In einem Manuskripteintrag aus der Zeit um 1500 spekuliert Leonardo da Vinci über eine gigantische Kanone, welche die Erde als Projektil ans Ende der Planetensphären schießen könnte. Die Erzeugung superlativischer mechanischer Kräfte und die großräumliche technische Veränderung der Erdoberfläche beschäftigen Leonardo in denselben Jahren. Zugleich entwickeln sich seine punkttheoretischen Meditationen und deren malereitheoretisches Pendant, wonach die Malerei auf nichts anderem als auf dem unteilbaren, unsichtbaren Punkt beruhe. Gleichwohl ist die Malerei für Leonardo die Kulturtechnik, deren Kraftwirkung alle anderen Repräsentationsformen übertrifft. Mein Vortrag versucht, die scheinbar disparaten Stränge zusammenzuführen und fragt nach der Dynamik von Punkt, Malerei und Technik im Horizont der Transgression.
Prof. Dr. Frank Fehrenbach war von 2005 bis 2013 Senior Professor an der Harvard University und ist seither als Professor für Kunstgeschichte an der Universität Hamburg tätig. Ihm sind weithin rezipierte Beiträge zur Wissen(schaft)sgeschichte der Künste zu verdanken - insbesondere zu Optik, Lebendigkeit und Kraft. 1997 publizierte er ein Buch mit dem Titel Licht und Wasser. Zur Dynamik naturphilosophischer Leitbilder im Werk Leonardo da Vincis; weitere Forschungen zu Leonardo legte er in dichter Folge vor. Schon 2008 erschien eine Studie zu Gianlorenzo Berninis ’Fontana dei Quattro Fiumi’ und Nicola Salvis ’Fontana di Trevi’, und unlängst, 2020, ein viel beachtetes Werk Quasi vivo. Lebendigkeit in der italienischen Kunst der Renaissance. Von 2013 bis 2018 leitete er eine Forschungsstelle Naturbilder /Images of Nature; seit 2019 ist er Co-Sprecher der DFG-Kollegforschungsgruppe Imaginarien der Kraft.
Wann: Do, 26.10.2023 um 18:30 Uhr s.t.
Wo: Holzersaal in der Sommerresidenz (im ersten Stock)