„Motivation ist der Schlüssel zum erfolgreichen Lernen“

Prof. Dr. Julia Dietrich
© Christian Klenk

Motivation spielt eine zentrale Rolle beim Lernen – ein Aspekt, der von der Psychologin Julia Dietrich in ihrer Forschung zu Lernprozessen genauer betrachtet wird. Dietrich ist neue Inhaberin der Professur für Empirische Bildungsforschung an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Im Zentrum ihrer wissenschaftlichen Arbeit steht die Untersuchung von psychologischen Mikroprozessen des Lernens und der Entwicklung sowie die Analyse von individuellen Lernvoraussetzungen und Entwicklungsverläufen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen.

Ohne Motivation geht es beim Lernen nicht – das wissen Schülerinnen, Schüler und Studierende gleichermaßen wie Lehrkräfte und Eltern. Wer motiviert ist, verspürt den Wunsch, Neues zu lernen und Fähigkeiten auszubauen. Die Motivation beeinflusst, wie intensiv und ausdauernd sich Menschen dem Lernen zuwenden und mit welchem Engagement sie Lernprozesse angehen. Eine positive Einstellung verbessert die Konzentration und wirkt sich förderlich auf selbstgesteuertes Lernen und das Selbstbewusstsein aus. „Motivation ist der Schlüssel zum erfolgreichen Lernen“, sagt die Psychologin Julia Dietrich, die als neue Inhaberin der Professur für Empirische Bildungsforschung an der KU forscht und lehrt und sich dabei mit der Frage befasst, welchen Einfluss Motivation und Emotionen auf das Lernen haben.

Dietrich interessiert sie sich zum Beispiel dafür, wie sich die Motivation im Zeitverlauf – auch in kürzeren Abständen – verändert und wie man dies methodisch untersuchen kann. Denn selbst wenn ein Student grundsätzlich hochmotiviert sein Studium absolviert oder eine Schülerin gerne in die Schule geht – während einer Vorlesung oder Unterrichtsstunde kann es zu erheblichen Schwankungen bei der Motivation kommen. Die Mehrzahl der Studien zur Lernmotivation untersuchten diese auf einer generellen Ebene, erklärt Dietrich – etwa wenn ein Schüler die Aussage treffe: Ich mag Mathematik. Hingegen liege der Fokus der Forschung bislang seltener auf intraindividueller Variabilität, das heißt die wechselnde Motivation bei unterschiedlichen Inhalten oder im Zeitverlauf. Hier will Dietrich mit ihrer Forschung genauer hinsehen.

„Unsere Studien zeigen, dass Motivation in sehr kurzen Abständen von 30 Minuten während einer Vorlesung schwanken kann“, erklärt die Psychologin. Sie versucht mittels Mikroprozessdaten, so genannten intensiven Längsschnittdaten, das momentane Erleben und Verhalten von Menschen zu dokumentieren. Dazu braucht es Erhebungsinstrumente, mit denen sich situationales Erleben und Verhalten in konkreten Momenten des Alltags erfassen lässt. Untersucht hat Dietrich dies etwa mittels elektronischer Tagebücher, die über eine Smartphone-App mit Daten gefüttert werden. So konnten Studierende in kurzen Zeitabständen über ihre aktuelle Motivation Auskunft geben, wenn sie sich gerade in der Vorlesung befanden. Diese Selbstberichtsdaten wurden zusammen mit Videoaufzeichnungen von der Lehrveranstaltung ausgewertet – denn schließlich kann auch das Verhalten der Lehrenden in der konkreten Situation einen Einfluss auf die Motivation der Studierenden haben.

