Mit der Birke und ihren Pollen steht beim Vorhaben „PECurban“ von Prof. Dr. Susanne Jochner-Oette und ihrem Team eine Baumart im Mittelpunkt, die als höchstallergen gilt. Jochner-Oette hat an der KU die Professur für Physische Geographie / Landschaftsökologie und nachhaltige Ökosystementwicklung inne und forscht seit vielen Jahren zum Einfluss des Klimawandels auf den Pollenflug. Sie betont: „Der Klimawandel wirkt sich nicht nur aus auf Start und Dauer der Pollensaison, sondern bei manchen Pflanzen auch auf die Menge an Pollen und ihre Allergenität. Schadstoffe könnten das allergene Potential zusätzlich beeinflussen. Wir haben zum Beispiel in einem vorherigen Projekt festgestellt, dass die Allergenität von Birkenpollen an Standorten mit hohem Ozonwerten erhöht ist.“ Etwa 15 Prozent der Bevölkerung in Deutschland seien von Allergien betroffen, die nicht nur lästig, sondern auch lebensbedrohlich verlaufen könnten. Damit sich die Geplagten besser an die möglichen Folgen des Klimawandels anpassen können, bedarf es also detaillierter Kenntnisse zum Wechselspiel der verschiedenen Einflussfaktoren.
So unterscheiden sich die klimatischen Bedingungen in Städten von denen auf dem Land und haben somit einen Einfluss auf die städtische Vegetation und die Entstehung von Pollen. Und auch die städtischen Strukturen haben Einfluss auf Luftströmungen, die Ausbreitung und Ablagerung von Pollen hemmen oder fördern: Hohe Gebäude und komplexe Oberflächen können Luftturbulenzen erhöhen, so dass die Pollenkonzentrationen zwischen einzelnen Vierteln sowohl vertikal als auch horizontal stark variieren. Deshalb soll im Rahmen des Projektes erstmals ein spezielles Modell für das Stadtklima zum Einsatz kommen, um die Verteilung von Pollen im Untersuchungsgebiet zu simulieren und mit tatsächlich gemessenen Konzentrationen zu vergleichen. Dazu wird bei der Studie in Ingolstadt – mit rund 142000 Einwohnern eine kleinere Großstadt – ein Messnetz installiert, das die Pollenkonzentration an einer Vielzahl von Standorten sowohl auf Straßenniveau als auch mit auf Dächern angebrachten Instrumenten registriert. Mit Hilfe von Bärlapp-Sporen wurde bei einer Vorstudie schon erfolgreich das Potenzial dieses Vorgehens und des gewählten Klimamodells getestet. „Wir konnten zeigen, dass die wichtigsten Ausbreitungsmuster durch die Simulation gut wiedergegeben werden“, erklärt Professorin Jochner-Oette.
Außerdem wollen sie und ihr Team die Intensität der Pollensaison auf innovative Weise beschreiben. Denn bislang werden vor allem zwei Parameter erfasst: Der Ist-Zustand der Pollenkonzentration durch Luftproben als Momentaufnahme sowie die Ausgangsmenge an Pollen in den geschlossenen Blüten. Doch wie viel davon zu welchem Zeitpunkt tatsächlich von den Pflanzen freigesetzt wird bzw. wie viele Pollen sich noch als „Munition“ zu verschiedenen Stadien in der Blüte befinden – diesem Aspekt wird bislang kaum Beachtung geschenkt. „Die laufende Bestimmung der Emissionsraten ist ein neuartiger Ansatz, um die tägliche Pollenfreisetzung zu bestimmen“, erläutert Professorin Jochner-Oette. Über die gesamte Pollensaison hinweg wird daher laufend an ausgewählten Birken im Stadtgebiet von Ingolstadt der noch verbleibende Pollengehalt quantifiziert. Dies ist als Datengrundlage wichtig, um wiederum die Verbreitung der Pollen – zusammen mit Daten zu Wetter und Pollenkonzentration in der Luft – genauer als bislang prognostizieren zu können.
Auch die Bürgerinnen und Bürger selbst können einen Beitrag zu diesem Projekt leisten: Über das bereits etablierte Portal „BAYSICS“ (www.baysics.de) und eine dazugehörende App können Allergikerinnen und Allergiker Informationen zu ihren Symptomen liefern, die wieder mit den gesammelten Messdaten in Bezug gesetzt werden können. „Ziel des Projektes wird es auch sein, eine Risikokarte zu entwickeln, die neben der Verteilung von Birkenpollen auch den Einfluss von Schadstoffen und den thermischen Komfort im städtischen Umfeld berücksichtigen wird“, schildert Professorin Jochner-Oette. „Denn hohe Temperaturen sowie die Schadstoffbelastung haben große Auswirkungen auf die Gesundheit – besonders für Allergiker.“