Sprachbarrieren gehören zu den größten Herausforderungen bei der Begleitung und Integration von Geflüchteten. Eine gelingende Kommunikation ist umso wichtiger, wenn es nicht nur um banale Themen der Alltagsbewältigung geht, sondern um die Verarbeitung von traumatischen Erfahrungen, wie sie viele Geflüchtete gemacht haben. Dolmetscherinnen und Dolmetscher spielen hierbei eine Schlüsselrolle. Mehr als hundert von ihnen hat nun der Lehrstuhl für Klinische und Biologische Psychologie der KU in einem Schulungstraining Hilfestellung für diese Aufgabe gegeben.
Eine bessere psychotherapeutische Versorgung für unbegleitete junge Flüchtlinge ist das Ziel eines Verbundprojektes, das seit mehreren Jahren unter der Leitung von KU-Psychologin Prof. Dr. Rita Rosner durchgeführt wird. Dabei kooperiert ihr Lehrstuhl für Klinische und Biologische Psychologie mit der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universitätsklinikums Ulm, dessen Günzburger Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie II sowie dem Deutschen Jugendinstitut München. Der Name des Projekts ist Programm: „Better Care“. Gefördert werden die Forschenden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Entwickelt und in der Praxisanwendung untersucht wird ein gestufter Versorgungsansatz, der neben einem Screening mit Behandlungsempfehlung und einem präventiven Gruppenprogramm auch eine Trauma-fokussierte Einzeltherapie für unbegleitete junge Flüchtlinge umfasst. Die Besonderheit: Das Projekt findet in der Versorgungslandschaft statt, also in der praktischen Anwendung im Rahmen von Therapiemaßnahmen. Die Screenings und das Gruppenprogramm werden in den Jugendhilfeeinrichtungen durchgeführt, wofür Sozialarbeiter geschult wurden. Die Einzeltherapien werden von niedergelassenen Psychotherapeutinnen und -therapeuten angeboten.
Von Anfang hatte dabei das Team um Professorin Rosner auch die Dolmetscherinnen und Dolmetscher im Blick, die in der Therapie eine wichtige Funktion einnehmen. Dabei handelt es sich mehrheitlich um einen Personenkreis, der nur im Nebenberuf tätig ist und kaum psychologische Expertise hat. Daher bestehe ein großer Bedarf, diesen Beteiligten am Versorgungsauftrag Unterstützung zukommen zu lassen, was sich auch positiv auf die Qualität der Therapie auswirke, erklärt Rita Rosner.
Inzwischen ist die erste Runde der Schulungen erfolgreich abgeschlossen. Insgesamt 129 Dolmetscherinnen und Dolmetscher – vorwiegend aus Bayern und Baden-Württemberg – nahmen das Angebot in Anspruch. „Die Nachfrage war noch größer als wir erwartet haben“, so Rosner. Die Schulung wurde als Onlineangebot per Zoom organisiert. Zunächst vermittelten die KU-Psychologen Hintergrundwissen aus der Forschung. Die Teilnehmenden erhielten Einblicke in Trauma, Flucht, Stress, die Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung und ihre Diagnostik. Anschließend ging es um Rahmenbedingungen für eine gute Zusammenarbeit zwischen Dolmetschenden und Therapeuten. Schließlich erläuterten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die von ihnen entwickelten Module einer Trauma-fokussierten Kognitiven Verhaltenstherapie für Jugendliche. Dabei halfen auch Fallbeispiele mit Videoaufnahmen aus dem von der KU angebotenen Online-Training für Therapeutinnen und Therapeuten, die in der Trauma-fokussierten kognitiven Verhaltenstherapie für Kinder und Jugendliche tätig sind. Übungen und Diskussionen halfen, das gelernte Wissen zu vertiefen.
Die Dolmetscherinnen und Dolmetscher, die an der Schulung teilnahmen, vertraten 36 verschiedene Sprachen, wobei die häufigsten Sprachen geflüchteter Jugendlicher, nämlich Arabisch, Kurdisch, Farsi und Französisch, überrepräsentiert waren. Rund ein Viertel der Teilnehmenden der Schulung hatte eigene Fluchterfahrungen gemacht und kann sich daher aus eigenem Erleben besser in die Situation der jungen Geflüchteten hineinversetzen. Größtenteils waren die Übersetzerinnen und Übersetzer in psychosozialen Angeboten, im Gesundheitswesen sowie in der Asyl- und Migrationsberatung tätig.
„Die Rückmeldungen zu unserem Schulungsangebot waren sehr positiv“, resümiert Rita Rosner. Die Teilnehmer hätten hinterher angegeben, dass sie nicht nur ihr Wissen über eine Posttraumatische Belastungsstörung und die Trauma-fokussierte kognitive Verhaltenstherapie vergrößert habe, sondern sich auch die Zusammenarbeit mit dem Therapeuten dadurch verbessert habe. „Besonders schön war es, die Dankbarkeit und Neugierde dieser häufig nicht ausreichend weitergebildeten wichtigen Gruppe für Therapie mit Sprachbarrieren zu erleben“, so Rosner. Die Möglichkeit, in der Schulung Fragen an klinisches Fachpersonal „auf Augenhöhe“ stellen zu dürfen, sei immer wieder hervorgehoben worden. Ein Bedürfnis der Dolmetscherinnen und Dolmetscher sei in den Diskussionen immer wieder deutlich geworden: über Strategien zu sprechen, wie man professionell mit dem Leid und den Erlebnissen der Patienten umgeht. Der Bedarf und das Interesse an weiteren Schulungen ist groß. Daher denken Rita Rosner und ihr Team derzeit über eine Fortsetzung des Angebots im Raum Ingolstadt nach. Dazu bedarf es aber einer weiteren finanziellen Unterstützung, denn die Förderung für dieses Teilprojekt durch das Bundesforschungsministerium ist ausgelaufen.
Weitere Informationen zum Projekt Better Care finden sich unter www.ku.de/bettercare.
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