Theologie und Philosophie des Nikolaus von Kues als Zeitansage

Die Philosophie und Theologie des Nikolaus von Kues (1401-1464), Cusanus genannt, in der gegenwärtigen Zeit zu besprechen, rechtfertigt nicht nur historisches Interesse. Eine dreitägige interuniversitäre Tagung an der KU lotete neue Ansätze zur Spiritualität im Lichte des Cusanischen Denkens aus.

„Wir haben die Gewissheit, dass Nikolaus von Kues bereits im Rahmen seiner Legationsreise in den Jahren 1451/52 den damaligen Episcopus Eystettensis Johannes III. von Eych (1404-1464) in diesem episkopalen Altmühlstädtchen traf. […] Diese Verbindung zwischen Cusanus und Johannes III. belegt auch eine umfangreiche Korrespondenz zwischen beiden, die nicht unerheblich zur Reform des damaligen Fürstbischöflichen Hochstift Eichstätts beitrug“, erklärte Gastgeber Prof. Dr. Dr. Erwin Möde (Inhaber der beiden Lehrstühle für Christliche Spiritualität und für Pastoraltheologie an der Theologischen Fakultät der KU) die angereisten Tagungsteilnehmerinnen und -teilnehmer. Es hat also durchaus seine Begründung in der Geschichte, ausgerechnet in Eichstätt eine Cusanus-Tagung zu veranstalten. Diese wurde gemeinsam mit Prof. Dr. Dr. Michael Eckert, Ordinarius für Fundamentaltheologie an der Eberhard Karls Universität Tübingen, konzipiert und versammelte profilierte Cusanus-Forscher, Nachwuchswissenschaftler, Studierende und Interessierte. In insgesamt fünf Sektionen mit 14 Fachvorträgen und einem öffentlichen Abendvortrag wurden neue Ansätze zur Spiritualität besprochen, die sich aus Cusanus‘ Theologie und Philosophie speisen.

Cusanus wurde 1401 in Kues bei Trier geboren und studierte 1417 bis 1423 in Heidelberg und Padua, wo er sich im Kirchenrecht erfolgreich promovierte. Er wirkte als Berater des Konzils von Basel und mehrerer deutscher Reichstage sowie als Bischof von Brixen. Cusanus starb 1464 in der umbrischen Stadt Todi. Sein wissenschaftliches Interesse galt jedoch nicht allein dem kanonischen Recht, so dass er sich an der Universität Köln mit naturwissenschaftlichen, philosophischen und theologischen Studien beschäftigte. Dabei kam er mit wichtigen Vertretern des Humanismus seiner Zeit in Verbindung, durch dessen Ideale angespornt ihm der Ruf eines eifrigen Reformers der Kirche vorauseilte.

Ein Spezifikum Cusanus‘ waren seine Analysen zum Selbstverständnis und zu den Erfordernissen seiner Zeit. Diese Ansätze korrelierte er mit ihm zugänglichen zeitgenössischen Schriften wie auch mit Quellen der Spätantike, des Hoch- und Spätmittelalters. Sein Denken war damit auf beeindruckende Weise in philosophischen Traditionen fundiert und stand zugleich mit den Geschehnissen einer im Umbruch befindlichen Epoche, wie beispielsweise die Eroberung Konstantinopels durch die Türken (1453), in Korrespondenz. Viele seiner Gedankengänge wurden so, an der Schwelle zur Neuzeit, zu einer „Zeitansage“ für Kirche und Gesellschaft. Darüber hinaus wurde Cusanus durch zahlreiche philosophische Publikationen zum „wichtigsten Mittelglied zwischen Eckhart und Leibniz“ – somit zu einer Art Vermittler zwischen einer mittelalterlichen Seins-Metaphysik und neuzeitlicher Bewusstseinsphilosophie.

Die Tagung setzte sich ausgehend vom philosophischen und theologischen Oeuvre des Nikolaus von Kues das Ziel, neue Ansätze zu Grundlagen und Formen einer Spiritualität von heute zu finden. Die Zugangswege der einzelnen Vorträge reichten dabei von der Psychologie, über die Theologie und Philosophie bis hin zur Geschichtswissenschaft, so dass sich ein fruchtbares interdisziplinäres Arbeiten einstellte.

In seinem öffentlichen Gastvortrag beschäftigt sich P. Dr. Cosmas Hoffmann OSB (Subprior der Abtei Königsmünster und Dozent an der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Augustin) mit  in seinem öffentlichen Gastvortrag mit dem Ringen nach Liebes- und Erkenntniskraft in Cusanus' Werk, dem klassischen Zugang der mystischen Theologie, welcher bis in die gegenwärtige Zeit durch Theologen wie Karl Rahner ausbuchstabiert wird.

Die in Wien ansässige Theologin Dr. Martina Roesner, die zu Bibelkommentierungen bei mittelalterlichen Denkern forscht, wählte einen anthropologisch-philosophischen Zugang. Mit der Frage nach dem „Maximum des Menschseins“ fragte sie nach der Wahrheit als Motiv der menschlichen Vernunft. Eine auf Cusanus basierende Spiritualität sei eine dem Menschen dienende Spiritualität des Alltäglichen, die endliches Handeln an der absoluten Möglichkeit des Absoluten ausrichtet.

Sebastian Kießig, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Pastoraltheologie, stellte in seinem praktisch-theologischen Impulsvortrag ausgehend vom Traktat De concordantia catholica des Cusanus eine Theorie vom Zusammenleben der spätmittelalterlichen Menschen im Reich und in der Kirche vor. Kießig erörterte die innovative Idee des Cusanus einer zu kodifizierenden, gleichberechtigten Rechtsstellung eines jeden Menschen in Verbindung mit dem Ziel, in Gemeinschaft mit der Kirche zur Koninzidenz, einen inneren, wesensmäßigen Einheit, zuzustreben.

Nikolaus von Kues wird mit seinen vielfältigen philosophischen und theologischen Schriften noch in der heutigen Zeit intensiv besprochen. Seine Gedanken sind als Zeitansage auch in gegenwärtige Fragen der Spiritualität, Philosophie und Theologie transformierbar. Ein Tagungsband unter der Herausgeberschaft Erwin Mödes, der u.a. die Vorträge der Tagung aufnimmt, erscheint im Frühjahr 2017 im Regensburger Pustet-Verlag.

Marco Kühnlein/Sebastian Kießig