Anlässlich des transdisziplinären Seminars „Alles fließt“ las Zsuzsa Bánk am 11.06.2024 im Holzersaal in der Sommerresidenz aus ihrem im Jahr 2002 veröffentlichen Debütroman "Der Schwimmer" vor einem vollen Saal. Anschließend fand eine Podiumsdiskussion zwischen der Autorin, der Literaturwissenschaftlerin Friederike Reents, dem Soziologen Joost van Loon (beide KU) und der Umweltethikerin und Moraltheologin Kerstin Schlögl-Flierl (Universität Augsburg) statt.
Bevor Zsuzsa Bánk das Publikum auf eine Reise in das Ungarn der 1950er und 60er Jahren mitnahm und in die Geschichte der von der Mutter verlassenen Geschwister Isti und Kata am charakteristischen Schauplatz des Balatons eintauchte, machte Friederike Reents das farb- und formlose, doch für den Roman handlungstragende Element Wasser für die Zuhörenden kulturhistorisch sichtbar. Dass sich die literarische Verarbeitung von Wasser erheblich unterscheiden kann, zeigte die Literaturwissenschaftlerin, indem sie Bánks Roman Der Schwimmer mit dem Drama Das Wasser von Kathrin Röggla verglich, das ebenfalls Gegenstand des transdisziplinären Seminars mit Studierenden aus Eichstätt und Augsburg war. Anders als in dem Stück von Röggla ist das Wasser bei Bánk sehr viel subtiler vorhanden. Auch die Autorin bekannte in der anschließenden Diskussion, selbst nicht zu wissen, wofür das Element in ihrem Schreiben stehen könnte. Dies herauszufinden, sei Aufgabe von der Literaturwissenschaft, so Bánk. Sie habe beim Schreiben ihrer Texte keine Deutung im Kopf.
Der Schwimmer erzählt aus der Perspektive der Tochter, die ihren Bruder, aber auch den Vater sehr genau beobachtet. Dieser taucht immer wieder in depressive Zustände ab, seine Kinder sind ihm oft nur Anhängsel, die er auf verschiedenen Stationen durch das Ungarn von 1956 mitnimmt. Die drei erleben aber auch einige wenige unbeschwerte Momente – und zwar dann, wenn sie zusammen am beziehungsweise im Wasser sind. Als Isti unbedingt das Schwimmen lernen wollte, hat der Vater beide Kinder kurzerhand „gepackt, in den See geworfen und gerufen, schwimmt.“ Auf die Frage von Außenstehenden, warum die Kinder schwimmen lernen müssen, antwortet er lediglich mit den Worten „sie müssen eben.“ Der Soziologe Joost van Loon wollte dahingehend von der Autorin wissen, ob der See bei dieser Szene eine „Entfremdung“ repräsentiere. Dem entgegnete Zsuzsa Bánk, sie würde keine Psychologisierungen vornehmen, ausschließlich Handlungen und keine Gemütszustände in ihren Werken beschreiben. Ihre Figuren seien ihr manchmal selbst so fremd, sie sei nicht im Stande, deren „Herzlabyrinthe“ zu entwirren – und wolle das auch nicht. Dass gerade auch das Element Wasser unergründliche und überraschende Wendungen herbeiführt, lässt sich im Roman auch ausgerechnet am Schicksal von Isti sehen, dessen Begeisterung für Wasser am Ende zu seinem viel zu frühen Tod führt.
In der Podiumsdiskussion hob die Augsburger Moraltheologin Kerstin Schlögl-Flierl die wunderbar fließende Sprachmelodie des Werkes hervor, was die Autorin zu überraschen schien. Seit ihrem Debütroman habe sie ihre Sprachkomposition noch weiter verfeinert und schreibe heute sehr viel melodischer, in den bei ihr charakteristischen langen und verschachtelten Sätzen. In Der Schwimmer könne die Sprachform jedoch auch an der kindlichen Erzählinstanz des Frühwerks liegen, gab Friederike Reents aus literaturwissenschaftlicher Perspektive zu Bedenken.
Auch wenn die Autorin nach eigenen Aussagen bis zu einem gewissen Grad den Bezug zu ihrem vor 22 Jahren erschienenen, mehrfach preisgekrönten Debütroman verloren hat, schien er – und auch ihr weiteres Werk – bei den Lesern und Leserinnen seine Wirkung nicht verfehlt zu haben. Nach Lesung und Podiumsdiskussion bildete sich eine lange Schlange an dem Büchertisch und Zsuzsa Bánk signierte bereitwillig ihre jüngeren, aber auch ihre frühen Werke – von Der Schwimmer über Die hellen Tage bis hin zu ihrem aktuellen Roman Sterben im Sommer, der vom Tod ihres Vaters erzählt.
Paula Radnitz