Anhand der offiziellen Abkommen der Europäischen Union schilderte Beyer, dass auch nach dem Vertrag von Lissabon sozialpolitische Aspekte zwar im Sinne politischer Absichtserklärungen ein Thema seien, jedoch nicht folgenreich für die eigentliche Rechtsordnung gewesen wären. So werde zwar erstmals explizit die soziale Marktwirtschaft als wirtschaftliche Grundlage genannt, jedoch habe nach wie vor in der Praxis der freie Markt Vorrang: „Das Einschreiten des Staates bleibt weiterhin die Ausnahme“, erklärte Beyer. Der Grundsatz der sozialen Marktwirtschaft sei auf EU-Ebene nicht einklagbar oder verbunden mit Teilhabe oder Leistungsansprüchen. Soziale Dienste würden in erster Linie aus wettbewerbsrechtlicher Perspektive bewertet, ohne deren Gemeinwohlorientierung anzuerkennen bzw. die Ziele ihres Wirtschaftens differenzierter zu untersuchen.
„Auch nach dem Vertrag von Lissabon befindet sich die EU nicht auf dem zu einem sozialen Rechtsstaat“, so Beyer. So sei die Bekämpfung von Armut zwar als ein Leitziel der EU definiert worden, jedoch seien den Mitgliedsstaaten hierfür mehrere Indikatoren zur Auswahl gestellt worden, an denen gemessen werde, ob das Ziel auf nationaler Ebene erreicht werde. „Jeder Mitgliedsstaat ist hier frei, welchen Indikator er für sich wählt.“ Dieser Ansatz umfasse keine spezifische Armutsbekämpfungspoltik. „Ein europäisches Sozialmodell ist derzeit allenfalls in der Entwicklung. In diesem Bereich gibt es zwar viele Worte, jedoch nach wie vor keine Fakten oder eine Rechtsetzungskompetenz auf EU-Ebene“, resümierte Beyer.