Klimawandel lässt die Natur früher erwachen – auch im Hofgarten

Rosarote Kirschblüten und knallgelbe Forsythien sind echte Frühlingsboten – und die haben es mittlerweile deutlich eiliger als noch vor einigen Jahrzehnten. Der phänologische Frühling, also das Wiedererwachen der Vegetation nach dem Winter, beginnt aufgrund des Klimawandels immer eher. Prof. Dr. Susanne Jochner-Oette beobachtet diese europaweite Entwicklung seit einigen Jahren auch im Eichstätter Hofgarten.

Seit 2017 führt Jochner-Oette mit ihrem Team an der Professur für Physische Geographie/Landschaftsökologie und nachhaltige Ökosystementwicklung Beobachtungen zum Vegetationsbeginn im Hofgarten durch. Rund 100 der insgesamt 230 Bäume und Sträucher nehmen die Hilfskräfte der Professur genau unter die Lupe: Jeden dritte Tag notieren sie den Entwicklungszustand der Pflanzen und werten diese Daten aus. 

Die Eichstätter Daten stimmen mit deutschland- und europaweiten Beobachtungen überein: Höhere Temperaturen verschieben die Jahreszeiten und verkürzen den Winter. Den Start des sogenannten Vorfrühlings markiert die Blüte des Haselstrauchs. Im Eichstätter Hofgarten war dies in den letzten Jahren im Schnitt am 7. Februar der Fall – in milden Wintern bereits im Januar. „Die Daten des Deutschen Wetterdiensts, der seit 1951 bundesweit Beobachtungen durchführt, zeigen, dass sich der Winter in den vergangenen Jahrzehnten um etwa 20 Tage verkürzt hat. Früher dauerte er rund 120 Tage, heute nur noch etwa 100“, sagt Jochner-Oette. Die Veränderungen sind nicht nur auf die Haselblüte beschränkt: Auch der Pollenflug weiterer Arten wie Esche oder Birke setzt früher ein. Die Forsythie, die ausschlaggebend ist für den Start des sogenannten Erstfrühlings, blüht laut den Daten des Deutschen Wetterdiensts heute im Schnitt 11 Tage früher als vor vierzig Jahren. Für den Hofgarten notierten Susanne Jochner-Oette und ihr Team den Beginn der Forsythien-Blüte in diesem Jahr am 19. März.

Phänologische Uhr für den Eichstätter Hofgarten
Phänologische Uhr für den Eichstätter Hofgarten

Um die Änderungen graphisch zu verdeutlichen, nutzen die Forschenden der KU eine sogenannte phänologische Uhr. Diese zeigt die verschiedenen Vegetationsphasen eines Jahres anhand ausgewählter, charakteristischer Pflanzenarten. Die phänologische Uhr der Forschenden unterscheidet nicht vier Jahreszeiten, sondern sie ist in zehn Abschnitte unterteilt. Das ermöglicht eine genaue Analyse von klimabedingten Veränderungen in der Natur. Pflanzen, die sehr früh im Jahr blühen, reagieren sehr sensibel auf höhere Temperaturen. 

Besonders nützlich sind solche phänologischen Informationen für Allergiker, die so den Beginn des Pollenflugs besser einschätzen können. Auch Landwirte und Forstwirte können sich an phänologischen Daten orientieren, um z.B. Aussaat und Düngung zeitlich zu planen. Darüber hinaus sind Eintrittszeitpunkte der Blüte auch wichtig für Insekten, die sich von Nektar ernähren. Findet die Blüte vor der Aktivitätsperiode der Insekten statt, kann dies negative Auswirkungen auf das Nahrungsangebot und das ökologische Gleichgewicht haben. 

Wertvolle Daten für die Analyse der phänologischen Entwicklung generiert das Netzwerk der Internationalen Phänologischen Gärten (IPG), das 1957 gegründet wurde, um europaweit vergleichbare phänologische Daten zu sammeln. 2023 hat Susanne Jochner-Oette die Koordination der IPG übernommen. Mit 171 Stationen in 18 Ländern – darunter auch einer in den USA – bietet das IPG-Netzwerk eine einzigartige Möglichkeit, die Auswirkungen des Klimawandels auf die Natur zu erfassen. „In diesen Gärten wachsen Pflanzen, die genetisch identisch sind – sie stammen alle aus einem Garten in Fürstenfeldbruck“, erklärt KU-Professorin Jochner-Oette. „So können wir sicherstellen, dass die Unterschiede, die wir beobachten, tatsächlich auf die klimatischen Bedingungen an den jeweiligen Standorten zurückzuführen sind und nicht auf genetische Unterschiede.“ Nach Ende der laufenden Vegetationsperiode werden auch die Daten des IPG-Standorts in Eichstätt, der sich seit 2023 bei der Zentralbibliothek befindet, von den Forschenden der KU erstmals aufbereitet und analysiert.

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Die KU hat sich das Ziel gesetzt, Nachhaltigkeit als festen Bestandteil in allen Bereichen des universitären Lebens, der Lehre und Forschung zu integrieren, zu leben und kontinuierlich weiterzuentwickeln. In diesem Zusammenhang hat die KU eine Vision für eine nachhaltige Zukunft: Ökologische und soziale Verantwortung sollen Hand in Hand gehen, um zukunftsfähige Lösungen zu entwickeln, die lokal und global wirken. Als engagierte Universität arbeitet die KU deshalb eng mit vielfältigen Partnerinnen und Partnern in allen Gesellschafts- und Wirtschaftsbereichen zusammen. In ihrer Rolle als Vorreiterin will sie auch Vorbild und Impulsgeberin für eine gelingende Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele sein.