der Neuzeit, die aber bisher im deutschsprachigen Raum im wissenschaftlichen Bereich nur wenig rezipiert worden ist. Im historischen Ambiente des Kardinal-Döpfner-Hauses auf dem Freisinger Domberg wurden den ca. 120 Teilnehmenden aus acht verschiedenen Ländern in einem abwechslungsreichen Programm aus Vorträgen, Workshops, künstlerischen und musikalischen Beiträgen die Gestalt und das Wirken der spanischen Mystikerin, Kirchenlehrerin und Reformerin des Karmelordens facettenreich vor Augen geführt. Eröffnet wurde die Tagung mit einem Pontifikalamt, dem der Münchener Erzbischof Reinhard Kardinal Marx vorstand.

Wie bereits der Titel des Symposiums nahelegt, lag ein Schwerpunkt der Überlegungen auf der Frage, inwiefern sich auch heute kirchliches Leben und Verkündigung vom Lebenszeugnis und der Spiritualität der großen Heiligen inspirieren lassen können. In seinem zu Beginn verlesenen Grußwort betonte der Präsident der KU Eichstätt-Ingolstadt, Prof. P. Dr. Richard Schenk OP, dass sich im Lebenswerk Teresas heute fälschlicherweise oftmals als unvereinbare Gegensätze wahrgenommene Aspekte wie Charisma und Amt, Institution und Spiritualität, renovatio und innovatio, zu einer „fruchtbaren Spannungseinheit“ vereinten. Gerade in der ausgewogenen Synthese von Rückgriff und Verheutigung nach Art der vom II. Vatikanum geforderten renovatio accommodata sieht Schenk das bleibend Wegweisende der teresianischen Reform. Als unerlässlich erweist sich in diesem Zusammenhang freilich, wie auch in den beiden Grußworten von Vertreterinnen der KU Ávila, der Präsidentin des Leitungsrates Lic. phil. Lydia Jiménez und der Rektorin Prof. Dr. Ma del Rosario Sáez Yuguero, deutlich wurde, die verantwortliche Initiative eines jeden Einzelnen. Nur durch die persönliche Erneuerung aller Gläubigen in der lebendigen Beziehung mit Christus, wie Teresa von Ávila sie uns vor Augen führt, sei eine echte Erneuerung der Kirche überhaupt möglich.

Die Quellen dieser Erneuerung, wie sie am Leben und Werk Teresas ablesbar werden, arbeitete Prof. Dr. Christoph Ohly (Trier) in seinem Eröffnungsvortrag anschaulich heraus. Für ihn ruht die teresianische Spiritualität auf den beiden Pfeilern des Gebets – eines Gebets, das sich als Antwort der Freundschaft gegenüber einem Gott versteht, der uns diese Freundschaft als Erster anbietet – und der geistlich-menschlichen Tugenden von echter menschlicher Zuwendung, Kühnheit, Weite des Herzens sowie tiefer innerer Freude. In Ohlys einführenden Worten wurde damit bereits einer der Grundgedanken des Symposiums deutlich, nämlich dass sich Gebet und Leben, persönliche Gottverbundenheit und apostolischer Dienst am Nächsten, Kontemplation und Aktion bei Teresa nie voneinander trennen lassen, sondern einander gegenseitig durchdringen und befruchten. Ergänzt wurde dieses einführende Diptychon durch eine eindrucksvolle, von Veronika Ponzer einfühlsam und nuancenreich auf der Harfe begleitete Bild-Ton-Inszenierung von Teresas Bericht über die Klostergründungen.

