Symposion zur Rezeption der Liturgiereform in den männlichen Ordensgemeinschaften des deutschen Sprachgebietes

Vom 4. bis 6. April fand im Stift Klosterneuburg ein liturgiewissenschaftliches Symposion zur Erforschung der Rezeption der Liturgiereform des zweiten Vatikanischen Konzils in den männlichen Ordensgemeinschaften des deutschen Sprachgebietes statt.

Die Tagung stand im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten und auf mehrere Jahre angelegten Forschungsprojektes in Kooperation zwischen den Lehrstühlen für Liturgiewissenschaft der KU Eichstätt-Ingolstadt, vertreten durch Prof. Dr. Jürgen Bärsch, und der LMU München, vertreten durch Prof. Dr. Winfried Haunerland, sowie der Professur für Liturgik, Homiletik und Dogmatik der Religionspädagogischen Fakultät der KU Eichstätt-Ingolstadt, vertreten durch Prof. Dr. Florian Kluger.
Nach einer ersten Studientagung im Jahr 2020 in Beuron und einer zweiten, coronabedingt digitalen, war die Tagung in Klosterneuburg die dritte und abschlie-ßende Veranstaltung.

Im Anschluss an eine kurze Übersicht über den Stand der Arbeiten an den Qualifikationsschriften, die im Zusammenhang mit dem Forschungsprojekt entstehen, und dem aus dem Projekt erwachsenden Sammelband verband Prof. Dr. Andreas Redtenbacher am ersten Abend einen skizzenhaften Überblick über die Rezeption der Liturgiereform im Stift Klosterneuburg aus Anlass des 100jährigen Jubiläums der ersten „volksliturgischen Messe“, die Pius Parsch am Himmelfahrtstag des Jahres 1922 in der Kirche St. Gertrud in Klosterneuburg gefeiert hatte, mit einer kurzen Würdigung dieses Ereignisses

Der Vormittag des Dienstags stand ganz im Zeichen des Deutschen Ordens. Prof. Dr. Ewald Volgger OT (Katholische Privatuniversität Linz) gab einen beeindruckenden Einblick in seine über dreißigjährige Forschungsarbeit zur Liturgie des Deutschen Ordens und prägte auch die weitere Diskussion im Verlauf der Tagung durch die Fragestellung, ob es sich bei der Eigenliturgie des Deutschen Ordens tatsächlich um einen Ritus oder eher einen Usus handelt.
Der anschließende Vortrag von Elena Deinhammer, Assistentin am Institut für Liturgiewissenschaft und Sakramententheologie in Linz, gab erste Einblicke in die Rezeption des Marienoffiziums im Deutschen Orden.

Am Nachmittag gewährte DDr. Peter Wiesflecker (Steiermärkisches Landesarchiv Graz) den Teilnehmern einen „speziellen Blickwinkel“ auf das Thema. Aus der Perspektive des Historikers, Kanonisten und Archivars stellte er die Rezeption der Liturgiereform in der Abtei St. Gabriel der Beuroner Benediktinerinnen auf Schloss Bert-holdstein in der Oststeiermark vor, an deren Beispiel er mit vielen O-Tönen erläuterte, wie man dort mit den Herausforderungen der bewegten Zeit kurz vor und vor allem nach dem Konzil umging.
Prof. Dr. Josip Gregur (Universität Augsburg) gab einen Einblick in die Liturgie und Reform bei den Salesianern Don Boscos. Als eine Kongregation, die sich stark an der Kirche und den römischen Vorgaben orientiert, war es für die Salesianer selbst-verständlich, die erneuerte Liturgie zu übernehmen, auch wenn dafür eigenen Traditionen über Bord geworfen werden mussten. Insofern verlief die Umsetzung hier ohne große Diskussionen.
Anschließend zeigte Prof. Dr. Jürgen Bärsch in historischen Schlaglichtern am Beispiel der Stunden- und der Messliturgie die gottesdienstliche Erneuerung in der Benediktinerabtei Gerleve im Münsterland auf.

Selbstverständlich stand auch eine Führung durch das Stift mit seiner über 900jährigen Geschichte auf dem Programm, die mit der Feier der Vesper vor dem Verduner Altar, geleitet von Dr. Christian Rensch und musikalisch gestaltet von Martin Fischer, abschloss.

Für den Abend hatte der Administrator des Stiftes Klosterneuburg, Prälat Maximilian Fürnsinn, zum Kamingespräch eingeladen und schilderte sein ganz persönliches Erleben der Veränderungen im Rahmen der Liturgiereform.

In der abschließenden Arbeitseinheit am Mittwochvormittag präsentierte Br. Johannes Maria Pfister (Näfels) sein Dissertationsprojekt, das die Liturgiereform in ausgewählten franziskanischen Frauengemeinschaften untersucht, in denen er schon zu Beginn der Forschungen eine deutlich ungleichzeitige Entwicklung wahrnimmt. 

Damit war schon ein erster Anknüpfungspunkt für die Auswertung der Tagung gegeben: Das Forschungsprojekt, das von Anfang an unter der Überschrift „Liturgie und Orden“ stand, soll, nachdem der Fokus zuerst auf den männlichen Ordensgemeinschaften lag, nun mit der Untersuchung der Umsetzung der Liturgiereform in den weiblichen Ordensgemeinschaften fortgesetzt werden.
Als ein wichtiges Ergebnis aus den Beiträgen der Tagung sieht Florian Kluger die Pluralität der Rezeptionsprozesse, „die sich durch die Vielgestalt der spirituellen, rechtlichen, regionalen und geschichtlicher Hintergründe der einzelnen Orden ergeben“.
Bärsch sieht eine Beobachtung, die durchgängig durch die verschiedenen Beiträge feststellbar war: „Offensichtlich ist es für die konkrete Rezeption der Reform auf be-stimmte personelle Konstellationen angekommen. Von daher stellt sich die Frage, inwiefern es Protagonisten gegeben hat, die eine prägende Funktion hatten und die man noch in eigener Weise wissenschaftlich betrachten müsste.“
Als ein weiteres Fazit sieht er die Einordnung der leitenden Fragestellung: „Die Frage nach liturgischer Erneuerung ist eigebettet in einen viel größeren Prozess von Veränderungen gesellschaftlicher und kirchlicher Art.“
Als ein lohnendes Forschungsfeld macht Winfried Haunerland aus, auch über die "sozio-ökonomischen Voraussetzungen von Liturgiereform sehr gezielt nachzudenken. Vielleicht erklärt sich daraus, warum manches eine Dynamik entwickelt oder auch nicht entwickelt.“
Als ein wichtiges Ergebnis des Forschungsprojekts wird eine Dokumentation als Sammelband in der von Winfried Haunerland als Schriftleiter betreuten Reihe „Studien zur Pastoralliturgie“ im Verlag Friedrich Pustet herausgegeben, der die Band-breite der Studien und die Pluralität der Entwicklungen wiedergibt. Voraussichtlicher Erscheinungstermin ist im Herbst/Winter 2022/23.
(Brigitte Doege)