Insbesondere in den Sektionen „Das Jahrhundert des Kinos: 1902“ und „Vor 100 Jahren: 1922“ waren beim Festival unter anderem Filme der Brüder Lumière, von Georges Méliès, Erich von Stroheim und Friedrich Wilhelm Murnau, aber auch von einer der ersten Regisseurinnen, Alice Guy Blaché, gezeigt. Die Werke wurden häufig von wunderbarer Live-Musik begleitet. Bei einigen Filmen hatte man die ursprüngliche Farbigkeit retten können, denn Stummfilme sind nicht ausschließlich in Schwarz-Weiß entstanden. Häufig wurden sie nach dem Entwickeln in ein Farbbad getaucht oder manchmal sogar von Hand bemalt wie Ali Baba und die vierzig Räuber von Ferdinand Zecca (F 1902) oder Das Leben und die Passion von Jesus Christus (F 1902).
Besonders werden uns die Scherenschnitt-Animationsfilme von Lotte Reiniger, Aschenputtel (D 1922/23) und Dornröschen (D 1922), ein Vulkanausbruch auf Martinique von Georges Méliès (F 1902), eine Reklame für Damenfahrräder (GB 1902), kolorierte Feuerwerksaufnahmen anlässlich einer Fürstenhochzeit (GB 1902-1904), eine Wochenschau aus Frankreich von 1922 sowie der Film Le Quinzième Prélude de Chopin von Viktor Turžanskij (F 1922) im Gedächtnis bleiben, in dem eine Familie einen Chaplinfilm schaut und der kleine Junge sich danach selbst als Chaplin verkleidet.
„Dank der Erasmus-Partnerschaft mit der Universität Bologna war neben dem Festival-Besuch auch vor Ort wissenschaftliches Arbeiten möglich, da wir einen multimedial ausgestatteten Raum an der Universität benutzen durften“, berichtet Professorin Stauffer. Die Teilnehmenden des Seminars traten mit interessanten und vielseitigen Beiträgen hervor: beispielsweise zur feuilletonistischen Kino-Debatte zwischen 1909 und 1929, zum filmischen Schreiben und den Auswirkungen des Starsystems auf die moderne deutsche Literatur, zu Intermedialität und Massendarstellung anhand von Pierre Morodons Verfilmung (F/Ö 1925) von Gustave Flauberts Salammbô oder zur ‚undurchdringlichen‘ Erzählhaltung in Pirandellos Kino-Roman Quaderni di Serafino Gubbio operatore (1916). Morodons Verfilmung und zahlreiche weitere Stummfilme konnten über die Arbeitsstelle zur literaturbezogenen Medienanalyse (ALM) der KU angeschafft und für das Seminar bereitgestellt werden.