Drei der Vorträge während der folgenden beiden Tage widmeten sich direkt Teresas Buch der Gründungen, das dem Symposium als Arbeitstext zu Grunde lag. Prof. Dr. Marianne Schlosser (Wien) ging in ihrem Vortrag der Problematik der Unterscheidung der Geister nach. Teresa gibt diesbezüglich in einer Art Exkurs Ratschläge für das geistliche Leben, die sie durch ihre reiche Erfahrung in den von ihr gegründeten Konventen gewonnen hat. Bei der Behandlung der schwierigen Frage, wie sich echte Gotteserfahrung von bloß vorübergehender subjektiver Hochgestimmtheit, einer Art Schwelgen in geistlichem „Genuss“, unterscheiden lässt, erweist sich Teresa als profunde Kennerin der menschlichen Psyche. Entgegen mancher gängiger Vorstellungen sei mystisches Gebet bei Teresa, so Schlosser, ein Weg innerer Disziplin, welcher Demut, Willensstärke und die Unterordnung irrationaler Leidenschaften und Phantasie unter das vernünftige Urteilsvermögen verlange. Liebe und Vernunft, Mut und Demut gehören in Teresas Weg des inneren Betens unwiderlegbar zusammen. In ähnlicher Weise warnte Prof. Dr. Manfred Gerwing (Eichstätt) in seinem Vortrag über die Theologie des Gebetes im Buch der Gründungen vor einer allzu subjektivistischen Vorstellung vom mystischen Gebet, in die sich oftmals eine „subtile Eigenliebe“ mische. Dagegen habe das Gebet bei Teresa von Grund auf responsorischen Charakter, das heißt, es besteht zuallererst im aufmerksamen Hören auf Gottes Willen und drängt zu dessen aktivem Vollzug in der Liebestat. Inneres Beten bedeute nach Teresa nicht Rückzug aus der Welt, sondern ein Sich-in-Dienst-Nehmen-Lassen für die Welt im Gehorsam gegenüber dem als absoluten Anspruch erkannten Willen Gottes. Dieser zentralen Verknüpfung von innerer Willensübereinstimmung und Gehorsam wandte sich der Vortrag des Religionsphilosophen Prof. Dr. Dr. Markus Enders aus Freiburg schwerpunktmäßig zu. Für Enders stellt sich der Gehorsam bei Teresa als eines der wichtigsten Mittel zur Erlangung der mystischen Vereinigung mit Gott dar. Der vernunftgemäße Verzicht auf die eigene Selbstbestimmung durch die Unterwerfung des eigenen Willens unter den als unübertrefflich erkannten Willen Gottes bilde für Teresa den eigentlichen Weg zur Erlangung echter Willensfreiheit. Es gelte, so Enders, die Herrschaft über den eigenen Willen „aus der Mine des Gehorsams zu heben“, um ihn dann in einem zweiten Schritt aktiv an Gott zu übergeben und so statt bloßer natürlicher Selbstbezogenheit fähig zu werden zum Dienst der Liebe.

Diese pädagogische Komponente griff Prof. Dr. Sara Gallardo (Ávila) in ihrem Vortrag über „Wege zur Vereinigung mit Gott“ bei Teresa erneut auf. Mit Benedikt XVI. sprach Gallardo von einer „Pädagogik des Verlangens“ bei Teresa, welche die dem Menschen von Natur auf eingepflanzte Sehnsucht nach Unendlichkeit aufgreife und vervollkommne. Es gehe Teresa, so Gallardo, um eine Weitung des Herzens, die den Menschen befähige, die ihn übersteigende Gabe von Gottes erbarmender Liebe in einem Akt der Dankbarkeit, der Mut und Demut zugleich erfordere, anzunehmen. Diese innere Weite löse den Menschen zugleich von der Bezogenheit auf das eigene Ich und mache ihn fähig, in tatkräftiger und selbstloser Liebe zu handeln, auch trotz emotionaler Trockenheit. Gallardos Vortrag unterstrich erneut die substantielle Verbindung, die in Teresas Spiritualität zwischen persönlicher Gotteserfahrung und christlichem Lebenszeugnis besteht und schlug zugleich mit Benedikt XVI. einen Bogen zur kirchlichen Gegenwart. Dieser Bezug zur eigenen Glaubenspraxis konnte von den Teilnehmenden der Tagung in drei Workshops in kleineren Gesprächsgruppen diskutiert und vertieft werden; er stand schließlich auch im Mittelpunkt der drei abschließenden Kurzvorträge von Weihbischof Prof. P. Dr. Juan Antonio Martinez-Camino SJ (Madrid), PD Dr. Michaela C. Hastetter (Freiburg) und Prof. em. P. Dr. Stephan Horn (Passau), die die innere Nähe Teresa von Ávilas zu Glaubenszeugen des 19. und 20. Jahrhunderts (Rafael Arnáiz Barón und F.W. Faber) sowie ihre Rezeption in der nachkonziliaren Kirche und bei Benedikt XVI. beleuchteten.

Ergänzt wurden die Vorträge zur Spiritualität Teresas und ihrem theologischen Fortwirken durch Beiträge über die Rezeption Teresa von Ávilas in der Kunst des Barock (Prof. Dr. Wolfgang Vogl, Augsburg) sowie durch ein virtuoses Konzert des Ensembles Compagnia Cinquecento (Sabine Lehrmann (Viola da Gamba); Christoph Eglhuber (Vihuela und Laute) mit musikalischen Werken aus der Zeit Teresa von Ávilas, begleitet von ausgewählten Texten der Heiligen. In der familiären Atmosphäre des Tagungszentrums ergab sich zwischen den Teilnehmenden aus verschiedensten kirchlichen und außerkirchlichen Kontexten ein reger persönlicher Austausch, der durch gemeinsame Gottesdienste und Gebetszeiten geistlich vertieft wurde. Insofern ließ sich für die Teilnehmer des Symposiums der teresianische Grundsatz der Innerlichkeit als Quelle für kirchliches Leben und Wirken konkret erfahren.

Impressionen der Tagung finden sich unter www.ku.de/teresa.

Dr. Gabriela Schmidt