STS-Talk: Wie Innovation und Nachhaltigkeit zusammenfinden

Innovation gilt als Schlüssel für Fortschritt. Doch welche Rolle spielt sie in Zeiten ökologischer Krisen, sozialer Ungleichheit und wirtschaftlicher Umbrüche? Und was passiert, wenn Innovationsprozesse selbst zum Problem werden? Diesen Fragen widmet sich der nächste STS-Talk der KU am Montag, 8. Dezember 2025, um 16 Uhr am Marktplatz 7. Unter dem Titel „STS meets STS: Innovationsrückstände als Herausforderung für Nachhaltigkeitstransformationen“ bringt die Veranstaltung Forschende aus dem Feld der „Science and Technology Studies“ (STS) zusammen mit Vertretern der KU-School of Transformation and Sustainability (STS) sowie Akteuren aus der Praxis.

Prof. Dr. Ulrike Felt (Universität Wien) wird über Innovationsrückstände referieren. Mit der Frage, wie konservativ Innovation sein sollte, befasst sich anschließend Prof. Dr. Sebastian Pfotenhauer (TU München). In einer Diskussionsrunde treffen zudem Dr. Matthias Konrad, Mitglied der Geschäftsleitung bei der Bayern Innovativ GmbH, Jana Hollmann, Gründungsberaterin bei der Social Entrepreneurship Akademie und Prof. Dr. Hans-Martin Zademach, Professor für Wirtschaftsgeographie an der KU, aufeinander. Den Rahmen der Veranstaltung bilden Prof. Dr. Harald Pechlaner und Prof. Dr. Norbert Paulo, Founding bzw. Vice Chair der STS an der KU. Hier geben die beiden im Interview einen Vorabeinblick, wie aus Sicht der STS nachhaltige Innovation gedacht und gestaltet werden muss.

Prof. Dr. Harald Pechlaner, Founding Chair der STS
Prof. Dr. Harald Pechlaner, Founding Chair der STS

Inwiefern hängen Innovation und Nachhaltigkeit zusammen?

HARALD PECHLANER: Innovation und Nachhaltigkeit sind eng miteinander verknüpft, denn innovative Prozesse sind entscheidend, um ökologische, soziale und ökonomische Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Innovationen beeinflussen stets auch Gesellschaft und Umwelt, weshalb ihre Auswirkungen angesichts globaler Krisen nicht mehr ignoriert werden können. Deshalb ist es wichtig, nicht nur über Nachhaltigkeit zu forschen, sondern wissenschaftliche und technologische Entwicklungen selbst nachhaltig zu gestalten.

Wissenschaft, Technologie und Gesellschaft sind dabei nicht voneinander zu trennen. Welche Innovationen entstehen und welche Folgen sie haben, wird wesentlich durch gesellschaftliche Werte, politische Rahmenbedingungen und öffentliche Diskurse geprägt. Damit Innovation tatsächlich zu nachhaltiger Entwicklung beiträgt, müssen ihre Konsequenzen für Mensch und Natur systematisch berücksichtigt und in politische Strategien integriert werden. Das Soziale bildet somit die zentrale Schnittstelle: Nur gesellschaftlich eingebettete und reflektierte Innovationsprozesse können langfristig nachhaltige Ergebnisse hervorbringen.

Prof. Dr. Norbert Paulo, Vice Chair der STS
© Petra Hemmelmann Prof. Dr. Norbert Paulo, Vice Chair der STS

Wie muss Innovation aussehen, die eine Nachhaltigkeitstransformation stützt und ermöglicht?

NORBERT PAULO: Eine Innovation, die eine Nachhaltigkeitstransformation ermöglicht, muss gesellschaftlich eingebettet sein und darf nicht nur technologisch oder wirtschaftlich betrachtet werden. Aus Sicht der Science and Technology Studies (STS) bedeutet dies, Innovation als Praxis zu verstehen. Dabei wird untersucht, wie Innovation konkret umgesetzt wird, welche Akteurinnen und Akteure daran beteiligt sind und welche Werte sie leiten.

Nachhaltige Innovation entsteht dort, wo anerkannt wird, dass die bestehenden Wirtschafts- und Effizienzlogiken die ökologischen Krisen nicht lösen können. Sie erfordert daher alternative Wirtschaftsmodelle, neue Formen der Zusammenarbeit und eine Abkehr von rein wachstumsorientierten Maßstäben. Von besonderer Bedeutung sind dabei soziale Innovationen, da sie Verhaltens- und Strukturänderungen ermöglichen und gesellschaftliche Akzeptanz für tiefgreifende Transformationen schaffen.

Damit Innovation tatsächlich transformativ wirkt, muss sie inklusiv sein. Je mehr Menschen und gesellschaftliche Gruppen am Wandel beteiligt sind, desto demokratiefester und tragfähiger wird der Transformationsprozess. Genau hier setzt die School of Transformation and Sustainability der KU an, die passenderweise auch als „STS” abgekürzt wird. Durch ihre Projekte und Lehrformate zeigt sie, dass nachhaltige Innovation nur gelingt, wenn wissenschaftliche Erkenntnisse, lokale Erfahrungen und gesellschaftliche Bedürfnisse zusammengeführt werden.

Für welche gesellschaftlichen und politischen Akteure ergeben sich hieraus welche Desiderate?

HARALD PECHLANER: Die Verbindung von Innovation und Nachhaltigkeit stellt unterschiedliche Anforderungen an Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Politische Akteure müssen Governance-Strukturen schaffen, die nachhaltige Innovationen ermöglichen und zugleich potenzielle unbeabsichtigte Folgen frühzeitig berücksichtigen. Unternehmen stehen vor der Aufgabe, Wertschöpfung nicht nur ökonomisch, sondern auch ökologisch und sozial zu definieren. Zivilgesellschaftliche Akteure tragen wiederum dazu bei, Werte, Erwartungen und gesellschaftliche Leitbilder auszuhandeln, die Innovationen prägen.

Ein anschauliches Beispiel aus dem Bereich der Digitalisierung ist der Einsatz von KI im öffentlichen Sektor. KI kann Verwaltungsabläufe effizienter gestalten, den Energieverbrauch optimieren und die Mobilität nachhaltiger machen. Gleichzeitig entstehen Risiken wie algorithmische Diskriminierung, Intransparenz oder ein hoher Ressourcenverbrauch durch Rechenzentren.

Daraus ergeben sich klare Desiderate: Die Politik muss regulatorische Rahmenbedingungen schaffen, die Transparenz, Datenschutz, Energieeffizienz und demokratische Kontrolle sicherstellen; Unternehmen müssen verantwortungsvolle Entwicklungsprozesse implementieren, die ökologische und soziale Auswirkungen systematisch berücksichtigen, beispielsweise durch „Green AI“ oder partizipative Designverfahren; Gesellschaftliche Akteure benötigen Räume und Formate, um über Werte, Risiken und gewünschte Einsatzbereiche von KI mitzuentscheiden. Gerade das Beispiel der Digitalisierung zeigt: Nachhaltige Innovation ist nur möglich, wenn technische Entwicklung, ethische Reflexion und gesellschaftliche Teilhabe gemeinsam gestaltet werden.