Seit man im 12./13. Jahrhundert im Abendland den Koran kennenlernte, war das Urteil über ihn unter Christen ziemlich einhellig: Da er die Trinität sowie Kreuzestod und Auferstehung Jesu ausdrücklich leugnete, hielt man ihn für ein antichristliches, ketzerisches Buch. Etwas abseits von den ausgetretenen Pfaden der Islampolemik hielt sich Nikolaus von Kues (1401 – 1464). In seiner Schrift „Durchsicht des Korans“ wies er auf die Nähe bestimmter koranischer Auffassungen zu Lehren der nestorianischen Christen hin und erkannte im Koran durchaus Spuren christlicher Glaubenswahrheiten. Im 19. Jahrhundert war es der bedeutende katholische Theologe Johann Adam Möhler (1796-1838), der das „Christliche“ im Koran neu zu werten lehrte. Nachdem man lange Zeit nur die „Abhängigkeit“ des Korans von Christentum und Judentum hat sehen wollen, ist in den letzten Jahren eine neue, z. T. heftige Diskussion darüber entstanden, inwieweit der Koran nicht überhaupt im Zusammenhang spätantiker Bewegungen ganz neu gesehen und beurteilt werden muss. Die gegenwärtige Forschungslage ist auf der einen Seite durch Hypothesenfreudigkeit gekennzeichnet, auf der anderen Seite aber mit der Schwierigkeit, wie sich diese Hypothesen mit der traditionellen islamischen Sichtweise des „Christlichen“ im Koran vereinbaren lassen.