Koptisches Christentum: Eichstätter Studenten begegnen Christen in Ägypten

Engagierte Jugendliche, Mönche mit Smartphone und besorgte Bischöfe. Studierende der Theologischen Fakultät der KU besuchten Kopten in Ägypten in einer spannenden Zeit. Sie erlebten vielfältiges christliches Engagement in einem muslimischen Land.

„I’m coptic in religion and muslim in culture.“ Mark ist stolz, Christ in Ägypten zu sein. Er hat Tourismuswirtschaft studiert und möchte helfen, die Zukunft seines Landes mitzugestalten. Zusammen mit seinen Freunden engagiert er sich ehrenamtlich bei der Caritas Alexandria. Sie leiten dort Jugendgruppen und andere Projekte, in denen christliche und muslimische Jugendliche zusammenarbeiten. Für ihn ist ein christliches Leben in muslimischer Umgebung trotz aller Probleme Alltag: „Ich wünsche mir ein Ägypten, in dem es keine Rolle spielt, ob man Christ oder Muslim ist.“ Ein stabiles Land ist ihm wichtig, wirtschaftlich und religiös.

Diese persönlichen Begegnungen mit jungen Ägyptern waren die prägendsten Erfahrungen für die Studierenden der Theologischen Fakultät der KU. Sie unternahmen eine Exkursion in die Zentren der koptischen Kirche nach Kairo, Alexandria, ins Wadi Natrun und in die ältesten koptischen Klöster ans Rote Meer unternommen. Die Frage, wie es der christlichen Minderheit in dem nordafrikanischen Staat nach der Revolution geht, war stets präsent.

Denn von Stabilität ist Ägypten noch weit entfernt. Die anhaltenden Demonstrationen gegen eine Bevormundung des Volkes durch den Präsidenten, wirtschaftliche Probleme und religiöse Spannungen lassen das Land seit zwei Jahren nicht zur Ruhe kommen. Die übereilte Abstimmung über die neue Verfassung im Dezember 2012 hat neue Befürchtungen geschürt, nun könnten die Grundrechte für Frauen und die freie Religionsausübung weiter eingeschränkt werden. Nach Artikel 2 der Verfassung ist der Islam Staatsreligion, doch während die Scharia unter Präsident Mubarak nur eine der Quellen der Rechtsetzung war, könnte sie durch die Muslimbrüder unter dem neuen Staatsoberhaupt Mursi schon bald zur allgemein verbindlichen Rechtsnorm werden.

Vor diesem gesellschaftlichen Hintergrund stellen sich den Kirchen in Ägypten zahlreiche Herausforderungen. Die Kopten sind die größte Gruppe christlicher Minderheiten im Nahen Osten und machen mit ungefähr 8 bis 10 Millionen Mitgliedern ca. 10 Prozent der Gesamtbevölkerung Ägyptens aus. „Koptisch“ bedeutet ägyptisch, koptische Christen verstehen sich als die Nachfahren der Pharaonen. Sie berufen sich auf den Apostel Markus, der im ersten Jahrhundert nach Christus, den christlichen Glauben nach Ägypten brachte.

Moderne ‚alte‘ Klöster

Besonders traditionsreich ist das koptische Mönchtum, es gibt dort die ältesten christlichen Klöster der Welt. Die Felsgrotte des Hl. Antonius liegt auf einem hohen Berghang und ist nur über ca. 1200 Stufen zu erreichen. Der Besuch der Grotte, in der der Begründer des Einsiedlerlebens 44 Jahre lang gelebt hatte, war ein unvergessliches Erlebnis. Im Unterschied nämlich zur blendenden Sonne draußen liegen die Grotte und die in ihr verborgene Kapelle in voller Dunkelheit. Von diesem Kloster aus hatte sich dann das Mönchtum im Ägypten und in der ganzen Welt verbreitet. Dass das Kloster eine wichtige Rolle in der Geschichte der koptischen Kirche gespielt hat, kann man daran sehen, dass zwölf Mönche aus dem Antoniuskloster den Patriarchenthron erstiegen und fast dreihundert Jahre die Geschichte der koptischen Kirche bestimmten.

Die heutigen koptischen Mönche sind im 21. Jahrhundert angekommen. Abuna Serapion aus dem Kloster „Deir el-Baramous“ im Wadi Natrun steht mit Sonnenbrille und Smartphone in der Brusttasche mit großem Stolz vor seiner Straußenfarm, die er im Kloster betreibt. Allein hier leben 120 Mönche zusammen. In allen koptischen Klöstern gibt es genügend Nachwuchs und eine große Innovationskraft. Denn seit Papst Schenouda III. müssen alle Männer zuvor eine akademische Ausbildung abgeschlossen und bereits einen Beruf haben.

