Über Blicke mit autonomen Fahrzeugen kommunizieren
Bei alltäglichen Handlungen blicken wir häufig schon – im wörtlichen Sinn – vorausschauend beispielsweise zu Gegenständen, die für den nächsten Schritt benötigt werden. Diese antizipativen Blickbewegungen stehen aktuell im Zentrum eines Forschungsprojektes von Juniorprofessorin Dr. Christina Pfeuffer, das die Reaktion von Passagierinnen und Passagieren auf die Fahrweise autonomer Fahrzeuge untersucht. Die Psychologin hat an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt die Juniorprofessur für Human-Technology Interaction inne.
Die Probandinnen und Probanden der Studie absolvieren dabei mehrere Touren in einer simulierten Fahrsituation. Auf einem Bildschirm sehen sie gewissermaßen durch die Windschutzscheibe nach vorn auf die Fahrbahn. Dabei wechseln sich Phasen mit aktiven und passiven Touren ab: Einmal müssen die Versuchspersonen mit einem Lenkrad selbst in eine Kurve steuern, ein anderes Mal bewegt sich das Lenkrad wie von Geisterhand und korrigiert selbstständig die Fahrtrichtung, so wie es auch ein autonomes Fahrzeug tun würde. Mit einem speziellen Eye-Tracking-System werden dabei jeweils die Augenbewegungen der Probandinnen und Probanden erfasst, zusätzlich müssen sie nach jeder Fahrsituation ihr persönliches Sicherheitsempfinden einschätzen. Zum Hintergrund erklärt Juniorprofessorin Pfeuffer: „Wenn wir uns mit dem Auto einer Kurve nähern, ist ein typisches Blickbewegungsmuster zu beobachten. Wir schauen etwa ein bis zwei Sekunden vor Einfahrt in die Kurve bereits in einen Bereich um den Tangentialpunkt der Kurve. Es wird angenommen, dass solche vorausschauenden Blickbewegungen der Vorbereitung und Durchführung geeigneter Lenkbewegungen dienen.“ In der aktuellen Studie interessiert Pfeuffer nun, inwieweit solche Augenbewegungen bei Passagierinnen und Passagieren, die selbst fahren beziehungsweise in einem autonomen Fahrzeug sitzen, deren aktuelles Sicherheitsempfinden widerspiegeln.
Zwar habe es bereits erste Studien gegeben, in denen die Blickbewegungen beim bei aktiven und autonomen Fahrten verglichen wurden, weit verbreitet seien sie jedoch noch nicht. „Zudem wurde bisher noch nicht thematisiert, wie sich Blickbewegungen nutzen lassen, um dem System Rückmeldungen zu geben und die Fahrweise an das Sicherheitsempfinden anzupassen“, so Pfeuffer. Gerade für die Übergangsphase hin zu autonomer Mobilität sei es wichtig, dass sich Personen, die es gewohnt sind, selbst zu lenken, dennoch sicher fühlen.
Bei den Versuchen wechseln sich Phasen mit aktiven und passiven Touren ab: Einmal müssen die Versuchspersonen mit einem Lenkrad selbst in eine Kurve steuern, ein anderes Mal bewegt sich das Lenkrad wie von Geisterhand und korrigiert selbstständig die Fahrtrichtung.
In dieser Studie untersucht Pfeuffer daher, wie früh bzw. spät und wie lange Fahrerinnen und Fahrer beim aktiven oder autonomen Fahren ihren Blick vor Einfahrt in eine Kurve in den Bereich um den Tangentialpunkt der Kurve richten und ob sich in diesen Blickbewegungen das Sicherheitsempfinden der Versuchspersonen widerspiegelt. „Dabei manipulieren wir beispielsweise die Anfahrtsgeschwindigkeit auf die Kurve. Wir erwarten, dass der Zeitpunkt und die Dauer von Blickbewegungen nicht nur beim aktiven, sondern auch beim passiven Fahren das Sicherheitsempfinden der Versuchspersonen abbildet.“ Sollte sich dies bestätigen, könnten beispielsweise autonome Fahrzeuge der Zukunft über Blickbewegungen in entsprechenden Fahrsituationen das Sicherheitserleben der Insassen beurteilen und ihre Fahrweise entsprechend anpassen, damit sich die Nutzerinnen und Nutzer während der autonomen Fahrt so wohl wie möglich fühlen.
