Eine zentrale Forderung von Prof. Lechner in Sachen Religion ist eine religiöse Bildung für alle. In den vergangenen Jahren habe sich die Einstellung der Menschen zur Religion komplett verändert. Immer mehr Menschen würden sich von den traditionellen Kirchen verabschieden. So bilden im Vergleich zur katholischen und evangelischen Konfession heute die Konfessionslosen die größte Gruppe in Deutschland. Aktuell, so Lechner weiter, werde Religion de-fragmentiert und neu formatiert. Sie erscheint in der Werbung, in Fernseh-soaps, im Sport, im Kino und sogar in popkulturellen Formaten wie etwa im „Adventsfest der 100.000 Lichter“, moderiert von Florian Silbereisen. Religion sei eben nicht länger ausschließliches an die religiösen Institutionen gebun-den. Diese Veränderung müsse Folgen für die religiöse Bildung haben.
Prof. Lechner plädierte dafür, dass alle Kinder und Jugendlichen, egal ob sie einer Religionsgemeinschaft angehören oder nicht, eine grundlegende Bildung in Sachen Religion erhalten. Deren Ziel ist eine Sensibilisierung für die de facto vorhandene religiöse Umwelt, ein Wissen über das Phänomen der Religion(en) und ein Dialog zwischen Menschen unterschiedlicher Religionszugehörigkeit und Weltanschauung. Zugleich aber sei die religiöse Grundbildung zu verstehen als eine Art Nährlösung, in der sich der persönliche Glaube entfalten kann. Während nämlich Religion das sichtbare und daher lehr- wie lernbare Zeichensystem darstelle, sei der Glaube ein Vertrauensakt. Man könne ihn nicht einfach lehren, sondern nur auf vielfältige Weise dazu anre-gen. Glaube sei ein Prozess, den jede*r einzelne ganz individuell durchlaufen müsse und dessen Entstehungsbedingungen in positiven Beziehungen gründen, wie sie in Familie, in Gruppen der religiösen Institutionen, in religiösen Gemeinschaften und Bewegungen gegeben seien.
Im Unterschied zur Glaubensbildung, die Sache von kleineren und größeren Glaubensgemeinschaften ist, müsse – so Lechner – die religiöse Bildung für alle zu einer öffentlichen Aufgabe werden. Sie geht damit auch alle Träger von Bildung und sozialer Arbeit an. Lechner plädierte deshalb u.a. für einen bekenntnisunabhängigen Religionsunterricht für alle Schüler*innen an öffentlichen Schulen. Ein solcher „Unterricht in Sachen Religion“ kollidiere nicht mit der Religionsfreiheit, so dass sich auch niemand von diesem Unterricht dis-pensieren könne. Nach den Worten Lechners ist Religion ein Bildungsgut, das es neben anderen Bildungsgütern zu vermitteln gelte, denn: „Bildung ohne Religion ist unvollständig und Religion ohne Bildung gefährlich“ (M. Meyer-Blanck).