Wie Billigmilch zu Hunger führt: Nachhaltigkeit im Zeichen von Laudato Sí

Das Verhältnis von Welternährung, sozialer Gerechtigkeit und Frieden stand im Zentrum einer Podiumsdiskussion, die im Rahmen des Projektes „Laudato Sí – Die päpstliche Enzyklika im Diskurs für eine Große Transformation“ von Katholischer Universität Eichstätt-Ingolstadt und der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) stattfand. Zu den Teilnehmerinnen des Podiums gehörte unter anderem Dr. Beatrix Tappeser (Staatssekretärin im Hessischen Landesministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz). Unter den Zuhörern waren unter anderem auch Prof. Dr. Dr. hc. mult. Hartmut Graßl (Vorstandsvorsitzender der VDW) und Bischof Dr. Thomas Dabre aus dem Eichstätter Partnerbistum Poona (Indien).

Prof. Dr. Ingrid Hemmer, Nachhaltigkeitsbeauftragte der KU und Moderatorin der Veranstaltung, verdeutlichte in ihrer thematischen Hinführung, dass ökologische Fragen von ökonomischen und sozialen Fragen nicht zu trennen seien. Deshalb handle es sich bei Laudato Si’ nicht um eine reine Umwelt-, sondern um eine öko-soziale bzw. Nachhaltigkeitsenzyklika. Für die Annäherung an Fragen der Ernährung sei eine globale Sicht erforderlich, sie beträfen jeden aber auch ganz persönlich im Alltag

Dr. Angelika Hilbeck (Department Umweltwissenschaften/Institut für integrative Biologie an der ETH Zürich) kritisierte in ihrem Impulsvortrag die Monopolisierung der Chemie-, Pharma-, Saatgut- und Futtermittelindustrie – auch vor den Hintergrund der aktuell laufenden Diskussion um das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat. Industrielle Landwirtschaft ernähre Menschen nur mittelbar mit fragwürdigen „Rearrangements“ von Getreide und Soja. Ein Lösungsansatz bestehe in einer integralen Ökologie, so Hilbeck.

Als Beispiel für die für die Verknüpfung von ökologischen und sozialen Anforderungen ging Staatssekretärin Dr. Beatrix Tappeser auf die augenblickliche Entwicklung im Milchsektor ein.  Nötig sei ein Bewusstseinswandel weg  von der 39-Cent-Milchtüte hin zu regionalen Qualitätsprodukte. Der Import von Futtermitteln führe zu ökologischen und sozialen Verwerfungen in den Exportländern. Deutschlands Export von bspw. Milchpulver führe wiederum zu Problemen für die Landwirtschaft in den Importländer.

Wiltrud Rösch-Metzler, Bundesvorsitzende von Pax Christi und exponierte Akteurin der Friedensarbeit, plädierte für eine gerechtere Verteilung der Einkommen und Ressourcen innerhalb der einzelnen Staaten und untereinander als Voraussetzung für Frieden auf der Welt. Die Friedensaktivistin erläuterte zudem die Zusammenhänge des Verlustes von Lebensräumen, Erschöpfung bestimmter Ressourcen, wie auch Nahrungsmittel und Wasser, und daraus resultierender Konflikte, Kriege und Fluchtbewegungen.

In der anschließenden Podiumsdiskussion fragte Lisa Amon (Umwelt- und Nachhaltigkeitsreferentin der Diözese Eichstätt sowie Agraringenieurin und Biobäuerin) nach Perspektiven für die deutsche Landwirtschaft, welche man vergeblich versucht habe, für den Weltmarkt fit zu machen. Staatssekretärin Tappeser schilderte, dass zwar kurzfristig Finanzspritzen geben könne, was jedoch nur Krisenintervention sei. Mittelfristig müsse hingegen der ökologische Landbau weiterentwickelt werden. Man müsse die heimische Futtermittelproduktion, wie z.B. den Klee- oder Futtererbsenanbau, wieder aufgreifen und fördern, anstatt auf gentechnisch veränderte Importware zu setzen. Es müsse über die ganze Wertschöpfungskette Regionalität hergestellt werden, Bildung- und Weiterbildung hierüber gefördert werden und der Fokus auf alternative Landwirtschaft gelegt werden. Diese Lösungsansätze, so Amon, seien plausibel und längst bekannt, jedoch sehe sie kaum politischen Willen für die Umsetzung. Tappeser erwiderte, dass aufgrund der Krise nun eher die Bereitschaft bestünde, sich auf diese Ansätze einzulassen, auch wenn klar sei, dass dies noch ein langer Weg sei.

Abschließend konstatierte Prof. Graßl, Vorsitzender der VDW, aus dem Auditorium heraus zunächst, dass Deutschland in Bezug auf die Klimafolgen und fehlende soziale Existenzgrundlagen doch eher ein „Paradiesgärtlein“ sei und fragte nach Lösungsansätzen aus internationaler Perspektive. Wiltrud Rösch-Metzler führte hierzu die Stärkung der UNO und der Menschenrechte an. Auf die Regierungen müsse Druck gemacht werden, um Änderungen zu erreichen. Dr. Hilbeck verwies auf internationale Organisationen wie das „Third World Network“, die sich für nachhaltige Lösungen in engagierten. Lisa Amon plädierte für eine stärkere Verbreitung des Weltagrarberichts; dieser sei von Deutschland nicht unterschrieben worden und werde „totgeschwiegen“. 

Die Veranstaltungsreihe des Verbundprojektes wird im Oktober fortgesetzt.