Die geplante Zahl der Probandinnen und Probanden der noch laufenden Studie ist zwar noch nicht geeignet, um allgemeingültige Schlüsse ziehen zu können. Im Sinne einer Grundlagenforschung wird sie jedoch Anknüpfungspunkte für weitere Forschung bieten. Die Psychologin schildert: „Die grundlegende Herausforderung für die Forschung und Umsetzung in der Praxis besteht darin, dass sich Blickmuster bei Menschen in bestimmten Situationen zwar stark ähneln, aber dennoch individuell sind.“
Mit einem speziellen Eye-Tracking-System werden die Augenbewegungen der Probandinnen und Probanden erfasst, zusätzlich müssen sie nach jeder Fahrsituation ihr persönliches Sicherheitsempfinden einschätzen.
Eye-Tracking werde generell als relativ direktes Maß für Aufmerksamkeit bzw. Aufmerksamkeitsverlagerungen angesehen. Wichtig sei es dabei, zu klären, welche Verarbeitungsprozesse jeweils genau ablaufen. „Allein die Tatsache, dass eine Person einen bestimmten Punkt betrachtet, erlaubt noch wenig eindeutige Rückschlüsse darüber, welche Verarbeitungsprozesse entsprechend im Gehirn ablaufen. Um diese zu erschließen, muss man Experimente entsprechend geschickt gestalten, so dass sie es erlauben, verschiedene mögliche Prozesse voneinander abzugrenzen.“ Für allgemeingültige Aussagen sei es auch immer essentiell, dass eine entsprechend große Mindestanzahl von Personen untersucht wird und Stichproben möglichst divers und repräsentativ für die Allgemeinbevölkerung sind. Häufig kann dies in Einzelexperimenten nicht erreicht werden, weswegen eine Reihe von Experimenten notwendig ist, um ein umfassendes Bild zu gewinnen.
In ihrer bisherigen Forschung hat sich Juniorprofessorin Pfeuffer generell mit antizipativen Blickbewegungen im Hinblick auf die Vorwegnahme (Antizipation) von Konsequenzen des eigenen Handelns beschäftigt. Wenn Versuchspersonen etwa per Knopfdruck ein Lichtsignal erzeugen, wurde untersucht, ob die Probandinnen und Probanden schon vorab auf die erwartete Stelle des Signals blicken. Beim Autofahren seien solche Kopplungen von Blickbewegungen und Handlungssteuerung besonders ausgeprägt, da Lenkaktionen und die aktuelle Position des Fahrzeugs, die wir durch unsere Augenbewegungen erfassen, laufend miteinander koordiniert werden müssen. Auch hier spielen Erwartungen dazu, wie sich das Fahrzeug entsprechend von Lenkaktionen verhalten wird, eine zentrale Rolle.
Doch auch im Bildungsbereich sieht Frau Pfeuffer mögliche Anwendungsfelder für die Übertragung von Erkenntnissen ihrer Grundlagenforschung in die Praxis – zum Beispiel im Hinblick auf die Ermittlung und Rückmeldung impliziter Einschätzungen der eigenen Leistungen zur Unterstützung des Lernerfolges. Zudem könnten sich in Zukunft auch weitere Perspektiven bieten, um beispielsweise Menschen mit motorischen Einschränkungen Unterstützung im Alltag anbieten zu können, indem entsprechende technische Systeme ihre Blickbewegungen aufgreifen und daraus ihre Intentionen ableiten.
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