Mehrheiten und Minderheiten: Studientag der Theologischen Fakultät

Welche Ursachen und Konsequenzen hat es, wenn Christen sich in Minderheitensituationen befinden? Dieser Frage stellte sich ein Studientag der Theologischen Fakultät an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU), der mit biblischen Perspektiven begannt: Prof. B. Zapff (3.v.r.) zeichnete in seinem Vortrag zu Beginn nach, wie das babylonische Exil als ‚Stresstest‘ für das Volk Israel wirkte und hohe Bedeutung für die Identitätsbildung und geschichtliche Rückversicherung der religiösen Existenz gewann. Insofern sei das Exil auch ein Transformationsort Israels, in welchem sich die Frage nach der universalen Bedeutung des Gottes des jüdischen Volkes radikal stellte.

Professor Lothar Wehr entwarf auf der Grundlage des ersten Petrusbriefes ein Bild von Gemeinden in neutestamentlicher Zeit, die ihr Fremdsein in der Gesellschaft wesentlich mit der Erwählung durch Gott charakterisierten. Es gelte Spannungen auszuhalten und Extreme zu vermeiden, ohne sich von der Gesellschaft zu isolieren, sondern vielmehr in sie missionarisch im Geiste Christi hineinzuwirken. „Mehrheit heute – Minderheit morgen?“ lautete die Ausgangsfrage von Professor Ulrich Kropa?, mit der er Jugendliche Religiosität als Indikator für zukünftiges Christentum in Deutschland betrachtete. Mit Hilfe der Ergebnisse der letzten Shell-Jugendstudie und anderer empirischer Untersuchungen und mit Blick auf Phänomene wie Jugendkirchen und den Jugendkatechismus Youcat zeigte er auf, dass Religiosität nicht vorschnell mit kirchlichem Christentum gleichgesetzt werden darf, dass aber zugleich religiöse Bildung vor ganz neuen und gewiss nicht einfach zu bewältigenden Herausforderungen stehe.

Professor Manfred Gerwing warf einen Blick auf die Bedingungen des interreligiösen Gesprächs am Beispiel des Typenschemas von Einstellungen zu anderen Religionen. So kann die Frage „Vermitteln Religionen heilshafte Gotteserkenntnis?“ von einer Position des Exklusivismus (eine einzige Religion tut dies), des Inklusivismus (mehrere Religionen tun dies, aber nur eine ganz) oder des Pluralismus (mehrere Religionen tun dies in vergleichbar hohem Maß) beantwortet werden. Allerdings müssten die Voraussetzungen des Gottesglaubens und dessen Inhalt mit bedacht werden. Professor Peter Bruns, Vertreter der Forschungsstelle Christlicher Orient, gab mit Hilfe historischer Quellen Einblicke in die Zeit, als Ägypten im 7. Jahrhundert unter muslimische Herrschaft geriet. In wenigen Jahrzehnten wurde die bis dahin christliche Mehrheit entweder verdrängt oder zur Assimilation gezwungen, so dass vor allem auch durch den Nachzug der Familien der Eroberer und der sich dadurch ändernden Bevölkerungsverhältnisse ein mehrheitlich islamisches Land entstand.

Monsignore Joachim Schroedel, der Seelsorger der Katholiken im vorderen Orient mit Sitz in Kairo, vermittelte durch seinen Vortrag am Abend einen lebendigen Eindruck vom heutigen Ägypten, insbesondere von der Revolution und dem Sturz Mubaraks im Januar dieses Jahres. „Weder Christ noch Muslim – wir sind alle Ägypter!“ lautete sein Vortragstitel, in welchem er über religiöse Toleranz sprach, Phänomene wie die Muslimbruderschaft differenziert betrachtete und auch Gegensätze und Schwierigkeiten für den christlich-islamischen Dialog nicht aussparte. Eine Podiumsdiskussion mit allen Referenten schloss den spannenden und inhaltsreichen Tag ab.