Christliches Engagement

Die meisten Christen in Ägypten sind koptisch-orthodox. In manchen Stadtteilen Kairos, wie Heliopolis, hat man den Eindruck, dass es hier eine Menge Christen gibt. Das liegt daran, dass sich dort die Kirchen verschiedener Riten versammeln. Als diese Stadtteile entstanden, wohnten hier tatsächlich vor allem Christen. Da es keine Meldepflicht gibt und auch die Kirchen keine Zählung durchführen, ist es nicht leicht, verlässliche Zahlen anzugeben. Die katholischen Kirchen dürften um die 300.000 Gläubige ausmachen. Verschwindend gering mag man denken. Aber wie so oft sind sie mit ihren Schulen und sozialen Einrichtungen stark präsent.

Christen sind in allen sozialen Schichten vertreten, vom oberen Bürgertum bis zu den Müllsammlern, über Kaufleute, Stadtproletariat und Bauern. Viele Bauern, die von der Subsistenzwirtschaft leben und ihren Kindern nur schwer den Schulbesuch ermöglichen können, verlassen ihre Dörfer, in der Hoffnung in der Großstadt einen besseren Job zu finden. Tatsächlich scheinen diese Landflüchtlinge als Müllsammler oder Gelegenheitsjobber mehr Geld zu verdienen und ziehen das schwere Leben in der Stadt vor. In einem dieser Müllsammlerstadtviertel, Ezbet el Nakhl, gibt es ein Sozialprojekt der Comboni-Missionare, das 1999 den Shalom-Preis der KU Eichstätt erhalten hatte. Wir besuchten zwei Schulen, in denen Nachhilfeunterricht gegeben wird, weil das Schulsystem nicht alle Schüler erreicht. Außerdem gibt es eine Einrichtung für geistig und körperlich Behinderte, wo sich auf engstem Raum Physiotherapeutinnen um christliche und muslimische Kinder kümmern.

Karitative Arbeit ist auch in der Priesterausbildung sehr wichtig. Jeder Seminarist arbeitet während des Semesters in einem sozialen Projekt mit. Im koptisch-katholischen Priesterseminar in Maadi (Kairo) stellten die ägyptischen Seminaristen das Theologiestudium vor Ort vor und diskutierten mit den Priesteramtskandidaten aus dem Eichstätter Collegium Orientale über die verschiedenen Studienanforderungen. Hier und bei allen Gemeindebesuchen konnten wir die großzügige ägyptische Gastfreundschaft genießen. Man wird immer viel zu viel Essen vorfinden. Und es kommt auch vor, das man unterwegs angerufen wird und spontan eingeladen wird. Ein Gast in Ägypten hat immer Vorrang.

Kopten und die Folgen der Revolution

Die Kopten haben viele Hoffnungen in die Revolution gesteckt. Auch die Gemeinden haben uns immer wieder von ihrer neuen Situation seit den großen Demonstrationen im Januar 2011 berichtet. Dabei war es interessant zu beobachten, wie unterschiedlich die Eindrücke der Menschen waren. Die einen waren sehr kritisch mit dem Ergebnis der Revolution, die anderen sahen es positiv. Für alle aber war klar, dass sie seither mehr über Politik diskutierten. Allerdings hat sich die Lage der Christen durch die Revolution keinesfalls verbessert, stellte der koptisch-katholische Bischof Antonios Aziz Mina aus Gizeh fest. Nur die Hälfte seiner fünf Kirchen habe eine staatliche Genehmigung. Der Rest könne über Nacht enteignet und geschlossen werden. Trotz eines in der Verfassung verankerten Rechts auf freie Religionsausübung ist die Gefahr, dass Kopten im Alltag diskriminiert werden, gegeben, sei es bei der Vergabe von Studienplätzen, bei der Besetzung von Führungspositionen oder bei der Erbauung oder Renovierung von Kirchen. Auch von der Mitwirkung in Politik und Verwaltung sind sie zunehmend ausgeschlossen.

Daher konzentrieren sie sich viel auf das Leben in den Kirchen. „Wir genießen unser Leben in den Gemeinden“, sagt Mark. Er und seine Freunde gehen zuerst immer zur Kirche, wenn sie ihre Freunde treffen wollen. Marks Freundin Marianne sieht das kritisch: „Dadurch schotten wir uns aber auch ab.“ Die Herausforderungen als Christen in einer Minderheitssituation sind immer zu spüren. Überall zu merken, ist aber auch der Wunsch, Zeugnis von ihrem Glauben zu geben, vor allem durch ehrenamtliches Engagement. Trotz der berechtigten Ängste um den Fortbestand des christlichen Lebens in Ägypten, hinterlassen diese unterschiedlichen Eindrücke das Gefühl einer für die Kirche in unseren Breiten ungekannten Glaubensfreude und karitativer Vitalität.

Kristin Langos