In einem weiterführenden Projekt geht es darum herauszufinden, wie sich die Lernmotivation von Studierenden nach dem Studienstart entwickelt. Das aktuell laufende Projekt wird von der DFG gefördert und gemeinsam mit Forscherinnen und Forschern der Universität Leipzig durchgeführt. Wie schnell pegelt sich im ersten Jahr des Studiums die Motivation für das Fach auf einem bestimmten Niveau ein? Wie unterscheiden sich Studierende in ihrer Motivationsentwicklung? Wie stark sind die motivationalen Unterschiede bei verschiedenen Lehrveranstaltungen? Diesen und anderen Fragen geht Dietrich nach. Dazu wurden Studentinnen und Studenten im ersten Studienjahr während der Lehrveranstaltungen begleitet. Mittels wiederholter, kurzer Befragungen via Smartphone oder Tablet wurden motivational-emotionale Erlebnisse genau in den Momenten erfasst, in denen sie auftraten. „Mit den Daten lassen sich die individuellen Entwicklungsverläufe von Motivation und Emotionen in hoher Auflösung nachzeichnen“, erklärt Dietrich.

Ihre wissenschaftliche Arbeit sieht sie an der Schnittstelle von innovativer Grundlagenforschung und praxisbezogener Anwendung – immer verbunden mit dem Ziel, das Verständnis von Lernprozessen in verschiedenen Kontexten zu verbessern. Dabei legt Dietrich besonderen Wert auf die Rolle von Meso- und Makrokontexten, wie die Einflüsse von Lehrkräften, Eltern und institutionellen Strukturen auf den Lernprozess. Ihr Forschungsinteresse richtet sich auch auf emotionale Aspekte, denn Lernen sei nicht nur ein kognitiver Prozess, sondern hänge auch davon ab, wie emotional das Thema gefärbt ist. Als Beispiel nennt Dietrich den Bildungsbereich, in dem jeder Mensch selbst Erfahrungen gesammelt und daher eigene Überzeugungen hat, wie Lehren und Lernen am besten funktionieren. „Und dann erfährt man als Lehramtsstudent plötzlich, dass nicht alles von diesen eigenen Überzeugungen der Realität und den Erkenntnissen evidenzbasierter Forschung entspricht.“ Wie sich das Korrigieren von bisherigen Annahmen oder die Bestätigung von bereits vorhandenem Wissen auf den Lernprozess auswirken, auch dieser Frage geht Julia Dietrich in ihrer Forschung nach.

Schließlich beschäftigt sie sich mit dem Einsatz digitaler Technologien, etwa wie man den aus dem Online-Shopping bekannten Empfehlungsalgorithmus („Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, interessierten sich auch für folgendes Produkt…“) auf Lernplattformen übertragen kann. „Auf diese Weise könnte der Fortgang im Lernprogramm individueller auf den Lernenden abgestimmt werden“, erklärt Julia Dietrich, die Psychologie und Erziehungswissenschaften an der Universität Erfurt studiert und dort 2010 auch promoviert hat. Das Thema ihrer Doktorarbeit war die Entwicklungspsychologie von Jugendlichen und Eltern beim Übergang von der Schule zur Hochschule („Adolescents‘ and Parents‘ Developmental Regulation During the Transition From School To Higher Education“).

Dietrich war anschließend Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachgebiet Psychologie in Erfurt, ehe sie als Fellow für zwei Jahre an die Universität Helsinki wechselte und dort im Postdoktorandenprogramm „Pathways to Adulthood“ („Wege zum Erwachsensein“) mitarbeitete. Von 2013 an war Dietrich Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Erziehungswissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena, wo sie im Jahr 2022 ihre Habilitation im Fach Psychologie erfolgreich abschloss. Das Thema ihrer Arbeit mit dem Titel „Inter- and Intra-Individual Perspectives on Academic Motivation and Emotions“ („Inter- und intra-individuelle Perspektiven auf akademische Motivation und Emotionen“) vertieft sie nun in Lehre und Forschung an der KU weiter, wo sie im April dieses Jahres die Professur für Empirische Bildungsforschung an der Philosophisch-Pädagogischen Fakultät übernommen hat.